Der Bundesrat soll entscheiden

Der Bundesrat soll den US-Deal aus dem Parlament zurückziehen, fordert Ständerats-Vize Hannes Germann. Für diese Lösung sucht er Mehrheiten.

SaW Redaktion
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Das Gutachten von Peter V. Kunz vom 14. Mai.

Das Gutachten von Peter V. Kunz vom 14. Mai.

Schweiz am Wochenende

Der Bundesrat habe die Kompetenz, den US-Deal «über Einzelbewilligungen» abzuwickeln», sagt SVP-Ständerat Hannes Germann. Gäbe die Regierung dem Stände- und Nationalrat jetzt ein Signal, dass sie das tun wolle, könnten die beiden Kammern entsprechend handeln. «Das wäre die beste Lösung», sagt Germann. «Und es wäre ein klares Signal an die USA, dass sie keinen Blankocheck erhalten.»
Drei von vier juristischen Gutachten zeigen, dass die Regierung tatsächlich mit Einzelbewilligungen handeln könnte. Wenn sie denn wollte. Kürzlich hielt die Zürcher Staats- und Verfassungsrechtlerin Christine Kaufmann in ihrer Beurteilung fest, es gebe keine rechtliche Pflicht, den US-Deal ins Parlament zu bringen. Auch ein Gutachten des Staatssekretariats für internationale Finanzfragen (SIF) kam zu selben Schluss.
Das neuste Gutachten stammt vom 4. Juni, also Dienstag. Unter dem Titel «Steuerstreit CH - USA» beantwortet dabei das Bundesamt für Justiz auf sechs Seiten vier Fragen. Unter anderem die Frage, was für Möglichkeiten der Bundesrat habe, falls das Parlament das Rahmengesetz ablehnt. «Im Fall einer Ablehnung des Parlaments müssten die Möglichkeiten des Bundesrats neu evaluiert werden, unter besonderer Berücksichtigung der Motive der Ablehnung», heisst es darin. Das Bundesamt für Justiz zeichnet jene Lösung, die dann im Vordergrund stehen dürfte, bereits vor: «Auf den ersten Blick dürfte die Möglichkeit für den Bundesrat nicht in Mitleidenschaft gezogen sein, zu individuellen Entscheidungen überzugehen.»
Hingegen sei es dann für den Bundesrat «politisch unrealistisch», «generelle und abstrakte Regeln, die direkt auf seinen Verfassungs-Kompetenzen beruhten», zu adoptieren. «Es ist in der Tat nicht vorstellbar, dass der Bundesrat den parlamentarischen Willen unterläuft, indem er selber genau jene Regeln adoptiert, die das Parlament ablehnte.»
Als Einziger kommt Professor Peter V. Kunz in seinem Gutachten vom 14. Mai explizit zum Schluss, das Parlament müsse einbezogen werden. Er geht aber von einer Globallösung aus. «Meines Erachtens überschreitet die volkswirtschaftliche Tragweite der Globallösung die Alleinkompetenz des Bundesrats», schreibt er, «sodass die Globallösung dem Parlament vorgelegt werden muss.»
Sehr verwunderlich scheint ein Punkt, der im Bericht des Bundesamts für Justiz enthalten ist. Noch letzten Dienstag, dem 4. Juni, dem zweiten Sessionstag, beantwortet das Amt als Erstes die Frage, welche Kompetenz der Bundesrat habe, ein Memorandum of Understanding (MoU) abzuschliessen. Von einem solchen MoU ist in der Botschaft zum Rahmengesetz, das in die Räte kam, keine Rede. Auch Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf hat davon nicht mehr gesprochen. Es schien vom Tisch.
Das Bundesamt für Justiz folgert aber, ein MoU bedürfe «nicht der Zustimmung des Parlaments». Vieles deutet darauf hin, dass der Bundesrat versucht, doch noch ein MoU zu unterzeichnen. Abgeschlossen würde es zwischen US-Departement of Justice (DoJ) und dem Eidgenössischen Finanzdepartement (EFD). Noch am 17. Mai war an den Von-Wattenwyl-Gesprächen von so einem Staatsvertragswerk mit Referendumsmöglichkeit die Rede. Als die Amerikaner davon Wind bekamen, dass der Vertrag ins Parlament soll, zogen sie ihr Angebot zurück. Weil es die Eckwerte enthielt.
Ob die Amerikaner noch ein Interesse an einem MoU haben, wenn das Parlament das Rahmengesetz durchwinkt, bezweifelt Ständerat Germann. «Die Bundesrats-Vorlage liefert uns komplett aus, das ist ein Blankocheck für die totale Kapitulation», sagt er. «Deshalb müssen wir die Vorlage zurückweisen, um doch noch eine Globallösung mit einem MoU zu ermöglichen.»
Das 35-seitige Gutachten von Professor Peter V. Kunz ist eine Fundgrube und gibt erstmals Einblicke in das Programm, das die amerikanischen Justizbehörden entwickelt haben. Kunz hatte Einblick in die zwei der wichtigsten Dokumente der Amerikaner. Sie tragen den Namen «Payment» (Bussenzahlung) sowie «Terms and Conditions for Non-Prosecuting Agreements (NPA) or Non-Target Letters (NTL) for Swiss Banks».
Im Dokument teilt das DoJ die Schweizer Banken in vier Kategorien ein:
> Kategorie 1: Dazu gehören all jene Banken, gegen die bereits Strafuntersuchungen laufen. Insgesamt sind dies 14 Banken. Diese sind vom Programm ausgeschlossen. Das DoJ habe diese Banken, zu denen die Credit Suisse, ZKB und BKB gehören, bereits in Kenntnis gesetzt. Sie müssen selber eine Lösung mit Behörden suchen.
> Kategorie 2: Dazu zählen Banken, gegen die keine Untersuchungen laufen, die aber glauben, sie hätte gewisse US-Steuerdelikte begangen. Diese können um ein NPA ersuchen. Diese Banken müssen zahlreiche Pflichten erfüllen, zum Beispiel die volle Kooperations- und Aufbewahrungspflicht für Unterlagen. «Ausserdem werden Bussen auferlegt», schreibt Kunz. Wie hoch diese sind, sind dem Gutachter nicht bekannt. In einer Fussnote heisst es, die entsprechende Stelle «1. Payment» sei eingeschwärzt worden.
> Kategorie 3: Diese Banken streben ein NTL an. Sie müssen keine Busse bezahlen. Vorausgesetzt wird, dass diese Banken keine Steuerdelikte begangen haben. Trotzdem müssen sie eine Reihe von Pflichten erfüllen, wie etwa die Aufbewahrung aller Bankunterlagen und ihr US-Geschäft durch einen unabhängigen Prüfer durchleuchten zu lassen.
> Kategorie 4: Obwohl diese Banken zu den «harmlosen» zählen, müssen auch diese Banken ein NTL vereinbaren. Die USA können ihnen keinen «legalen Vorwurf» machen, trotzdem müssen auch sie Bankunterlagen aufbewahren.
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