Der neue Trainer Hans Kossmann hat den SC Bern übernommen – aber es ist, als sei Kari Jalonen immer noch da

Hans Kossmann übernimmt von seinem Vorgänger eine taktisch intakte Mannschaft. Eigentlich ist es der einfachste «Nothelferjob» seit Einführung der Playoffs.

Klaus Zaugg
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Hans Kossmann übernimmt beim SC Bern das Traineramt.

Hans Kossmann übernimmt beim SC Bern das Traineramt.

Urs Lindt / freshfocus

Ist diese Trainerentlassung bloss ein Irrtum? Mittwoch, 16.30 Uhr. Das erste Übungsstunde unter dem 57-jährigen Hans Kossmann ist soeben zu Ende gegangen. Mehr als 20 Vertreterinnen und Vertreter der schreibenden und sendenden Medien warten auf den neuen SCB-Cheftrainer. Feuerwehrmann? Ach was. Der kanadisch-­schweizerische Doppelbürger mahnt eher an einen freundlichen Vertreter der kantonalen Gebäudeversicherung. Cool ist er, der Hans. Sinn für Humor und Ironie hatte er schon immer. Aber Feuerwehrmann? Nein. Es brennt ja nicht. Die Tabelle dokumentiert zwar eine tiefe Krise beim 50-Millionen-Hockeykonzern SC Bern. Rang neun. Einen Punkt hinter den SCL Tigers, die hier eigentlich nur «die ­Chäsigen» sind. Das ist schon schmählich. Aber Krise? Nein. Das schaffen wir noch locker. Die Frage scheint eigentlich mehr, ob es noch bis in den Playoff-Final reichen könnte. Und wenn schon Krise, dann ist es am ersten Arbeitstag von Hans Kossmann eine Krise ohne Krisenstimmung.

So entspannt und locker war die Stimmung am Tag nach einer Trainerentlassung bei einem Grossklub wahrscheinlich noch nie. Was an der schieren Grösse von Hans Kossmanns Vorgänger liegen dürfte. Der 60-jährige Kari Jalonen ist wahrlich ein Titan. Ein Welttrainer. Es ist, als könne es Hans Kossmann noch nicht ganz fassen, dass Kari Jalonen gefeuert und ausgerechnet er sein Nachfolger geworden ist. Ungefähr so wird die Stimmung sein, wenn eines Tages der Nachfolger von Marc Lüthi im SCB-Chefsessel vorgestellt wird.

Von der Garage geklettert und ins Flugzeug gestiegen

Eigentlich ist das alles logisch. Ach, wie viele Analysen sind geschrieben und gesendet worden über Kari Jalonens Spielsystem, Taktik, psychologisches Geschick und Weisheit. Ach, welche Ehre, dass der Grösste vom Hockeyhimmel herabgestiegen ist und sich uns Bernern erbarmt und uns zu neuer Glückseligkeit geführt hat. Da kann es doch nicht sein, dass einfach einer drüben in Westkanada vom Dach seiner soeben gebauten Garage herunterklettert, ein Flugzeug besteigt und ein paar Stunden nach der Landung gleich alles besser macht. Dann wäre ja Eishockey nur ein Spiel und der Trainerberuf ein Kinderspiel. Aus allen Erklärungen, die jetzt Hans Kossmann abgibt, ist der tiefe Respekt für seinen Vorgänger herauszuhören.

Wäre Kari Jalonen noch hier, so würde er ihn wahrscheinlich um ein Autogramm bitten. Er weiss aus mehr als 20 Jahren als Assistent und Cheftrainer wie schwierig es ist, ein Spielsystem einzufuchsen. Er weiss es sehr zu schätzen, dass er eine taktisch intakte Mannschaft übernehmen darf. Eigentlich ist es der einfachste «Nothelferjob» seit Einführung der Playoffs (1985): Der neue SCB-Trainer muss nicht die taktische Ordnung wiederherstellen und auch kein neues Spielsystem einführen. Höchst respektvoll spricht er bloss über kleine Änderungen. Mehr auf den Zehenspitzen stehen (ein nordamerikanischer Ausdruck für aktivere, dominantere, aggressivere Spielweise), ein direkteres und schnelleres Lösen aus der eigenen Zone. Ein bisschen mehr Nord-Süd- als Ost-West-Hockey. Sozusagen den Kompass neu justieren. Und ein wenig die Linien umstellen. Einen Vergleich zu seiner Ankunft in Zürich vor zwei Jahren mag er nicht ziehen. «Dafür bin ich noch zu wenig lang hier.» Von den Spielern hat er einen sehr guten ersten Eindruck. Sie seien der Situation gewachsen sagt er auf eine entsprechende Frage.

Zehn Spiele, um die Playoffs doch noch zu erreichen

Ein neuer Trainer ist da, aber noch hat keine neue Ära begonnen. Der SCB scheint noch immer im «Kari-Jalonen-Modus». Was durch eine Besonderheit dokumentiert wird: Die «Jalonen-Boys», die vier finnischen Assistenten, bleiben und fast scheint es, als sei Kari Jalonen nur mal ein Bier holen gegangen und tauche gleich wieder auf. Er betont, er habe keine Probleme mit Finnen. Auch er möge Sauna. Das Motto: alles wie bisher, nach der gleichen taktischen Ordnung. Aber mit mehr Spass an der Freude. Mit Hans Kossmann als Motivator, Animator (aber nicht als Clown, da sei Gott davor).

Zehn Spiele bleiben dem SC Bern, um die Playoffs zu erreichen. Am 29. Dezember 2017 hat Hans Kossmann die ZSC Lions übernommen und nur vier der ersten zehn Spiele gewonnen. Aber da hatte er 8 Punkte Vorsprung auf Rang 9 und es reichte schliesslich, um Meister zu werden. Diese Startbilanz wird in Bern nicht reichen. Wenn es denn so sein sollte, dass beim SCB die Situation unterschätzt wird und etwas gehen muss, dann kann der neue Trainer einen Spruch des weisen König Salomon aus dem Buch der Bücher als Mahnung an seine Jungs an die Kabinenwand heften: «Gehe hin zur Ameise, du Fauler; siehe ihre Weise an und lerne!» Zur Not ein biblisches Rezept. Das wäre ja keine Kritik an Kari Jalonen.