Im Sommer 2010 verliessen die letzten Schüler das Schulhaus, seit kurzem ist es wieder mit Leben gefüllt. Besonders beeindruckt waren die Schüler von der Aussicht auf die sanften Hügel rund um Rüedisbach.
Mit ruhigen Zügen führt Claudine Dällenbach den Pinsel über die Schranktür. Sie wird neu gestrichen, wie auch die Wände der Räume im Schulhaus Rüedisbach. Seit zwei Wochen ist die neue Besitzerin am Werk. In den meisten Räumen wird lediglich gestrichen – einiges musste aber erst noch ausgeräumt werden. An die Bestimmung als Schulhaus erinnert noch vieles: Die Pausenglocke neben der grossen Uhr hängt beim Eingang. In einem Zimmer ist auf der Wandtafel der Schriftzug «schulfrei» zu lesen und einige Pulte dienen als Ablagefläche. Nicht zuletzt ist aber die Raumaufteilung charakteristisch: die grossen Räume, der breite Korridor und das grosszügige Treppenhaus.
«Es ist genial. Hier gibt es so viel Platz und viele Wände», schwärmt Dällenbach. Diese kann sie für ihre Kunst bestens gebrauchen. Besonders beeindruckt ist sie von der Aussicht auf die sanften Hügel rund um Rüedisbach. «Und die Sonne: Sie wandert ums Haus herum und bringt viel Licht hinein.»
Nicht gesucht, aber gefunden
Auf das Haus aufmerksam geworden ist die 47-Jährige per Zufall. Freunde hatten in der Nähe ein Bauernhaus erworben und sie war zu Besuch dort. Das war just zu jener Zeit, als im Sommer 2010 die letzten Klassen im Schulhaus geschlossen wurden. Ein Nachbar hat sie deswegen gefragt, ob sie als Architektin nicht eine Idee hätte, was man mit dem Schulhaus machen könnte. Das hatte sie in der Tat: «Ich habe mir immer gesagt, ein Haus findet man nicht, es findet einem.» Genau das war in diesem Moment passiert.
Erst musste Dällenbach aber noch etwas um ihren Traum fürchten. Die Gemeinde musste erst erwägen, ob man das Schulhaus behalten oder verkaufen will. Und als dann der Verkauf beschlossene Sache war, wurde es erst öffentlich ausgeschrieben. «Am Tag der offenen Tür kamen so viele Leute, da hatte ich die Hoffnung beinahe aufgegeben.» Dennoch bewarb sie sich und durfte sich und ihre Pläne zusammen mit zwei weiteren Kaufinteressenten an der Gemeindeversammlung vorstellen. Ihr Plan, das Schulhaus zu einem Wohnatelierhaus werden zu lassen, stiess bei den Einwohnern der Gemeinde Wynigen anders als die Idee einer mittelalterlichen Brauerei oder einem Haus für Schullager auf Anklang.
800 Quadratmetern mitsamt Grundstück
Seit April ist sie nun offiziell Besitzerin des Schulhauses mit einer Fläche von 800 Quadratmetern mitsamt Grundstück von total 3500 Quadratmetern. Für die Umnutzung hat Claudine Dällenbach bereits detaillierte Pläne. Das Erdgeschoss wird ihr Reich sein. In den beiden grossen Schulzimmern werden ein Atelier und eine Werkstatt eingerichtet – ein Raum für die groben, einer für die feinen Arbeiten wie auch das Architekturbüro. Auf der anderen Seite, wo bisher Putzraum und Toiletten waren, entsteht ein Schlafzimmer mit gerade mal 12 Quadratmetern, gleich daneben ein begehbarer Kleiderschrank kombiniert mit dem Badezimmer.
Der obere Stock wird vermietet. Für zwei Parteien gibt es je einen grossen Raum sowie gegenüber auf der anderen Seite des Korridors Badezimmer und begehbarer Kleiderschrank. Die im Lehrerzimmer im Parterre geplante Küche, dereinst zusammengebaut aus alten Trennwänden, soll für alle Bewohner gemeinsam sein.
Im Untergeschoss befindet sich die Turnhalle. Es war sowohl der Bevölkerung als auch der neuen Besitzerin ein Anliegen, dass diese weiterhin gemietet werden kann. Am Dienstag und Mittwoch kommen wie schon seit Jahren die Turner. Und weil es eine komplette Infrastruktur mit Materialraum, Küche, Garderoben und Duschen gibt, eignet sich die Halle auch für Anlässe.
Sanierung nach und nach
Damit hofft Claudine Dällenbach, einen Teil der laufenden Kosten für das Schulhaus wieder hereinzuholen. Denn die Nebenkosten, insbesondere die Heizkosten, sind hoch. Um diese längerfristig zu senken, möchte sie es energetisch sanieren. «In einem ersten Schritt werde ich den Dachboden nachdämmen, übers Dach geht am meisten Energie verloren.» Auch neue Fenster und zusätzlich gedämmte Aussenwände wären längerfristig ein Ziel. Grundsätzlich sei die Substanz des Hauses aber sehr gut und die Heizung ist erst fünf Jahre alt. Rüedisbach verfügt sogar über einen Wärmeverbund mit Holzschnitzelheizung, an den das Schulhaus angeschlossen ist.
Wird das Haus nicht zu einem Fass ohne Boden, bei dem ständig etwas ersetzt werden muss? «Ich bin nicht pessimistisch», antwortet Dällenbach. Zu tun geben wird es aber immer wieder etwas. Und darauf freue sie sich auch: «Ich könnte die Umbauten auch machen lassen. Es ist aber viel schöner, das Haus langsam in Besitz zu nehmen.» So könne sie ein Gespür für den Ort entwickeln. Dennoch soll es rasant vorwärtsgehen. Ende Mai soll das meiste gestrichen sein. «Am liebsten würde ich im Juli einziehen.»
Ursprünglich wollte Dällenbach das Schulhaus als Zweitwohnsitz benutzen. Diese Pläne hat sie allerdings über den Haufen geworfen. «Hier kann ich perfekt das Wohnen und Arbeiten verbinden.» Nach einer Übergangszeit wird die in Signau aufgewachsene und seit dem Studium in Zürich Wohnhafte also in Rüedisbach Wurzeln schlagen. Ungewiss sei derzeit, wie sie zu Architekturaufträgen kommt. «Ich habe allerdings auch schon einen Freilaufstall für Kühe gebaut, vielleicht hilft das.» Und sonst hat sie ja genügend in ihrem Traumhaus zu tun.