Skandal oder Business as usual? Der Waffenexport in den indischen Teilstaat Chhattisgarh war auch im Bundesrat höchst umstritten, wie Recherchen des «Sonntags» zeigen. Jetzt soll die GPK den Fall untersuchen.
VON CHRISTOF MOSER
Die «Sonntag»-Enthüllung, dass der Bundesrat Kriegsmaterialexporte in die indische Krisenregion Chhattisgarh bewilligt hat, in der Kinder als Soldaten in bewaffnete Konflikte verwickelt sind, schreckte selbst die Befürworter von Waffenexporten auf: «Hätte man das gewusst, wäre der Export verboten worden», sagte FDP-Nationalrat Edi Engelberger am Montag in der Gratiszeitung «News».
Doch Engelberger irrt. Die Exportkontrolle im Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) hatte bei der Prüfung des Exportgesuchs für die Lieferung von 10 Maschinenpistolen des Typs MP9 PDW an die Polizei in Chhattisgarh Kenntnis vom Bericht der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, in dem auf den Einsatz von Kindern in den Reihen der Polizeikräfte hingewiesen wird. Das bestätigt Simon Plüss, Leiter der Exportkontrolle: «Der Bericht von Human Rights Watch war dem Seco bekannt.»
Mehr noch: Die Menschenrechtsexperten in der politischen Abteilung IV des Aussendepartements EDA, die bei der Beurteilung von Kriegsmaterialexport-Gesuchen beigezogen werden, blockierten das Waffengeschäft mit dem expliziten Hinweis auf den Bericht sogar. Das zeigen interne Papiere aus dem EDA und dem Seco, die dem «Sonntag» vorliegen.
Doch weil sich die Exportkontrolle bereits damals auf den Standpunkt stellte, dass in Chhattisgarh trotz dem Einsatz von Kindern als «Special Police Officers» im Kampf gegen die maoistischen Rebellen die Menschenrechte nicht systematisch und schwerwiegend verletzt werden, musste der Bundesrat am 25. März über das Geschäft entscheiden – und folgte dem Antrag von Volkswirtschaftsministerin Doris Leuthard, den Export zu bewilligen.
In der TV-«Arena» vorgestern Freitag verteidigte Leuthard den Entscheid mit dem Hinweis auf eine Passage im Bericht von Human Rights Watch, der besagt, dass die Polizei in Chhattisgarh seit 2006 keine Kinder mehr rekrutiere. Das ist allerdings nur die halbe Wahrheit. Direkt nach dieser Feststellung hielt Human Rights Watch fest: «Unsere Recherchen zeigen, dass Minderjährige von der Polizei nach wie vor für Kampfhandlungen gegen Rebellen benutzt werden.»
Gegenüber dem «Sonntag» hält die Exportkontrolle gestern Nachmittag fest, dass keine Hinweise vorlägen, dass «die Schweizer Waffen von Minderjährigen gebraucht werden». Die Waffen seien zu kompliziert und zu teuer, um von Kindersoldaten benutzt zu werden.
Lesen Sie die ganze Geschichte in der gedruckten Ausgabe oder über E-Paper!