Bezirksgericht
Der psychisch angeschlagene Messerfuchtler könnte verwahrt werden

Erst die Sondereinheit «Diamant» konnte einen psychisch gestörten Dietiker überwältigen. Am Donnerstag musste er sich jetzt vor Gericht verantworten. Auf Empfehlung eines psychiatrischen Gutachtens muss er mit der kleinen Verwahrung rechnen.

Attila Szenogrady
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Seit Donnerstag muss sich der inhaftierte und psychisch angeschlagene Sozialhilfe-Empfänger vor dem Bezirksgericht Dietikon verantworten.

Seit Donnerstag muss sich der inhaftierte und psychisch angeschlagene Sozialhilfe-Empfänger vor dem Bezirksgericht Dietikon verantworten.

Limmattaler Zeitung

Es war am frühen Abend, als am 19. März 2015 an einer Tankstelle in Dietikon ein Mann in Tarnhosen auftauchte und mit einem Fleischmesser wild um sich fuchtelte. Dabei schrie er immer wieder, dass er nun diesen «Scheissjugo» umbringen werde. Eine erschrockene Mitarbeiterin der Tankstelle verschloss die Eingangstüre zum Tankstellenshop und alarmierte die Polizei.
Schon bald trafen zwei Angehörige eines Streifenwagens ein und konnten den Mann zur Rede stellen. Dieser reagierte äusserst aufgebracht, schrie laut Anklage «ihr Dreckschweine» und richtete ein geöffnetes Klappmesser sowohl gegen eine Polizeibeamtin als auch gegen ihren Berufskollegen. Obwohl die beiden Polizisten eine Pistole sowie einen Taser zogen, reagierte der aufgebrachte Schweizer nicht und fuchtelte weiterhin mit dem Klappmesser in der Luft herum. Dann schritt er auf die Polizistin zu und kündigte lauthals an, dass er sie und den «Jugo» umbringen werde.

Der Polizeibeamte konnte darauf dem Mann einen Stoss gegen dessen Schulter versetzen und ihn ablenken. So stark, dass dem Beschuldigten das Messer entglitt und der Polizist die Waffe wegkicken und dem Angreifer einen Tritt in den Bauch versetzen konnte.
Allerdings gab der Mann nicht auf und drohte weiter. Wobei er weitere Waffen zückte – darunter einen Baseballschläger sowie eine Axt.

Ohne Blutvergiessen überwältigt

Es bedurfte einer Abordnung der Interventionseinheit Diamant, um den Mann ohne Blutvergiessen zu überwältigen. Die Fahnder stellten beim festgenommenen Dietiker ein ganzes Waffenarsenal sicher. So hatte er sich nicht nur mit einem Fleischmesser, sondern auch mit einem Klappmesser, zwei Stahlketten mit einem spitzigen Fleischerhaken, zwei Schraubenziehern, einem Beil, einer Axt, einem Baseballschläger und zwei Knieschützen ausgerüstet.

Die Ermittlungen führten zum Tatmotiv. So hatte der heute 48-jährige Beschuldigte wenige Stunden vor seinem Auftritt einen früheren homosexuellen Gelegenheitspartner per SMS angeschrieben und vom heute 71-jährigen Senior ein gemeinsames Wochenende mit sexuellen Handlungen verlangt. Ansonsten werde er ihn in einem Flyer der Schändung von jungen Knaben bezichtigen, drohte er. Der Rentner lehnte dennoch ab und liess seine Absage durch eine vom Balkan stammende Vertrauensperson dem Beschuldigten telefonisch übermitteln. Worauf dieser völlig ausrastete, den Anrufer als «Scheissjugo» beschimpfte und ihn sogleich zu einem Duell vor der fraglichen Dietiker Tankstelle aufforderte.

«Ich war verzweifelt»

Seit gestern muss sich der inhaftierte und psychisch angeschlagene Sozialhilfe-Empfänger vor dem Bezirksgericht Dietikon verantworten. Wegen strafbarer Vorbereitungshandlungen zu einer vorsätzlichen Tötung, versuchter sexueller Nötigung sowie Gewalt und Drohung gegen Beamte muss er nicht nur mit einer hohen Freiheitsstrafe von vier Jahren, sondern auf Empfehlung eines psychiatrischen Gutachtens auch mit einer kleinen Verwahrung rechnen.

«Ich war verzweifelt», blickte der Beschuldigte auf den Tattag zurück. Er stellte allerdings ein gesuchtes sexuelles Abenteuer mit dem Senior in Abrede. Es habe sich nur um ein «Lockangebot» für ein klärendes Gespräch gehandelt, sagte der Beschuldigte. Sein Verteidiger Thomas Wirz deutete später an, dass es sich um einen Vorfall vor 30 Jahren gehandelt habe. Der Senior habe seinen damals jungen Klienten möglicherweise betäubt und vergewaltigt.

Nur teilweise geständig

Der Beschuldigte zeigte sich ohnehin nur teilweise geständig. So stritt er wiederholt vehement ab, jemals «Scheissjugo» gerufen zu haben. Er habe ja gedacht, dass es sich beim Boten um einen Araber gehandelt habe. Zudem habe er auch nie mit einer Waffe herumgefuchtelt. Anders sah es Staatsanwalt Adrian Kägi, der von einer unbegreiflichen und sinnlosen Tat sprach. «Der Beschuldigte plante ein schweres Gewaltdelikt und wollte es ausführen», plädierte er und verwies auf die psychische Borderline-Störung des Mannes, der vor der Tat Amphetamine konsumiert hatte.

Verteidiger Wirz sah dagegen nur eine versuchte Nötigung und eine Hinderung der Amtshandlung als erwiesen an. Dabei seien höchstens eine Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu zehn Franken oder 480 Stunden gemeinnützige Arbeit anzuordnen. Deshalb sei der Beschuldigte auch sofort aus der Haft zu entlassen.

«Dramatisiert und übertrieben»

Rechtsanwalt Wirz stufte die Vorwürfe der Anklage als dramatisiert und übertrieben ein. Der Beschuldigte sei zwar verzweifelt, aber niemals gewalttätig gewesen. Der Verteidiger sprach von einer Drohgebärde und Inszenierung eines sozial isolierten Zeitgenossen, der in einer Messie-Wohnung gelebt habe. Die Tat sei ein Hilfeschrei gewesen. Die Waffen habe er bloss zum Selbstschutz mitgenommen.

Das Gericht zog sich nach den umfangreichen Plädoyers zur geheimen Urteilsberatung zurück. Es wird seinen Entscheid voraussichtlich am nächsten Mittwoch eröffnen. So lange bleibt der Waffennarr inhaftiert.