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«Gepläuschelt» wird woanders: Korbball wird als Randsportart häufig belächelt. Dass während des Eidgenössischen Turnfests wirklich etwas auf dem Spiel steht, zeigte sich am Freitagmorgen beim Korbballturnier.
Es ist ein Bild der Idylle: Im Rebberg stehen zwei Frauen, schauen zu den Reben. Ab und an werfen sie neugierige Blicke nach unten.
Schauplatz ist Biberstein, das kleine Dorf ennet der Aare, an das kaum jemand als Erstes denkt, wenn man vom Eidgenössischen Turnfest in Aarau spricht. Passend dazu wird Korbball gespielt, die Sportart, die einem kaum intuitiv in den Sinn kommt, wenn von Teamsport die Rede ist.
«Ja, Korbball ist eine absolute Randsportart», sagt Peter Müller und nickt. Müller lenkt die Korbballgeschicke in einer Fachgruppe beim Schweizerischen Turnverband. Heute sitzt der Rentner am Empfangstisch und erklärt die Spielregeln in einem Crash-Kurs. Gespielt wird zweimal 20 Minuten, pro Mannschaft stehen sechs Spielerinnen oder Spieler auf dem Feld. Geworfen wird auf einen Korb, wie im Basketball, einfach ohne Brett.
Das Spielgerät, ein weisser Ball, erinnert an einen Fussball. Man könnte sagen: Korbball weiss nicht recht, was es sein will. Oder anders formuliert: Korbball will sich selbst in keine Kategorie drücken lassen. «Es läuft nicht alles so stromlinienförmig ab wie in anderen Disziplinen», merkt Müller an. «Das Drumherum ist entspannter.»
Und das spürt man hier auf dem Feld. Die Stimmung ist beschwingt, neben dem dominanten Geruch von Sonnencrème liegt Nonchalance und Lässigkeit in der Luft. Das spiegelt auch die Kleiderwahl wieder: Mit bunten Sonnenbrillen, albernen Hüten und neonfarbenen Stirnbändern deuten vor allem die Männer an, dass sie sich selbst nicht allzu ernst nehmen. Viele treten in der Sparte «Allgemein» an, wo enge Retrotrikots über Bierbäuche gespannt werden. Doch von «Pläuschle» will Peter Müller nichts wissen: «Du kannst hier Sieger am Eidgenössischen Turnfest werden, was nur alle sechs Jahre möglich ist. Es geht hier wirklich um richtig viel.»
Besondere Brisanz bieten die Spielfelder 1 bis 6. Hier trifft sich die Elite der Damen, die Mannschaften aus der höchsten und zweithöchsten Spielklasse in der Schweiz. Es ist kurz vor 10 Uhr, die Auftaktspiele können beginnen. Fast.
«Auf Platz fünf hängt der Korb schräg!», ruft jemand. Ein Helfer eilt herbei und bringt die Sache in Ordnung. Mit dabei sind auch zwei Teams aus dem Aargau: der TV Dottikon und der DTV Wettingen. Die Ostaargauerinnen geraten gegen den TV Arbon schnell mit drei Körben ins Hintertreffen. Besser ergeht es den in giftgrün gekleideten Damen aus dem Freiamt, die den Ball gekonnt durch die eigenen Reihen und über die Fingerspitzen rollen lassen. Sechsmal fliegt der Ball in Hälfte 1 durch die gegnerische Reuse. Der Gesamtscore erschliesst sich indes nur den aufmerksamsten Zuschauern: Am Feld steht ein Resultatebrett, doch niemand ist da, um die Täfelchen umzudrehen.
Im zweiten Umgang bäumen sich die Damen aus Wettingen auf, doch es genügt nicht. Sie verlieren mit 6 zu 10. Der TV Dottikon schlägt den TV Erschwil mit 12 zu 6. Trainer Sven Kammer ist zufrieden: «Wir wollen etwas reissen. Das war ein guter Beginn.» Wie sind diese ersten Resultate zu werten? Peter Müller klärt auf: «Für Wettingen wird es schwierig, sie sind eher Aussenseiter.» Der TV Dottikon habe als Geheimfavorit aber reelle Chancen auf den Titel. Topfavorit sei der DTV Täuffelen, zuletzt sechsmal in Folge Meister. Am Sonntag wird der Turnfestsieger gekrönt.
Zum Schluss kochen die Emotionen im entspannten Biberstein doch noch hoch. Ein Trainer und ein Schiedsrichter geigen sich wegen eines Pfiffes lautstark die Meinung. «Das kannst du niemals pfeifen», klagt der Trainer. Peter Müller hat Recht behalten: Es geht beim Korbball wirklich um richtig viel.