Der Winter wird für das Gastgewerbe in den Bergregionen hart. Die Logiernächte werden einbrechen, schwächt sich der Franken nicht ab. Im Detailhandel hat ein Abwärtstrend eingesetzt.
Man hört sie nicht jammern, man hört sie nicht klagen. Wohl weil sie fürchten, damit die Kauflaune zu verderben oder als Jammerlappen kritisiert zu werden, hielten sie sich zuletzt still. Und doch hat die Aufhebung des Mindestkurses das Gastgewerbe und den Detailhandel bereits härter getroffen als die Industrie, deren Spitzenvertreter nahezu wöchentlich die Alarmglocken läuten.
Daniel Lampart, Chefökonom des Gewerkschaftsbundes (SGB), sagt es klipp und klar: «Wer nur die Industrie betrachtet, unterschätzt die Auswirkungen der Mindestkurs-Aufhebung massiv.» Der überbewertete Franken entwickle sich mehr und mehr zu einem gesamtwirtschaftlichen Problem. Als Beleg zieht er die Beschäftigungszahlen des Bundesamtes für Statistik heran. «Im Gastgewerbe und im Detailhandel ist die Beschäftigung zuletzt am stärksten gefallen, nicht etwa in der Industrie.»
Im Detailhandel waren gemäss Statistik im 1. Quartal des laufenden Jahres 1900 Personen weniger angestellt als drei Monate zuvor. Das entspricht 0,6 Prozent aller Stellen. Das Gastgewerbe litt noch mehr. Ein ganzes Prozent aller Arbeitsplätze verschwand. 2100 Personen mussten sich eine neue Arbeit suchen. Im Vergleich dazu hielten sich die Stellenverluste in der Industrie bislang noch in Grenzen. 800 Arbeitsplätze gingen im 1. Quartal verloren, was 0,1 Prozent aller Jobs entspricht.
Dennoch gilt: In der Industrie wie auch im Detailhandel und im Gastgewerbe hat der Frankenschock erst begonnen, sich durch die Wertschöpfungskette zu fressen. Auf die Beschäftigung wird er erst noch richtig durchschlagen.
Casimir Platzer, Präsident des Branchenverbandes GastroSuisse und selbst Hotelier in Kandersteg, glaubt, dass das Gastgewerbe die Auswirkungen des Frankenschocks erst noch richtig zu spüren bekommen werde.
«In der abgelaufenen Wintersaison sind wir glimpflich davongekommen. Viele Gäste hatten schon gebucht, bevor die Nationalbank den Mindestkurs am 15. Januar aufhob.» In der Sommersaison sei man weniger abhängig vom Euromarkt. Das Fernbleiben von deutschen, niederländischen oder französischen Gästen werde gerade in den Städten durch Chinesen oder Amerikaner ausgeglichen. Wenn er an die nächste Wintersaison denkt, ist Platzer hingegen besorgt. «Bleibt der Franken so überbewertet, wird es starke Einbrüche geben.»
Die Branche wisse laut Platzer aus Erfahrung, dass eine Frankenaufwertung um ein Prozent anteilsmässig in ähnlicher Grösse durchschlage. «Das würde heissen, dass wir in der Wintersaison 15 bis 20 Prozent weniger Logiernächte aus dem Euroraum hätten.»
Solche Umsatzeinbussen würden zahlreiche Arbeitsplätze kosten. «Wir müssen damit rechnen, dass wir bald 10 000 Arbeitsplätze weniger haben», befürchtet Platzer. Verluste in dieser Grössenordnung müsse man aufgrund der Entwicklung in den vergangenen Jahren erwarten. «Man muss sich das einmal klarmachen: Das Gastgewerbe hat seit Beginn der Finanzkrise im Jahr 2008 schon 25 000 Arbeitsplätze verloren.»
Von der Nationalbank (SNB) ist Platzer enttäuscht. «Es heisst immer, der Franken sei überbewertet und es werde besser. So schon im Januar und diese Woche wieder. Aber davon ist nichts zu spüren.» Es komme ihm so vor, der Nationalbank bleibe nichts anderes mehr übrig, als die Situation schönzureden. «Mir kommt die SNB etwas ratlos vor.»
Im Detailhandel ging es im Januar noch aufwärts. Seither wird es Monat für Monat schlimmer, wie Zahlen der Marktforschungsfirma GfK zeigen. Im Februar gab es ein Umsatz-Minus von 2 Prozent gegenüber dem Vorjahr, im März nochmals. Mit dem Frühlingsbeginn reagierten die Konsumenten erneut. Die Detaillisten verloren 4 Prozent im April, im Mai gar 5 Prozent. Die bange Frage ist nun, wie lange sich dieser Abwärtstrend noch fortsetzt.
GfK-Experte Thomas Hochreutener rechnet damit, dass sich die Branche im Lauf des Jahres etwas fangen wird. Es würde bei einer Umsatzeinbusse von 2 bis 3 Prozent bleiben. Allein das würde schmerzen. In der Branche geht man davon aus, dass mit jedem Umsatzprozent die Beschäftigung um ein Prozent sinkt. Demzufolge gehen 7200 bis 10 800 Arbeitsplätze verloren. Doch Hochreutener sagt auch: «Die Stunde der Wahrheit schlägt erst im zweiten Halbjahr.» Dann werde man wirklich sehen, wie die Konsumenten auf die neue Situation reagieren.
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