Wie sich Elisabeth Schneider-Schneiter und die Handelskammer gegenseitig beflügeln wollen.
Wer sich dereinst durch die Ahnengalerie der Präsidenten der Handelskammer beider Basel scrollen wird, bleibt bei Elisabeth Schneider-Schneiter hängen. Zum ersten Mal steht eine Frau dem Wirtschaftsverband vor. Anders als bei ihren Vorgängern hallt ihr Name aber nicht im Echo des Basler Daigs; und ihr Konto speist sich nicht durch hoch dotierte Verwaltungsratsmandate. Vielmehr präsidiert eine Politikerin den Verband, die auf einem Bauernhof aufwuchs, sich an Kleinräumigkeit stösst und auf dem nationalen Parkett aufblüht. Dort, in Bundesbern, hat die Handelskammer nun ihre eigene Lobbyistin. Erst seit der bröckelnden Bedeutung beim Gewerbe- und Arbeitgeberverband kann sich die Handelskammer wieder einflussreicher inszenieren. Eine Nationalrätin an der Spitze sorgt für neuen Glanz und Einfluss. Schneider hingegen kann ihr Profil als Wirtschaftspolitikerin in prestigeträchtigen Boden verwurzeln.
Am Donnerstagmorgen eilt die Biel-Benkerin durch die Wandelhalle. In ein paar Stunden reist sie mit der künftigen Bundespräsidentin Doris Leuthard an deren Wahlfeier nach Aarau. Doch zu dieser Stunde richten sich die Glückwünsche an sie. Parteikollegin Ruth Humbel umarmt sie, gratuliert ihr. Schneiders blaue Augen leuchten, ihre Freude ist ungekünstelt. Durch die Schwingtüren zum linken Ratsaalflügel treten neben SPler und Grüne auch CVP-Nationalräte. «Einige SVPler sieht man hier nie. Sie meiden diesen Bereich», sagt Schneider. Und wo lässt sie sich nicht blicken? «Nirgendwo. Ich kenne keine Berührungsängste.» Schneider sieht sich, wie ihre CVP, als Brückenbauerin. Was auch als Opportunismus ausgelegt werden kann, versteht sie als Stärke. «Für eine erfolgreiche Sach-, also auch Wirtschaftspolitik braucht es Allianzen. Im Bereich der Steuern finden wir sie auf der rechten Seite, für Verkehrs- und Bildungsthemen auf der linken Seite.» Diese Pragmatik setzte ihr die Krone als «die «Erfolgreichste in Bundesbern» auf. Wie die «Tagesschau» ermittelte, sass Schneider bei 89,3 Prozent aller Abstimmungen im Lager der Sieger.
Saladin hat ihren Badge
In Bundesbern hat sich die Juristin rasch eingearbeitet. Bereits nach drei Jahren im Nationalrat wurde sie als Fraktionspräsidentin gehandelt. Heute sitzt sie im CVP-Parteipräsidium, amtet als Vizepräsidentin der Aussenpolitischen Kommission und reist als Mitglied der Schweizer Delegation zum Europarat. Nicht nur regional profilierte sie sich als (Aussen-)Wirtschaftspolitikerin: Bei Economiesuisse gilt sie als zentrale Ansprechperson, wie es dort heisst. Anders als mit der Wirtschaftskammer Baselland, deren Verhältnis von Sticheleien und Distanz geprägt ist, verbinde Schneider mit der Handelskammer eine «langjährige, vertrauensvolle Zusammenarbeit». Die Türen in Bern stehen deren Direktor Franz Saladin schon länger offen; er bekam von Schneider 2010 den Badge.
Den ersten Kontakt zwischen ihr und dem Verband stellte sein Vorgänger, Andreas Burckhardt, her. Er präsidierte den Grossen Rat, als Schneider den Landrat leitete: «Wir standen gemeinsam für die Region ein. Das war für mich der Startschuss bei der Handelskammer», sagt sie. Im nächsten Sommer steigt sie nun auf deren Thron. Als Nachfolgerin des Wirtschaftsanwalts Thomas Staehelin (LDP) verfolgt sie zwei Hauptziele: Die Vernetzung mit der Bundespolitik und eine Akzentuierung auf die Aussenwirtschaft. «Die Konkurrenz des Standorts Basel befindet sich nicht in Zürich oder Genf, sondern in Schanghai oder London.» Konkret heisse dies: Die Handelskammer müsse sich vermehrt für Drittstaatenkontingente, Freihandels- oder Investitionsschutzabkommen einsetzen.
Für das Präsidium bewarb sich Schneider nicht, der Verband kam auf sie zu. Wie Daniel Schenk, Leiter der Findungskommission, sagt, wusste ihr Vertrauter Saladin nichts davon. Zehn Personen wurden angefragt, nachdem sich im engeren Vorstand niemand für das Präsidium finden liess. Die zeitliche Belastung des Mandats sei vergleichbar mit einem Zwanzig-Prozent-Pensum. «Für einen Unternehmer ist dies schlichtweg zu gross», sagt Schenk. Mit einem relativ offenen Anforderungsprofil begab man sich auf die Suche. Die Ansprüche: Gut vernetzt in Basel, um die 55 Jahre alt, Verbandserfahrung, Leidenschaft für die Anliegen der regionalen Wirtschaft und mit einem Präsidialhorizont von zirka zehn Jahren. Aufgrund des Alters dürfte Christoph Eymann, LDP-Schwergewicht und langjähriger Direktor des Basler Gewerbeverbands, durch das Raster gefallen sein. Er erhielt keine Anfrage. Das Amt hätte ihn aber «schon gereizt».
Schneider selber betont, dass sie ihr Engagement für den Wirtschaftsverband «langfristig» sehe: «In der Handelskammer werde ich wohl länger engagiert sein als im Nationalrat.» Und was ist mit ihren bundesrätlichen Ambitionen? Das Präsidium dürfte ihre Chancen steigern. Schneider gibt sich diplomatisch: «Doris Leuthard macht einen hervorragenden Job. Ich hoffe, dass sie diesen noch viele Jahre macht.» Wird sie einst deren Nachfolgerin, wäre Schneiders Name in der Ahnengalerie der Handelskammer der schillerndste. Auch ohne Daig.
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