Ein Neuanfang, der schmerzt

Bis zu 16 der 22 Schauspieler müssen gehen. Einige beklagen, sie hätten keine Chance auf eine Vertragsverlängerung gehabt.

Leif Simonsen
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Lichterlöschen für einen Grossteil des Basler Ensembles. Foto: Hans Jürg Michel

Lichterlöschen für einen Grossteil des Basler Ensembles. Foto: Hans Jürg Michel

Schweiz am Wochenende

Am renommierten Dreispartenhaus bleibt kein Stein auf dem anderen. Der Intendantenwechsel am Theater Basel kostet beinahe sämtlichen Schauspielern den Job. Die neue Theater-Sprecherin Ingrid Trobitz bestätigt Informationen, wonach der Vertrag von 13 der 22 Bühnenkünstler nicht über diese Spielzeit hinaus verlängert worden sei. Drei weitere Schauspieler profitierten vom Gesamtarbeitsvertrag (GAV) für das künstlerische Solopersonal. Als langjährige Angestellte geniessen sie einen Kündigungsschutz und dürfen mindestens noch ein Jahr bleiben. Danach wird über eine Weiterbeschäftigung entschieden. Betroffen von den Umwälzungen ist auch die Oper, wo drei der acht Verträge nicht verlängert wurden. Unangetastet bleibt nur das Ballett, weil das Engagement von Spartenleiter Richard Wherlock unter dem neuen Intendanten Andreas Beck weiterläuft.
Dass das Personalkarussell bei Intendantenwechseln zu drehen beginnt, ist nichts Aussergewöhnliches. Ein Theaterintendant weiss: In kaum einer anderen Branche wird der Chef so unmittelbar an der Qualität seiner Mitarbeiter gemessen. Über das Ausmass zeigt sich Salva Leutenegger, Geschäftsleiterin des Schweizerischen Bühnenkünstlerverbands (SBKV), trotzdem «bestürzt». «Veränderungen sind einem Intendantenwechsel üblich. Aus Sicht der betroffenen Künstler sind Nichtverlängerungen aber unfair, weil nicht nur das berufliche, sondern oft auch das private Leben auf den Kopf gestellt wird. Gerade bei älteren Künstlern, die nur schwer eine Festanstellung fänden, sei eine Vertrags-Nichtverlängerung eine «Katastrophe».
Der SBKV wurde vergangene Woche aus Theaterkreisen kontaktiert. Der Verband solle prüfen, ob die neue Theater-Leitung den GAV eingehalten habe. Dieser schreibt dem Theater-Direktor unter anderem vor, dass er sämtliche Schauspieler «nachweislich in mindestens zwei Rollen bzw. Partien» gesehen hat. Zudem müsse die Bühnenleitung den Schauspieler bis spätestens zwei Wochen vor der Nichtverlängerung des Vertrags schriftlich zu einem Gespräch einladen.
Ingrid Trobitz, die im Zuge Andreas Becks nach Basel kommt, betont, dass bei den Nichtverlängerungen sehr genau auf die Einhaltung des Gesamtarbeitsvertrags geachtet worden sei. Dass Beck das persönliche Gespräch gesucht habe, bestätigt auch ein Ensemble-Mitglied auf Anfrage der «Schweiz am Sonntag». Es bekam vom 49-jährigen Mülheimer Intendanten ebenfalls keine Vertragsverlängerung. Die Schauspielerin erzählt, Beck habe seine Meinung über das Niveau im Theater Basel unzweideutig kundgetan. «Er sagte, wir hinterliessen den Eindruck von depressiven Fiakern», erinnert sie sich. Beck habe auch gesagt, mit solchen Schauspielern liesse sich womöglich «postdramatisches Theater» umsetzen. Nicht aber «die grossen, kantigen Stücke», die er mit dem Theater Basel anstrebe.
Andreas Beck steckte vergangene Woche im Abschlussstress in Wien: Seine letzten Vorstellungen als Künstlerischer Leiter am Schauspielhaus gingen über die Bühne. Über Trobitz lässt er ausrichten, dass er sich nie derart herablassend über das Basler Schauspiel-Ensemble geäussert habe. Sollte er es getan haben, wäre er mit seiner Meinung nicht alleine. Mit dem Schaffen des jetzigen Schauspiel-Direktors Tomas Schweigen wurde das Basler Publikum nicht richtig warm. Sämtliche Mitglieder seiner Kompagnie «Far A Day Cage», die 2012 ins Theater Basel einverleibt wurde, müssen sich einen neuen Job suchen. «Beck hat mir lediglich in Aussicht gestellt, dass ich mit Gastauftritten ein Zubrot verdienen könne», sagt ein «Far A Day Cage»-Mitglied.
Theatersprecherin Ingrid Trobitz indes masst sich nicht an, das Bühnenpersonal zu qualifizieren. Sie verteidigt die Nichtverlängerungen der Verträge mit dem Wunsch des Publikums und der Stadt Basel nach Veränderung. «Wir sind uns bewusst, dass hinter den Nichtverlängerungen auch persönliche Schicksale stehen. Aber alle Engagements im künstlerischen Bereich sind zeitlich befristet.» Im Zuge eines Intendanzwechsels sei es letztlich auch gewünscht, neue künstlerische Konstellationen zu schaffen.
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