«Automobil Revue» in Nöten

Die mehr als 100 Jahre alte Zeitung hat Liquiditätsprobleme – Krisensitzung am Dienstag anberaumt.

SaW Redaktion
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Sie ist eine Institution auf dem Schweizer Zeitungsmarkt und das wichtigste Sprachrohr der hiesigen Autobranche. Seit 106 Jahren gibt es die «Automobil Revue» (AR), die unter ihrem Logo den Zusatz führt: «Die erste Automobilzeitung Europas».
Doch die Zeitung, die über Jahrzehnte lief und lief und lief wie ein VW, ist in den letzten Jahren kommerziell vom Kurs abgekommen. Jüngst waren einzelne Ausgaben auffällig dünn, mit Umfängen von gerade mal noch 32 Seiten. Es gab Zeiten, da platzte das Organ vor Inseraten und musste solche gar ablehnen, nun lassen sich diese bisweilen an einer Hand abzählen. Die 15-köpfige Redaktion ist verunsichert, und ebenso die Autoimporteure. «Die Zeitung ist daran, gegen die Wand zu fahren», sagt ein gut informierter Branchenvertreter, der das Blatt für enorm wichtig hält – auch als politisches Organ.
Vor einem Jahr hat der Zürcher Grossverlag Tamedia die «Automobil Revue» dem jungen Baselbieter Verleger Dominique Hiltbrunner (35) verkauft, der auch die Basler Gratiszeitung «Spatz» verlegt. In den vergangenen Monaten verschlechterte sich die finanzielle Lage des Verlags.
Freie Mitarbeiter der «Automobil Revue» – Auflage: 35 000 – warten oft monatelang auf ihr Honorar. Verleger Hiltbrunner bestreitet das nicht: «Wir sind von der Zahlungsmoral unserer Debitoren abhängig, und die hat sich generell eher verschlechtert. Wir bezahlen jede Rechnung, aber manchmal etwas später.» Gedruckt wird die AR weiterhin bei Tamedia – gemäss Insidern nur gegen Vorauskasse. Hiltbrunner sagt dazu: «Das ist eine operative Frage, da bin ich nicht informiert. Es kann sein, dass wir vorauszahlen, weil wir dann Skonto erhalten.»
Die drei wichtigsten Kaderleute haben die Zeitung verlassen oder tun dies in den nächsten Wochen. Chefredaktor Olaf Kuhlmann geht Ende April, Geschäftsführer Rehné Herzig ist bereits weg und auch Anzeigenleiter Remo De Piano hat gekündigt. Letzterer wird nicht ersetzt, seine Arbeit übernimmt der neue Geschäftsführer Robert Vego in Personalunion. Auch einen neuen Chefredaktor gibts nicht, bis auf weiteres übernehmen zwei bisherige Redaktionsmitglieder die Leitung.
Verleger Hiltbrunner sieht das Überleben der Zeitung nicht in Gefahr. Die Inserateeinnahmen seien seit der Übernahme von Tamedia um 12 Prozent gestiegen, behauptet er: «Sie ist eine Perle, die allerdings im Tamedia-Konzern gelitten hat und jetzt wieder gepflegt werden muss.» Ein kleiner Verlag sei besser geeignet, die AR in die Zukunft zu führen. «Wir können rasch reagieren. So werden wir beispielsweise im Sommer innerhalb von Bern umziehen und dabei einen Betrag einsparen, der zwei Jahreslöhnen entspricht.» Zudem will Hiltbrunner den Internetauftritt wieder herauffahren, «den Tamedia abgestellt hat». Einen Online-Redaktor hat er bislang aber nicht angestellt.
Irritiert waren AR-Mitarbeiter über die letzte Lohnabrechnung. Plötzlich waren die Pensionskassen-Abzüge viel tiefer. Bislang galten bei der zweiten Säule die Tamedia-Bedingungen, welche man sich nun offenbar nicht mehr leisten kann. Am Dienstag werden die Mitarbeiter über die Änderungen informiert.
Bereits wird über einen erneuten Verkauf der «Automobil Revue» spekuliert, was Hiltbrunner entschieden dementiert. Doch er musste schon bei einer anderen Zeitschrift zurückstecken: Vor vier Monaten wurde der Kaufprozess für eine 49-Prozent-Beteiligung am «Schweizer Bauer» gestoppt, die ihm ebenfalls Tamedia angeboten hatte. Inzwischen hat die Ökonomische und Gemeinnützige Stiftung des Kantons Bern alle Anteile übernommen – und Ex-Tamedia-CEO Martin Kall höchstselbst schaut nun dort als Verwaltungsrat zum Rechten.
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