Nicht nur der Strassenverkehr, sondern auch Landwirtschaft und Baugewerbe verursachen Luftverschmutzung durch Dieselabgase. Doch es gibt Lösungen.
Im Strassenverkehr ist die Stossrichtung klar, sei es im Schwer- oder im Personenverkehr: Sparsamere Motoren und alternative Antriebe müssen den Treibstoffverbrauch senken und die Schadstoffemissionen minimieren, um immer strengere Normen zu erfüllen. Das trifft in der Schweiz auf rund 4,5 Millionen Personenwagen, 73'000 Personentransportfahrzeuge und 416'000 Nutzfahrzeuge zu. Doch das sind bei weitem nicht die einzigen Fahrzeuge, die Diesel oder Benzin verbrennen und damit die Luft belasten. Hinzu kommen noch 192'858 landwirtschaftliche Fahrzeuge (Stand Ende 2017). Sie sind für viele Bauern ein unverzichtbares Arbeitsinstrument, das zuverlässig und darüber hinaus auch möglichst effizient funktionieren muss, um einen reibungslosen Betrieb zu ermöglichen. Laut einer Studie des Bundesamtes für Umwelt sind landwirtschaftliche Maschinen im Durchschnitt bis zu 230 Stunden pro Jahr in Betrieb.
Das Bundesamt stellt auch fest, dass der Dieselverbrauch der landwirtschaftlichen Maschinen zwar geringer ist als jener der Baumaschinen. Doch: Schadstoffe produzieren die Fahrzeuge der Landwirte deutlich mehr. Dies liegt vor allem am höheren Durchschnittsalter der Schweizer Traktorenflotte. Ein Zeichen dafür, dass die Bauern haushälterischer wirtschaften müssen. Ein alter Traktor kann nicht sofort ersetzt werden, zumal neuere Maschinen mit moderner Technik oft teurer werden. Bis sich die aktuelle Generation an Traktoren, ausgerüstet mit Diesel-Partikelfilter, also in der Schadstoffbilanz bemerkbar machen kann, braucht es sicherlich noch ein paar Jahre.
Tesla für den Bauernhof
Ob mit oder ohne Partikelfilter: Derzeit haben Landwirte gar keine andere Wahl, als auf einen Diesel-Traktor zu setzen. Das soll sich aber schon bald ändern, meint man beim deutschen Herstellter Fendt. Der Fendt e100 Vario ist der erste Kompakttraktor mit rein elektrischem Antrieb. Er soll schon in Kürze auf ersten Betrieben und in Kommunen getestet werden, bevor er in den nächsten Jahren zur Serienreife entwickelt werden dürfte. Die ersten Daten lesen sich jedenfalls vielversprechend - und lassen den Fendt e100 Vario als Tesla unter den Traktoren erscheinen. Als Energiespeicher dient eine grosse Lithium-Ionen-Batterie mit einer Speicherkapazität von 100 Kilowattstunden - exakt so viel, wie bei den Topmodellen des kalifornischen E-Auto-Pioniers. Die Batterie soll genügend Strom liefern, um einen Arbeitstag zu überstehen. Rund fünf Stunden harte Arbeit am Stück sollen möglich sein. Geladen wird entweder über eine CEE-Dose, also einen Starkstromanschluss, wie er auf fast jedem Bauernhof zu finden ist, oder über eine Gleichstrom-Schnellladestation, wie sie derzeit an vielen Orten für E-Autos errichtet wird. An der Hof-Steckdose kann der Akku in rund fünf Stunden wieder komplett geladen werden. An der Schnellladesäule dauert es bestenfalls 40 Minuten, bis die Batterie wieder zu 80% geladen ist.
Damit soll der e100 Vario genügend Flexibilität für zahlreiche Einsatzzwecke bieten; sei es auf dem Bauernhof oder aber auch für kommunale Anwendungen. Der elektrisch betriebene Traktor will dieselben Vorteile bieten wie auch E-Autos: leise, lokal emissionsfrei und äusserst effizient. So braucht der Traktor beispielsweise kaum Bremsen, da der Motor Energie zurückgewinnt und damit verzögert. Nicht nur bei den Bremsen, sondern auch beim gesamten Antriebsstrang ist der E-Motor deutlich weniger aufwendig als ein Verbrennungsmotor. Das sorgt für deutlich tiefere Wartungskosten. Hinzu kommt, dass Strom deutlich günstiger ist als Diesel, womit der E-Traktor deutlich günstiger im Betrieb ist als seine Diesel-Brüder. Das dürfte die vermutlich höheren Anschaffungskosten auf lange Sicht aufwiegen.
Hightech und Gewohntes
Freilich will der e100 Vario nicht nur einen komplett neuen Antrieb bieten. Er soll vielmehr den Traktor in ein neues Zeitalter bringen. So soll es dereinst möglich sein, über eine App auf dem Smartphone den aktuellen Ladestand der Batterie abzurufen oder die Klimaanlage zu aktivieren, um die Kabine schon vor Arbeitsbeginn zu heizen oder zu kühlen. Auch diese Funktionen zeigen, dass Fendt mit dem e100 Vario einen «Tesla der Traktoren» bauen will. Der daraus resultierende Komfortgewinn wird bei den Nutzern mit Sicherheit geschätzt werden.
Auf der anderen Seite muss der E-Traktor, wenn er in den nächsten Jahren auf den Markt kommt, auch auf bewährten Felder überzeugen. Dies soll der Strom-Traktor vor allem durch seinen präzise zu steuernden Antrieb schaffen. Die Arbeitsleistung liegt bei 50 kW, die E-Motoren liefern schon ab dem Stillstand ihre volle Kraft und lassen sich sehr genau steuern. Beim Rangieren auf dem Feld ein echter Vorteil. Wichtig bei der Entwicklung sei es aber auch gewesen, den Strom-Traktor zu einem möglichst vielseitigen Gerät zu machen. So kann er die gewohnten landwirtschaftlichen Zapfwellenantrieb oder über eine elektrische Schnittstelle betreiben. Für besonders harte Aufgaben kann die Batterie bis zu 150 kW Spitzenleistung als «Boost» abgeben.
Teil des Ganzen
Insgesamt zeigt der Fendt e100 Vario, dass die E-Mobilität durchaus auch in der Landwirtschaft Chancen haben und einige neue Vorteile mit sich bringen könnte. Nicht nur in Bezug auf die Schadstoffemissionen. Allerdings sind dafür auch einige Investitionen notwendig. Nicht nur bei der Beschaffung des Traktors, sondern auch darüber hinaus, wenn man das volle Potenzial des elektrischen Antriebs nutzen will. Denn durch den E-Antrieb bekommen Bauern und andere Anwender die Möglichkeit, den Treibstoff für ihre Maschine gleich selbst zu produzieren. Strom kann aus Biogas, Wind- oder Solarenergie direkt auf dem Hof erzeugt werden. Hinzu kommt die Möglichkeit, den E-Traktor als temporären Zwischenspeicher einzusetzen. So kann der Akku, wenn er an die Ladestation angeschlossen ist, nicht nur geladen werden, sondern es können auch Schwankungen im Stromnetz ausgeglichen werden, indem er zeitweise die Stromversorgung des Hofes übernimmt oder überschüssigen Strom aufnimmt. Der Traktor leistet so einen noch grösseren Beitrag zum nachhaltigen Wirtschaften in der Landwirtschaft.
Wie auch im Strassenverkehr braucht es dafür aber innovationsstarke Unternehmen, welche die Entwicklung vorantreiben. Und Unterstützung vom Staat, um die notwendige Infrastruktur bereitzustellen. Vor allem aber wird es noch viel Zeit brauchen, bis die Bauern diesen Wandel mitmachen können. Dass der Dieselverbrauch in der Landwirtschaft seit 2000 rückläufig ist, darf in dieser Hinsicht als ein erstes positives Signal gewertet werden.