Das grosse Interview mit Peter Wanner

Verleger Peter Wanner sagt, was er mit TeleZüri und TeleBärn vorhat, wie er politisiert worden ist und welchen TV-Sender er für «grauenhaft» hält.

SaW Redaktion
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Marc Wetli

Marc Wetli

Schweiz am Wochenende

«Der Sonntag» brachte schon grosse Interviews mit Michael Ringier, Tamedia-Verleger Pietro Supino und dem langjährigen SRG-Generaldirektor Armin Walpen – aber noch nie eines mit dem eigenen Verleger. Nach dem «Mediendeal des Jahres», wie der Kommunikationsdienst «persönlich» die Regional-TV-Übernahme bezeichnete, kommt es nun zur Premiere: Wir befragen unseren Chef. Peter Wanner hat sein Büro ein Stockwerk über der «Sonntag»-Redaktion in Baden.
Herr Wanner, wir mussten vier Jahre warten bis zum ersten Interview – wie lange wird es gehen, bis Sie im «Talk Täglich» auf TeleZüri zu Gast sind?
Peter Wanner: Das müssen Sie Markus Gilli fragen, den Chefredaktor.
Sie würden in die Sendung gehen?
Ja, warum nicht? Ich suche aber das Rampenlicht nicht. Es ist mir auch nicht ganz geheuer, was diese Woche geschah. Ich bin überrascht, welche Wellen diese Übernahme wirft.
Ernsthaft?
Es ist jetzt überall die Rede von mir, aber einen wichtigen Anteil an diesem Deal hat unser CEO Christoph Bauer, der mit Tamedia-Chef Martin Kall die Verhandlungen geführt hat. Klar habe ich gesagt: Ich will das. Aber verhandelt hat Christoph Bauer.
Wie fühlt es sich an, als Aargauer «s’Fernseh vo Züri» zu besitzen, wie es in der Eigenwerbung heisst?
Das fühlt sich nicht so schlecht an (lacht). Was das Thema Aargau betrifft, muss ich allerdings sagen: Ich bin in erster Linie Badener. Und ich wohne 100 Meter entfernt von der Grenze zum Kanton Zürich.
Hören wir da eine Distanzierung von Ihrem Heimatkanton?
Nein, aber Baden hatte schon immer eine Orientierung nach Zürich. Natürlich will ich meine Aargauer Wurzeln nicht verleugnen, aber ich lebe letztlich im Grossraum Zürich-Aargau. Darum stört es mich auch, wenn es heisst: «TeleZüri ist in den Aargau gegangen.» TeleZüri bleibt mit den Studios in Zürich und das Programm wird weiterhin von Zürchern gemacht .
Der Zürcher Stadtrat empfand den TeleZüri-Verkauf als «kleinen Stich ins Herz». Können Sie diese lokalpatriotische Anwandlung verstehen?
Eigentlich nicht. Ich sagte schon auf Radio Schawinski beziehungsweise auf Radio 1, dass ich diese Reaktion für ein wenig kleinkariert halte. Hat man denn bei Swatch je kritisiert, dass der Eigentümer, Nicolas Hayek, im Aargau wohnte?
Abgesehen vom Stadtrat haben fast alle Politiker von links bis rechts auffällig positiv auf die TV-Übernahme reagiert, auch in Bern. Der Grund ist klar...
Ach ja, warum denn?
Die Politiker wollen bei Ihnen gut Wind machen, um in die Sendungen zu kommen.
Mag sein. Aber das entscheiden die Chefredaktoren, nicht ich.
Wird es bald einen nationalen «SonnTalk» geben?
Es stellt sich die Frage, ob neben Zürchern und Aargauern auch Berner oder Solothurner Politiker eingeladen werden sollen. Darüber werden die Verantwortlichen sicher miteinander reden.
Es soll also eine kleine Konkurrenz zum grossen Schweizer Fernsehen entstehen?
Es eröffnen sich zumindest Perspektiven, gerade bei politischen Sendungen, Nachrichten und Talks. Da kann man nun mehr machen. Auch wenn es weiterhin David gegen Goliath ist.
Rechtsbürgerliche Kreise hoffen auf ein Korrektiv zur angeblich linkslastigen SRG.
Ich nehme das Schweizer Fernsehen nicht als linkslastig wahr, es bemüht sich um Ausgewogenheit. Das tut auch der «SonnTalk», in dem meistens drei Gäste aus den drei politischen Lagern diskutieren: der Rechten, der Mitte und der Linken. Dieses Konzept ist gut. Wenn Sender selber Politik machen wollen, ist das verheerend. Fox TV in den USA finde ich grauenhaft. Da macht schon der Nachrichtensprecher Politik und verhöhnt «liberals».
Welchem der drei Lager gehört der «König des Regionalfernsehens» an, wie die «Weltwoche» Sie bezeichnete?
König bitte in Anführungszeichen! Ich ticke liberal.
Das heisst heute alles und nichts.
Ich glaube an die Selbstverantwortung des Individuums, die Kraft der Argumente und an echt liberale Werte. Ich setze mich auch ein für das Recht der anderen, ihre Meinung frei äussern zu können – ohne sie teilen zu müssen.
Sind Sie noch FDP-Mitglied?
Ja. Aber ich bin ein Gegner von Ideologien. Ich ertrage keine Dogmen.
Warum «aber»? Ist denn die FDP ideologisch?
Nein. Was ich sagen will: Ich habe eine ur-liberale Ader, darin fliesst auch radikales Blut. Nennen Sie mich liberal-radikal. Das waren schon meine Vorfahren, insbesondere der Zeitungsgründer Josef Zehnder, das war ein liberal-radikaler Feuerkopf.
Ihnen werden Sympathien zu den Grünliberalen nachgesagt.
Das stimmt. Wenn ich nochmals eine politische Karriere starten oder wiederbeleben würde, kämen die Grünliberalen durchaus infrage. Liberal bin ich – und grün hat Zukunft. Wir müssen unserer Umwelt wirklich Sorge tragen. Ich sehe das auch als Bergsteiger. Da kann man zuschauen, wie die Gletscher schmelzen.
Nach diesen Aussagen wird bestimmt ein Transfer-Angebot der Grünliberalen kommen.
(lacht) Ich habe schon meiner Frau gesagt, sie müsste eigentlich bei den Grünliberalen dabei sein (Maja Wanner ist FDP-Kandidatin für den Nationalrat, die Red.). Aber sie meinte, sie wechsle jetzt nicht und bleibe bei den Freisinnigen. Man kann Umweltanliegen auch in der FDP vertreten.
Sie sind Porschefahrer. Das wiederum passt eher zur FDP als zu den Grünliberalen.
Ich gebe zu: Das ist ein Spagat. Ich habe eine Schwäche für schnelle Autos, das ist eine Art jugendliche Spielzeug-Freude.
In einem Leitartikel in der «Aargauer Zeitung» plädierten Sie für den geordneten Ausstieg aus der Atomenergie – noch bevor der Bundesrat in die gleiche Richtung ging. Das war ziemlich provokativ im Atomkanton Aargau.
Ich beschäftige mich schon lange mit der Atomenergie und war auch gegen das AKW Kaiseraugst. Das führte damals zu einem Konflikt mit meinem Vater, der als Verleger des «Badener Tagblatts» für dieses AKW eintrat. Baden war die Hochburg der Kernenergie mit BBC und Motor Columbus.
Später wurden Sie aber zum AtomBefürworter.
Ja, letztlich aus Gründen des Umweltschutzes, denn Alternativen wie Öl, Kohle und Gas erachtete ich wegen der Klimaerwärmung als mindestens so problematisch. Nach Fukushima muss man aber wieder komplett über die Bücher gehen. Die Schweiz hat den grossen Vorteil, einen hohen Anteil an Wasserkraft zu besitzen. Wir können diesen Ausstieg langfristig planen und verantworten. Aber es wird nicht einfach werden.
Wie wurden Sie eigentlich politisiert?
Das war an der Kanti Aarau mit 16, 17 Jahren. Ich war ein Kennedy-Fan. Für mich brach eine Welt zusammen, als er ermordet wurde, das beschäftigte mich gewaltig. Ich habe die Politik sicher auch in die Wiege gelegt bekommen. Mein Vater hatte eine ausgeprägte politische Denkweise. Mein Ururgrossvater Josef Zehnder, der das Unternehmen vor 175 Jahren gegründet hat, war Grossrat und Stadtammann von Baden. Er war eng befreundet mit Augustin Keller, Regierungsrat und Nationalrat, der im Grossen Rat die Aufhebung der Klöster durchbrachte.
Als Student waren Sie in den 68erJahren selber ein Kultur-Kämpfer...
Ich studierte zuerst Politische Wissenschaft in Berlin, dann in Paris, wo ich auch Niklaus Meienberg kennen gelernt habe. Das war nach den Mai-Unruhen.
Auf welcher Seite standen Sie?
Ich bin ein 68er und stehe zu dieser Lebensphase. Ich stand nicht zuvorderst auf den Barrikaden, aber ich war ein Sympathisant. In Berlin war ich auch an einigen Demos dabei. Etwa, als wir gegen den Rektor der Freien Universität Berlin protestierten, weil er ein Alt-Nazi war. Oder als es gegen den Vietnam-Krieg ging, den ich vehement abgelehnt habe.
Das wird Ihren Vater nicht gefreut haben.
Zu Beginn schon, aber dann blieb bei mir halt mehr hängen von dem 68er-Gedankengut, als ihm recht war. Ich habe mich mit dem Marxismus und mit Marcuse intensiv auseinandergesetzt, hatte da aber meine Vorbehalte. 1967 ging ich von Berlin weg, weil die Marxisten dort die Oberhand gewonnen hatten – auch im Lehrkörper. Ich wollte keine marxistische Ausbildung.
Darum wechselten Sie nach Paris.
Zuvor arbeitete ich noch ein halbes Jahr als Journalist beim «Badener Tagblatt» – in einer ereignisreichen Zeit: Globus-Krawalle, Einmarsch in Prag, Mai 68. Dann ging ich nach Paris, im Irrglauben, dort sei es gemässigter als in Berlin. Und plötzlich hiess es, ich sei ein Revolutions-Tourist.
Im Bieterkampf um TeleZüri war offenbar der Anti-68er Christoph Blocher Ihr Konkurrent.
Das ist möglich, Sie müssen aber ihn selber oder die Tamedia fragen.
Es gibt eine Verschwörungstheorie, wonach hinter Ihrem TV-Deal Christoph Blocher steckt.
Nein. Das muss ich klar verneinen.
Manche Leute wunderten sich, dass Sie sich TeleZüri und TeleBärn ohne Financier leisten können.
Und ich wundere mich, dass diese Leute glaubten, ich pfeife aus dem letzten Loch... Unser CEO Christoph Bauer hat nach dem Krisenjahr 09 das Unternehmen sehr schnell zur alten Ertragskraft zurückgeführt, was diese Akquisition erst möglich machte. Wir können sie aus unseren liquiden Mitteln bezahlen – ohne fremde Hilfe und ohne Banken.
Sie haben sich also mit den rund 30 Millionen Franken, welche die Sender kosten, nicht übernommen?
Das ist eine Fangfrage. Ich äussere mich sicher nicht zum Preis. Eines kann ich Ihnen aber verraten (schmunzelt): Wir haben nicht so viel bezahlt wie vor zehn Jahren die Tamedia, als sie Roger Schawinski die Sender abgekauft hat (rund 92 Millionen, die Red.).
Als Sie Anfang der 90er-Jahre die Führung von Ihrem Vater übernahmen, hatten Sie nur das «Badener Tagblatt». Heute sind es eine Reihe von Zeitungen, Radio und Fernsehen. Ist der Übernahmehunger nun gestillt?
Übernahmen muss man immer zuerst verdauen, das gilt auch für TeleZüri und TeleBärn. Aber wir möchten weiter wachsen. In der Medienbranche braucht es eine kritische Grösse, um langfristig selbstständig zu überleben.
Verglichen mit Tamedia und Ringier sind Sie immer noch ein kleiner Player.
Ein mittelgrosser. Jetzt haben wir neben dem Printgeschäft einen TV-Bereich, der ein wichtiges Standbein werden wird.
Mit der «Basler Zeitung» kamen Sie bis jetzt nicht ins Geschäft – trotz mehrerer Anläufe.
Eine Kooperation, in welcher Form auch immer, habe ich schon mit dem damaligen Verleger Matthias Hagemann angestrebt. Diese Gespräche scheiterten. Der neue Verleger Moritz Suter sagt, die «BaZ» wolle sich aus eigener Kraft sanieren. Seine Strategie – oder die der Leute, die das Geld geben – ist es offenbar, zuerst die Probleme zu lösen. Diese sind allerdings riesig.
Wer sind denn die Leute, die Suter das Geld geben? Marcel Ospel?
Sicher handelt es sich um rechtsbürgerliche, SVP-nahe Kreise. Ich begreife nicht, warum man nicht offenlegt, wer die Geldgeber sind. Mit diesem Versteckspiel provoziert man laufend neue Gerüchte.
Was auffällt, sind die netten Worte, die Tamedia und die AZ Medien diese Woche füreinander fanden. Der Anfang einer neuen Liebe?
Wir hatten lange ein distanziertes Verhältnis. So kam mir beispielsweise die Gratiszeitung «News» in den falschen Hals.
Am liebsten hätten Sie die Zeitungsboxen eigenhändig abmontiert.
Oder gesprengt! Damals waren die Beziehungen zur Tamedia auf dem Gefrierpunkt. Inzwischen haben sie sich normalisiert, sie sind sogar freundschaftlich. Ich kann mir gut vorstellen, dass wir in gewissen Bereichen kooperieren. Konkrete Pläne sind aber nicht in der Pipeline.
Ihr 29-jähriger Sohn Michael ist im Verwaltungsrat. Welches ist Ihre Strategie für die Nachfolge an die sechste Generation?
Da ist noch nicht alles klar. Wir haben vier Kinder, der jüngste Sohn hat mit seinem Studium in St. Gallen begonnen. Eine Tochter ist Journalistin, die andere studiert Medizin. Michael, der Älteste, ist zurzeit Assistent des CEO beim Verlag Gruner + Jahr in Hamburg. Da sammelt er wertvolle Erfahrungen. Ich hoffe, dass er zurückkommt und nicht eine Medienkarriere in Deutschland macht...
Er soll Christoph Bauer als CEO dereinst ablösen?
Vorerst wünsche ich mir, dass Christoph Bauer so lange wie möglich weitermacht. Dann pressiert es mit dem Sohn nicht. Er will auch noch journalistische Erfahrungen machen, was ich richtig finde. Ein Verleger muss wissen, wie Journalisten ticken.
Sie selber litten darunter, dass Sie der Vater lange nicht ans Ruder liess. Könnte sich die Geschichte wiederholen?
Nein, ich mache andere Fehler, aber diesen nicht. Ich musste ja warten, bis ich 50 war. Michael ist 29-jährig, und wenn er es mit 35 macht, ist er immer noch jung.
Dann werden Sie mehr Zeit für Ihre zweite Leidenschaft haben: den Weinbau.
Auch da bin ich diese Woche einen Schritt weitergekommen. Der erste Jahrgang meines neu vinifizierten «Bicker»-Weins – der «Réserve du Patron» – gewann eine Auszeichnung. Und zwar gleich eine Goldmedaille. Das freut mich mindestens so sehr wie der Erwerb von TeleZüri.
Der Wein wächst symbolträchtig an der aargauisch-zürcherischen Kantonsgrenze, in Würenlos.
Noch knapp auf Aargauer Boden. Aber Zürcher dürfen ihn trinken.
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