CSS droht Santésuisse mit dem Austritt

Der Dachverband der Krankenkassen kommt nicht aus der Krise – im Verwaltungsrat ist es zum Eklat gekommen.

SaW Redaktion
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Im Verwaltungsrat von Santésuisse herrscht dicke Luft. Vier Tage nach der verlorenen Managed-Care-Abstimmung zeigte CSS-Chef Georg Portmann seinen Ärger deutlich. «Er fühlt sich nicht mehr ernst genommen», steht im Verwaltungsratsprotokoll, das dem «Sonntag» auszugsweise vorliegt. Es belegt die schlechte Stimmung im Führungsgremium des Dachverbands der Krankenkassen.
Das Fass zum Überlaufen gebracht hat das Aufsichtsgesetz über die Krankenversicherer (KVAG). Laut Portmann hat der Groupe-Mutuel-Chef bei einer Anhörung vor der ständerätlichen Gesundheitskommission nicht die besprochene Position vertreten und sich somit nicht an den Beschluss des Verwaltungsrats gehalten. In der Sitzung ist es zum Eklat gekommen. Groupe-Mutuel-Direktor Thomas Grichting widersprach.
Hintergrund des Streits ist ein Kampf zwischen den grossen Mitgliedern um Einfluss im Dachverband. Dabei steht der grösste Grundversicherer CSS der Nummer zwei gegenüber, der Walliser Groupe Mutuel. In zahlreichen wichtigen Fragen haben sie unterschiedliche Positionen und versuchen, diese im Verwaltungsrat zu verankern. Verhärtet sind die Fronten aufgrund des verfeinerten Risikoausgleichs, den die CSS zusammen mit einer Verwaltungsratsmehrheit unterstützt. Die Groupe Mutuel lehnte diesen ab und konnte ihre Kritik nachträglich trotzdem teilweise wieder in die Verbandshaltung einfliessen lassen.
Laut einem Insider sei dies möglich, da Präsident Christoffel Brändli sich viel zu stark um die Anliegen von Groupe Mutuel und Helsana kümmere und die Interessen der CSS vernachlässige. CSS-Chef Portmann sei deshalb frustriert. Brändlis Verhalten habe dazu beigetragen, dass die Branche sich nicht einen konnte und heute in einer «heillos zerstrittenen Phase» stecke.
Brändli steht von allen drei grossen Mitgliedern massiv unter Druck. Seit Groupe Mutuel und Helsana 2011 zusammen mit Sanitas die Allianz Schweizer Krankenversicherer (ASK) gegründet haben, können die beiden Kassen die Verbandsspitze mit indirekten Austrittsdrohungen konfrontieren. So wollte 2011 weder Groupe Mutuel noch Helsana eine Zusage für eine Mitgliedschaft bei Santésuisse übers Jahr 2012 hinaus abgeben.
Die CSS zieht deshalb die Notbremse und droht nun offen mit dem Austritt aus dem Dachverband der Krankenversicherer. «Wir haben gewisse Schwierigkeiten mit Santésuisse. Zeichnet sich keine konstruktive Lösung ab, ist ein Austritt ein realistisches Szenario», sagt CSS-Sprecher Stephan Michel. «Das ist keine leere Drohung», bekräftigt er.
Aber noch seien nicht alle Türen zugeschlagen. Santésuisse versucht, die CSS vom Austritt abzuhalten und hat zur Krisensitzung geladen. Laut Michel ist in der zweiten Juli-Hälfte ein Treffen zwischen der CSS-Spitze mit Santésuisse-Präsident Christoffel Brändli und Verbandsdirektor Christoph Meier vereinbart. Dieses könnte theoretisch noch eine Einigung bringen. Laut einer gut informierten Quelle ist der Austritt jedoch bereits so gut wie beschlossen.
Die Kritik der CSS am Verband ist denn auch happig: «Die Informationspolitik von Santésuisse gegenüber den Mitgliedern ist ungenügend. Zudem werden Verwaltungsratsbeschlüsse nur teilweise befolgt», sagt Sprecher Michel.
Die CSS wäre bereits die zweite Krankenkasse, die den Dachverband verlässt. Bereits im Juni 2011 hatte Sanitas die Mitgliedschaft bei Santésuisse gekündigt. Sanitas argumentierte damals ähnlich wie heute die CSS. Die Kasse gab an, sich in wichtigen Fragen durch Santésuisse nicht mehr vertreten gefühlt zu haben.
Sollte nun auch die Luzerner Krankenkasse CSS den Austritt vollziehen, wäre es mit der Einigkeit unter den Krankenkassen definitiv vorbei. Denn die CSS wird bei einer Aufgabe der Santésuisse-Mitgliedschaft möglicherweise einen eignen Alternativ-Verband gründen, wie Sprecher Michel erklärt. Möglich sei auch der Beitritt zu einer bestehenden Organisation. Allerdings kommt die erwähnte ASK dafür kaum infrage, da dort die Kontrahentin Groupe Mutuel Mitglied ist.
Santésuisse kämpft bereits seit Monaten gegen Auflösungstendenzen. Im Mai kündigte der neu eingesetzte Politikverantwortliche. Im März ging Direktor Stefan Kaufmann. Ende 2011 trat der Präsident zurück, woraufhin Ex-Präsident Brändli das Zepter erneut übernahm. Nun soll eine neue Organisationsstruktur Ruhe bringen. Ab Juli sind die Aufgaben zwischen Direktor Christoph Meier und seinem Stellvertreter klarer aufgeteilt.
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