In Genf, in der Waadt, im Aargau und in Bern gibt es schon Projekte zur Unterbringung von Flüchtlingen bei Privaten. Nun wollen auch andere Kantone dieses Potenzial nutzen. Denn ihre Durchgangszentren sind voll.
Die Bilder aus den Nachrichten zeigen Wirkung. In einer Welle der Solidarität werden die Kantone mit Angeboten von Freiwilligen überrannt, die Flüchtlinge bei sich zu Hause aufnehmen wollen. Beim Kanton Zürich heisst es etwa, noch nie seien so viele Angebote von Unterkunftsplätzen eingegangen, wie in den letzten Wochen. Auch in Solothurn stellt man fest, dass die Bereitschaft für Unterstützung durch Private hoch ist.
Dieses Potenzial wollen die Kantone nutzen. Neben bestehenden Projekten für Unterkünfte bei Privaten werden nun neue lanciert. Im Kanton Freiburg setzt sich eine Bürgergruppe für die Unterbringung von Flüchtlingen in Privathaushalten ein. Über eine Hotline werden die Angebote deponiert und an den Kanton weitergeleitet. Seit zwei Wochen gibt es auch im Kanton Schaffhausen ein ähnliches Pilotprojekt. Beim Sozialamt heisst es, bereits 20 Interessenten hätten sich gemeldet, die Asylsuchende oder Flüchtlinge bei sich aufnehmen möchten. Die Angebote reichen von einzelnen Zimmern über Wohnungen bis hin zu leerstehenden Einfamilienhäusern. Nächste Woche finden die ersten Treffen zwischen Gastgebern und Asylsuchenden statt, ab übernächster Woche sollen die ersten Personen platziert werden.
Besonders solidarisch zeigt sich Basel-Stadt. Dort gibt es gleich zwei Projekte, die in den kommenden Wochen anlaufen. Einerseits sollen die Angebote von Wohnraum koordiniert werden. Andererseits soll ein Gefäss für Angebote von Freiwilligen gefunden werden, die mit Flüchtlingen Kochen oder Deutsch lernen wollen. In Solothurn wird aktuell ein Konzept zur Unterbringung von Asylsuchenden und Flüchtlingen bei Privatpersonen erarbeitet. Der Fokus liegt dabei auf der Integration.
Den integrativen Charakter von solchen Projekten hat die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) schon länger entdeckt. Im März startete ihr «Gastfamilienprojekt» als Pilot in den Kantonen Waadt, Genf, Bern und Aargau. Laut Stefan Frey, Sprecher der SFH, läuft es sehr gut. Er schätzt, er habe bisher rund 800 Angebote von Freiwilligen mit Wohnraum erhalten. «Wir kommen nicht nach.» Weil die Asylwesen in allen Kantonen unterschiedlich funktionieren, sei es kompliziert, bis es tatsächlich zu einer Platzierung eines Flüchtlings komme. «Nach einem halben Jahr Erfahrung kommt es aber langsam ins Rollen.» 20 Personen bei 12 Familien konnte die SFH bisher vermitteln. Sie kümmert sich darum, dass die Verantwortung für die gesamten Lebenskosten beim Flüchtling bleibt und die Gastgeber mit den Flüchtlingen einen Mietvertrag abschliessen. Die Kosten für die Unterbringung deckt weiterhin der jeweilige Kanton, der pro Flüchtling eine Pauschale vom Bund erhält. Laut Frey zeigen bereits vier weitere Kantone Interesse an dem Modell.
Erfolgreich ist auch das Projekt «Wegeleben» in Bern. Von zwei Studenten initiiert, richtet es sich an Leute, die Flüchtlingen einen Platz in ihrer Wohngemeinschaft anbieten möchten. Die Miete wird von den Sozialämtern der jeweiligen Gemeinden übernommen.
Die für das Asylwesen zuständigen Ämter der Kantone sind unter Druck (siehe Interview rechts). In einem Brief wurden sie vom Staatssekretariat für Migration aufgefordert, Vorkehrungen für einen eventualen starken Anstieg der Flüchtlingszahlen zu treffen. Auf Anfrage zeigt sich bei der Mehrheit der Kantone ein ähnliches Bild: Die Durchgangszentren sind voll. Aktuell können die Asylsuchenden zwar noch knapp untergebracht werden. Bei plötzlich steigender Gesuchszahl würde aber so mancher Kanton an seine Grenzen stossen.
So sind die Kollektivunterbringungszentren in St. Gallen bereits jetzt zu 120 Prozent ausgelastet. Im Kanton Aargau ist die Unterbringungs- und Betreuungssituation angespannt, laufend müssen zusätzliche Plätze geschaffen werden. In Zug haben zwar alle Asylsuchenden und Flüchtlinge einen Platz. Dies aber nur, weil die Asylbewerber näher zusammenrücken.
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