Japan
Das alles verschweigt uns Japan

Offenbar wurden bereits an der russischen Küste erhöhte Strahlenwerte gemessen. Dies weiss eine Behörde in Wien, die über geheime Daten aus Japan verfügt.

Norbert Mappes-Niediek
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Alarm wegen Symbol für Radioaktivität

Alarm wegen Symbol für Radioaktivität

Keystone

Die verlässlichsten Nachrichten über Radioaktivität rund um die Katastrophe von Fukushima kommen aus Wien. Allerdings nicht von der schweigsamen Internationalen Atomenergie-Agentur (IAEA): Wer wissen will, welche radioaktiven Isotope die Luft über dem Westpazifik verseuchen, muss sich an die österreichische Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) halten. Die Behörde auf der Hohen Warte in Wien publiziert exakte Daten – wahrscheinlich gegen internationales Recht, aber für weltweite Sicherheit.

Nur bei der ZAMG ist aktuell zu erfahren, dass Radioaktivität aus Fukushima offenbar die russische Küste erreicht hat. Bei einer Messstation in Petropawlowsk auf der Pazifik-Halbinsel Kamtschatka wurde schon am Dienstag das radioaktive Isotop Jod 131 registriert. Gesundheitlich relevant, so die Anstalt, sei der gemessene Wert nicht. Viermal höher war die Konzentration an einer weiteren Messstation im japanischen Takasaki, wo ausserdem auch Barium 140 und weitere Isotope entdeckt wurden. Weil das Gebäude der Messstation in Takasaki selbst von der radioaktiven Wolke erfasst wurde, waren die Angaben über die Konzentration nicht exakt, heisst es in einer Erklärung der ZAMG.

Veröffentlichung genehmigt

Die Wissenschaftszeitschrift «Nature» zitiert den Leiter der schwedischen Agentur für Verteidigungsforschung, Lars-Erik De Geer, mit der Aussage, dass auch Cäsium und das Edelgas Xenon gemessen worden seien. Das Szenario deutet darauf hin, dass in Fukushima noch keine Kernschmelze stattgefunden hat. Vielmehr kämen die Isotope wahrscheinlich aus den Wasserstoffwolken, die beim Ablassen des Überdrucks explodiert waren.

Die Daten aus Österreich und die Erkenntnisse aus Schweden stammen aus einem vertraulichen und vorläufigen Bericht einer internationalen Organisation, die die Einhaltung des Atomtestsperrvertrags überwacht. Die in Wien ansässige CTBTO (Comprehensive Nuclear-Test-Ban Treaty Organisation) unterhält weltweit sechzig Messstationen, die herausfinden sollen, ob und wo ein Staat unangemeldet Atomwaffentests unternimmt. Zwei der Messstationen stehen in Japan, etliche weitere auf Inseln im Pazifischen Ozean.

Die CTBTO verschickt die Ergebnisse ihrer Messungen an wissenschaftliche Anstalten in ihren Mitgliedsstaaten, darunter die österreichische ZAMG. Im Paragrafen 7 des Atomtestsperrvertrags verpflichten sich die Mitgliedsstaaten, Informationen der CTBTO vertraulich zu behandeln. ZAMG-Leiter Gerhard Wotawa sagte im Gespräch mit dieser Zeitung, er habe für die Veröffentlichung die Zustimmung des Wiener Aussenministeriums.