Mit der Energiestrategie kommt ein Milliarden-Subventionspaket für die Energie- und Bauwirtschaft ins Parlament. Nun schlägt die Stunde für Lobbyisten und Branchenverbände. Jeder will sich seinen Anteil sichern.
Am kommenden Donnerstag eröffnet Nationalratspräsident Ruedi Lustenberger voraussichtlich die umfangreichste Parlamentsdebatte sei langem. Es geht um die Zukunft der Schweizer Energieversorgung. Oder etwas weniger pathetisch: Darum, wer in den kommenden Jahrzehnten wie viele Subventionen erhalten wird. Und darum, wer diese bezahlen muss.
Es geht um viel Geld. Der Bundesrat schlägt vor, die bereits hohen Energieabgaben weiter auszubauen. Schon ohne Gesetzesänderung bezahlen Stromkunden im kommenden Jahr 700 Millionen Franken in das System der Einspeisevergütung (KEV) ein, mit dem die ökologische Produktion subventioniert wird. Der Bundesrat schlägt vor, die Gebühr auf bis zu 2,3 Rappen pro Kilowattstunde zu erhöhen, womit die Gesamteinnahmen auf 1,5 Milliarden Franken oder 180 Franken pro Einwohner ansteigen.
Auch die CO2-Abgabe auf Öl und Gas soll um gut einen Drittel auf 1,1 Milliarden Franken erhöht werden. Weil ein Teil des Geldes in gemeinsame Programme mit den Kantonen fliesst, werden auch diese zu Mehrausgaben von 85 Millionen Franken pro Jahr gezwungen.
Besonders umstritten ist die Stromförderabgabe KEV. Einmal gestartet, laufen die Subventionen gut 20 Jahre lang. Der Wirtschaftsverband Economiesuisse schätzt die langfristigen Kosten dieses Systems auf 28 Milliarden Franken bis zum Jahr 2042, wie ein Papier zeigt, das der «Schweiz am Sonntag» vorliegt.
Und wo Geld ist, wird gefeilscht. Seit langem läuft der Verteilkampf zwischen den Promotoren der verschiedenen Technologien: von der Solarindustrie über die Windkraft bis zur Geothermie. Und zunehmend handeln die Vertreter der Wasserkraft mit, dieser etabliertesten aller etablierten Strombranchen.
Eigentlich wollte der Bundesrat nur kleine Wasserkraftwerke über die KEV fördern. Doch nun hat die Energiekommission des Nationalrats einen weiteren Topf geschaffen: 600 Millionen Franken sollen auch für grosse Wasserkraftwerke zur Verfügung stehen, schlägt sie vor.
Wenig erstaunlich: Die grossen Stromunternehmen – und mit ihnen die bürgerlichen Parteien — begrüssen das Strom-Manna. «Ganz klar, ja!», sagt etwa Alpiq-Chefin Jasmin Staiblin auf die Frage, ob sie den Vorschlag unterstütze. Zwar sei sie eigentlich gegen das Förderinstrument KEV. Solange es dieses aber gebe, sei es richtig und wichtig, dass die Wasserkraft gleich lange Spiesse erhalte.
Im Parlament hat der Vorschlag gute Chancen. Eigentlich ist die Energiewende ein Projekt der linksgrünen Parteien. Mit der Gabe an die Wasserkraft könnte es nun gelingen, genug Bürgerliche für eine Mehrheit zu gewinnen.
Hinter den Kulissen arbeitet die Wasserbranche an einer breit ausgelegten Wasserstrom-Subvention. Nicht nur Neubauprojekte sollen unterstützt werden, sondern auch bereits gebaute Kraftwerke. «Wir sorgen uns vor allem auch um die bestehende Wasserkraft, die fast 60 Prozent des Schweizer Stroms liefert», sagt Lars Knuchel, Sprecher der Industriellen Werke Basel (IWB), die rund 90 Prozent des Stroms mit Wasser herstellen. Mittlerweile sind die Marktpreise für Strom so stark gesunken, dass selbst die Kosten von Wasserkraftwerken teilweise nicht mehr gedeckt werden. Unter dem Strich fehle der Wasserkraft im Schnitt ein Rappen pro Kilowattstunde, um am Markt wieder zu rentieren.
Zunehmend öffentlich wird daher zur Jagd auf die Wasserzinsen geblasen. Diese müssen von den Kraftwerken für die Nutzung des Wassers an die Kantone bezahlt werden. Bei Flusskraftwerken machten die Abgaben und Wasserzinsen einen Drittel der Kosten aus, sagt IWB-Sprecher Knuchel. Um mehr als einen Rappen verteuern sie den Strom. Alpiq-Chefin Staiblin sagt, die Wasserzinsen seien für zwei Drittel aller Abgaben verantwortlich, die man für die Produktion von Wasserstrom bezahlen müsse. Diese Kosten könnten die Produzenten nicht mehr alleine stemmen. «Sie müssen von mehreren Schultern getragen werden», fordert sie. Eine Anpassung der Wasserzinsen verlangt auch BWK-Chefin Suzanne Thoma. «Wenn man die Wasserkraft ausbauen will, muss man etwas unternehmen», sagt sie.
Der Berner Nationalrat Christian Wasserfallen (FDP) spricht Klartext. Auch er fordert die berühmten gleich langen Spiesse. Darüber hinaus sagt er, der selber aus einem Wasserkanton stammt: «Man muss die Kantone dazu verpflichten, beim Wasserzins entgegenzukommen.» Besonders brisant ist: Derzeit geschieht genau das Gegenteil. Aufs kommende Jahr hin hat der Bund den Kantonen nämlich erlaubt, die Wasserzinsen weiter um rund 10 Prozent anzuheben. Von einem energiepolitischen «Widerspruch» spricht da BWK-Chefin Thoma.
Zunächst aber dürfte im Parlament über die Erhöhung der Förderabgabe auf 2,3 Rappen gestritten werden. Insbesondere die bürgerlichen Parteien FDP und SVP machen sich dafür stark, dass die bisherige Obergrenze von 1,5 Rappen beibehalten wird. Man müsse zudem verbindlich festschreiben, dass die Abgabe nicht übers Jahr 2020 hinaus erhoben werde, sagt FDP-Nationalrat Wasserfallen.
Die SVP droht sogar bereits mit dem Gang vors Volk. ««Persönlich denke ich, dass man das Referendum ergreifen und dieses Paket dem Volk vorlegen muss, wenn es so durchkommt, wie es geplant ist», sagt Nationalrat Albert Rösti, der Wahlkampfleiter der Volkspartei. Recherchen zeigen, dass hier sogar Wirtschaftsverbände wie Swissmem und Scienceindustries an Bord sein könnten.
Dabei bekommt die Rechte Unterstützung von den Kantonen. Nicht nur fühlen sich diese wegen neuer Gesetzesvorschläge der Nationalratskommission in ihrer Souveränität beschnitten, wie die Energiedirektoren in einem Brief an die Parteien schreiben. Sie fordern auch explizit, die KEV-Abgabe bei 1,5 Rappen zu belassen. Die Vorlage weise «erhebliche Defizite auf», die behoben werden müssten, schreiben sie.
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