Die ZSC Lions gewinnen in Bern ein hochstehendes, dramatisches Gipfeltreffen in der Verlängerung mit 2:1. Die Geschichte des Spiels hat Verteidiger-Saurier Mathias Seger (39) geschrieben.
Nehmen wir einmal an, die ZSC Lions hätten einen Verteidiger, der so vielseitig ist, dass er sogar in einem absoluten Spitzenspiel als Flügelstürmer Akzente zu setzen vermag. Nehmen wir weiter an, dass dieser Verteidiger im absoluten Spitzenspiel also auf den Aussenbahnen tanzt, so frisch und konditionsstark, dass er im Schlussdrittel zum reissenden Leitwolf seines Teams wird, zwei Strafen herausholt, weil ihn die Gegenspieler zurückhalten müssen.
Und nehmen wir weiter an, dass seine Mitstreiter die zweite dieser so herausgeholten Strafen zum ersten Treffer nützen, der sie schliesslich in die Verlängerung bringt, die sie dann gewinnen. Und es wäre dann noch so, dass dieser stürmende Verteidiger, dessen Berufseinstellung sowieso ohne Fehl und Tadel ist und dessen Popularität ihm Kultstatus verleiht, auch noch einen auslaufenden Vertrag hat und sehr gerne auch nächste Saison spielen möchte.
Was würden wir, wenn das alles so wäre, dem Sportchef raten? Sofort den Vertrag verlängern! Tja, wenn das Leben im Allgemeinen und das Eishockey im Besonderen nur so einfach wären. Seit Wochen überlegt sich ZSC-Sportchef Edgar Salis, ob er es verantworten kann, den Vertrag mit Mathias Seger (39), seinem langjährigen Mitspieler und WG-Kumpel, zu verlängern. Und wie er im Falle eines Falles angesichts der grössten Nachwuchsabteilung Europas eine Weiterbeschäftigung mit einem Saurier wie Mathias Seger rechtfertigen könnte.
Das Gipfeltreffen zwischen dem SC Bern und den ZSC Lions hat Edgar Salis nicht geholfen. Ja, seine Pein sogar noch vergrössert. Wenn wir nicht wüssten, dass Mathias Seger im Dezember 40 Jahre alt wird, dann würden wir nach einer so starken Leistung in einem so wichtigen, einem so schnellen, hochstehenden Spiel für eine unverzügliche Vertragsverlängerung trommeln.
Dieser Spitzenkampf, der eigentlich ein bisschen Klarheit hätte bringen sollen, liefert mehr Fragen als Antworten. Einen Monat vor Beginn der Playoffs sind sich der Titelverteidiger und sein aussichtsreichster Herausforderer auf Augenhöhe begegnet. Und die Behauptung, ohne Mathias Seger hätten die ZSC Lions den Match wahrscheinlich verloren, ist weder polemisch noch bösartig. Sie ist fachlich durchaus korrekt.
Nun folgt die Nationalmannschafts-Pause und Edgar Salis obliegt es, die «Causa Seger» vor den Playoffs zu entscheiden. Das Herz und der Verstand sagen nach dieser Partie: mit Seger verlängern. Aber darf ein Sportchef einen solchen Entscheid aus den Emotionen eines Spitzenspiels heraus entscheiden? Nun, vielleicht gibt er ihm einen Vertrag... als Stürmer.
Mathias Seger hat uns die Story für das Gipfeltreffen geliefert. Es war ein Spieler «hochstehend, voller Highlights» wie Verbands-Ausbildungschef Markus Graf auf der Tribüne feststellte. Was, wenn sich die zwei bestbesetzten Teams der Liga neutralisieren? Dann müssen die Hockeygötter würfeln.
Im richtigen Leben würfeln die Götter nicht. Das hat der kluge Albert Einstein gesagt. Aber das Leben findet ja nicht immer auf Glatteis statt wie Eishockey. Das Würfelspiel der Hockeygötter heisst «Verlängerung» und allenfalls «Penalty-Schiessen». Die ZSC Lions haben in der Verlängerung 2:1 gewonnen. Zum fünften Mal in dieser Saison hat es in der Partie zwischen diesen beiden Teams einen Auswärtssieg gegeben. In dieser Verlängerung wäre alles möglich gewesen. Am Ende hat das Genie von Robert Nilsson den Ausschlag gegeben. Aber die Berner hätten auch vorher alles klarmachen können.
Immerhin gibt es nach diesem Spektakel doch eine Erkenntnis für ZSC-Sportchef Edgar Salis: lange schien es, als sei Niklas Schlegel, die Nummer 2, der bessere Goalie. Aber gestern hat der wehrhafte Riese Lukas Flüeler seinen Status als Nummer 1 bestätigt. Er wird in den Playoffs im Tor stehen.
Bern - ZSC Lions 1:2 (0:0, 0:0, 1:1, 0:1) n.V.
16'758 Zuschauer. - SR Massy/Wiegand, Kaderli/Kovacs. - Tore: 49. Thoresen (Rundblad, Nilsson/Ausschluss Gerber) 0:1. 55. Randegger (Lasch) 1:1. 63. Geering (Nilsson) 1:2. - Strafen: je 4mal 2 Minuten.
Bern: Genoni; Untersander, Blum; Jobin, Krueger; Andersson, Gerber; Kamerzin; Bodenmann, Arcobello, Moser; Lasch, Plüss, Scherwey; Ebbett, Gagnon, Rüfenacht; Berger, Reichert, Müller; Randegger.
ZSC Lions: Flüeler; Blindenbacher, Siegenthaler; Rundblad, Geering; Marti, Guerra; Nilsson, Suter, Thoresen; Wick, Shannon, Herzog; Pestoni, Schäppi, Kenins; Künzle, Trachsler, Seger.
Bemerkungen: Bern ohne Noreau (verletzt), Hischier (überzählig), ZSC ohne Chris Baltisberger (gesperrt), Sjögren (krank). SCB ab 40. ohne Bodenmann (nach einem Zusammenprall verletzt ausgeschieden).