Ausland-Center rüsten auf

Nahe der Schweizer Grenze entstehen riesige Shoppingtempel – hierzulande bleiben Flächen leer.

Benjamin Weinmann
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Soll 2015 eröffnet werden: Einkaufszentrum Passage 22 in Feldkirch.

Soll 2015 eröffnet werden: Einkaufszentrum Passage 22 in Feldkirch.

Schweiz am Wochenende

Die Schweiz wird zunehmend von Shoppingcentern im Ausland umzingelt. Dies zeigt eine Auflistung des Marktforschers GfK, die diese Woche am Shoppingcenter-Forum in Zürich präsentiert wurde (siehe Karte). Vor allem die Österreicher rüsten auf. Gleich fünf Projekte sind in wenigen Fahrminuten von der Ostschweiz aus in Planung, in Bregenz, Bludenz, Dornbirn, Lustenau und Feldkirch.
Das Einkaufszentrum Passage 22 in Feldkirch beispielsweise soll 6500 Quadratmeter umfassen und 2015 eröffnet werden. Im deutschen Weil am Rhein bei Basel bestehen ebenso Baupläne wie unweit von Lugano mit dem Mall of Italy in Linate.
Die Schweizer Kundschaft wird somit noch mehr über die Grenze gelockt und der Einkaufstourismus, der laut GfK jährlich rund 10 Milliarden Franken ausmacht, dürfte anhalten. Dabei schossen in den letzten Jahren auch in der Schweiz Shoppingcenter überall wie Pilze aus dem Boden, von Zürich (Sihlcity) bis nach Bern (Westside) und Basel (Stücki). Gab es im Jahr 2000 erst 110 Shoppingcenter, so sind es heute 184.
Dabei gilt der Schweizer Markt schon lange als gesättigt. Thomas Hochreutener, Direktor Handel bei GfK, warnt seit Jahren vor der ungebremsten Expansion. Mit dem Bau weiterer Shoppingcenter mache sich die Branche das Leben selber schwer. Nicht zuletzt angesichts der starken und günstigeren Konkurrenz im Ausland ist nun aber Vernunft eingekehrt, wie neue Zahlen von GfK zeigen. In den nächsten vier Jahren sind gerade mal noch 300 000 Quadratmeter an neuen Verkaufsflächen geplant (siehe Grafik). Das sind nicht mal mehr halb so viel als im Jahr zuvor. 2010 und 2011 waren für die folgenden vier Jahre sogar über 900 000 Quadratmeter budgetiert.
«Es ist zu einer dramatischen Wende in der Branche gekommen», sagt Hochreutener. Auch seien schon Projekte, zum Beispiel in Stans NW und Eyholz VS, ganz begraben worden. Jan Tanner, Präsident des Schweizerischen Shoppingcenterverbands, spricht von einem Umdenken und einer realistischeren Planung. Mit gutem Grund. Zwar stieg letztes Jahr der Umsatz der Schweizer Shoppingcenter noch um 0,4 Prozent auf 16,6 Milliarden Franken. Doch damit konnten die Kassen nicht mit dem Flächenwachstum mithalten, das um 1,5 Prozent zunahm. Knapp die Hälfte der Shoppingcenter erwirtschaftete 2013 gar weniger als im Vorjahr.
«Noch vor zwei, drei Jahren zirkulierten Listen der Händler, in welchen Städten sie präsent sein wollten», sagt Thomas Hochreutener. «Heute steht auf den Listen, wo sie wieder wegziehen möchten.» So hätten heute Center-Investoren zum Teil zwar eine Baugenehmigung, doch müsse der Spatenstich verschoben werden, da die Mieter zurückhaltender geworden seien, derweil sie früher noch vor der Baugenehmigung Verträge unterzeichnet hätten. «Damit kommen die Mietpreise der Centerbesitzer unter Druck.»
Mittlerweile mache gar das Gespenst der Leerstände die Runde. «Das kannte man früher nicht», sagt Hochreutener. Zieht ein Shop aus, bleiben heute die Räumlichkeiten oft mehrere Monate leer und die Schaufenster werden bunt tapeziert, um den Schein des florierenden Konsumtempels zu wahren.
Die Migros, die 39 Einkaufscenter besitzt und in vielen anderen eingemietet ist, glaubt, dass die Bautätigkeit zurückgehen wird. «Die besten Flächen in der Schweiz sind bereits besetzt», sagt auch Oliver Hofmann, Chef des Immobilienbewirtschafters Wincasa, der 18 Shoppingcenter betreibt, unter anderem den St.-Jakob-Park in Basel, die Shopping Arena in St. Gallen und das Sihlcity in Zürich. «Was die Detailhandelsflächen betrifft, ist die Schweiz bereits nahe an einer Sättigung.»
Nach der Annahme der Zuwanderungsinitiative ist zudem fraglich, wie stark der Handel auf das zukünftige Bevölkerungswachstum zählen kann. Und nicht zuletzt wird der Versand- und Onlinehandel zunehmend zur Konkurrenz, der heute schon 6,5 Milliarden Franken umsetzt. Für Jan Tanner, Präsident des Branchenverbands und Chef des Basler Stücki-Centers, ist klar, dass der Mietermix in Zukunft im Kampf um die Kundschaft noch wichtiger wird.
Kommt hinzu, dass das Durchschnittsalter der Schweizer Center mit 24 Jahren hoch ist im europäischen Vergleich. «Die vielen veralteten Immobilien sind eine Chance für eine Modernisierung und Schärfung des eigenen Profils», sagt Tanner. Der Besuch eines Shoppingcenters müsse für die Kundschaft zu einem Erlebnis werden. «Dazu gehört vor allem die Gastronomie, die in vielen Centern noch einen sehr kleinen Anteil ausmacht, oder sich auf Fastfood beschränkt.» Diese müsse den Kunden mit einbinden, zum Beispiel mit Kochkursen vor Ort. Auch Fitnesscenter oder ein Kino könnten das Center aufwerten.
Doch das reicht laut Detailhandelsexperte Thomas Hochreutener wohl nicht überall aus: «Ich wäre nicht überrascht, wenn in nächster Zeit kleinere bis mittelgrosse Center an B- und C-Lagen anders genutzt werden oder ganz schliessen müssen.»
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