Ein Mann soll 36 000 Franken veruntreut haben – er ist auch SVP-Gemeinderat. Der Mann habe sich in den Jahren 2008 und 2009 bei den Konten zweier Mündel bedient und damit private Rechnungen bezahlt.
Es war an einer Sitzung Mitte Februar, als ein Mitglied des Aarwanger Gemeinderates (Name der Redaktion bekannt) seinen Ratskollegen über eine schwerwiegende Sache zu berichten hatte. Der Vorsteher des Ressorts Bildung gestand, in seiner Funktion als Vormund das Geld zweier Mündel für eigene Zwecke verwendet zu haben. Das Mitglied der SVP hatte mindestens 36000 Franken abgezweigt.
Anfang Februar hatte die Staatsanwaltschaft Emmental-Oberaargau informiert, dass ein Vormund aus der Region Mündelgelder veruntreut habe. Der Mann, zugleich Mitglied eines Gemeinderats, habe sich in den Jahren 2008 und 2009 bei den Konten der beiden entmündigten Personen bedient und damit private Rechnungen bezahlt. Gestern nun machte der «Blick» publik, wer der Mann ist und in welcher Gemeinde er lebt. «Ich habe das Geld verzinst und wollte es bald zurückzahlen», sagte der Aarwanger. «Ich konnte das Geld gut gebrauchen.»
Monatelanges Warten auf Zahlen
Eine ganze Weile schon herrschte in der Aarwanger Vormundschaftsbehörde Misstrauen. 18 Monate lang wartete sie nämlich vergeblich auf die Abrechnung des Vormunds. «Wir haben unzählige Mahnungen verschickt», sagt Kommissionspräsident Edgar Wyss. Schliesslich schaltete er den Oberaargauer Regierungsstatthalter ein. Dann erst kam der Vormund seiner Pflicht nach – und offenbarte damit seine Verfehlung. So gelangte der Fall schliesslich zur Staatsanwaltschaft.
Die Strafuntersuchung gegen den Mann ist im Gang. «Wir werden bald über die Ergebnisse informieren», sagt Christof Scheurer, Sprecher der Staatsanwaltschaft. Am Tatbestand und der Höhe der Veruntreuung gebe es keine Zweifel. Doch gilt nach wie vor die Unschuldsvermutung.
Keine Hilfe gesucht
Der Aarwanger Gemeindepräsident Hans Leuenberger (SVP) ist sehr betroffen über die Verfehlung seines Rats- und Parteikollegen. «Ich hatte ein gutes Verhältnis zu ihm und zu seiner Familie.» Was ihn zu diesem Schritt bewogen habe, wisse er nicht.
Der Vormund ist Betriebsökonom und Leiter des Oberaargauer RotKreuz-Fahrdiensts. «Gerade als Ökonom hätte er wissen müssen, dass das nicht geht», sagt Leuenberger. Er hätte ihm Hand geboten: «Mindestens wäre ihm nichts im Weg gestanden, um Hilfe zu suchen.» Aus Sicht des Gemeindepräsidenten hätte es viele Möglichkeiten gegeben, die Sache zu bereinigen.
Doch das wurde sie nicht, wie in anderen Fällen auch nicht. «Es kommt immer wieder zu Schädigungen durch Vormunde», sagt Andrea Weik, Vorsteherin des kantonalen Jugendamts, das die Oberaufsicht über das Vormundschaftswesen innehat. Ungeachtet der Höhe des Betrags im Fall Aarwangen ist für sie «jede Veruntreuung eine gravierende Angelegenheit». Als Vormund habe man eine Verantwortung, die man nicht missbrauchen dürfe.
Private Beziehung zu Mündel
Offenbar gab es zwischen dem Vormund und den Mündeln eine private Beziehung. «Gemäss dem Vormund bestand sie», sagt Wyss, «aber ich habe darüber keine Kenntnisse.» Sicher ist, dass er privat als Vormund eingesetzt war (die meisten sind professionelle Mandatstragende). «Private Vormunde sind gesellschaftlich wichtig», sagt Weik. «Wichtig ist aber auch eine sorgfältige Kontrolle durch die Vormundschaftsbehörde.»
Vormunde müssen über einen guten Leumund verfügen und eine Prüfung bestehen. So auch der Aarwanger Vormund. «Er wurde vor meiner Zeit als Präsident eingesetzt», sagt Wyss, «das ist sicher korrekt abgelaufen.» Im Oberaargau gibt es gemäss Statthalter Martin Sommer rund 1500 vormundschaftliche Massnahmen. Der aktuelle Fall zeigt ihm, dass die Kontrollen funktionieren. Nebst der strafrechtlichen Untersuchung läuft ein weiteres Verfahren. «Wir haben eine Privatklage eingereicht», sagt Wyss. Könne der Mann das geforderte Geld nicht bezahlen, müsste die Gemeinde dafür haften. «Die Mündel müssen sicher nicht um ihr Geld bangen», sagt Gemeindepräsident Leuenberger.
Offen ist, wie es im Gemeinderat weitergeht. Im «Blick» schloss der SVP-Mann einen Rücktritt aus. Leuenberger aber fände einen Rücktritt angebracht. «Er müsste von sich aus die Konsequenzen ziehen.» Als Vormund hat er das auf Anraten der Kommission gemacht und das Amt niedergelegt, ansonsten wäre er entlassen worden. Für diese Zeitung war der Betroffene gestern nicht zu sprechen.
Als sein Vergehen allmählich bekannt wurde, «sind wir aus allen Wolken gefallen», sagt Edgar Wyss. Ein aktuelles Mitglied der Vormundschaftskommission möglicherweise nicht: die Frau des Ex-Vormunds.