Sie stammen aus dem gleichen Dorf im Appenzellerland, sind zwischen 46 und 49, treffen sich einmal pro Woche und jassen oder spielen Boule. Pius, Qualitätsmanager, Appenzell David, Lehrer, Speicher AR Tobias, Consultant, Zürich Flavio, Sozialarbeiter, Kirchberg SG François, Journalist, Windisch.
Flavio: Ist eigentlich schon klar, mit wie vielen Geisterspielen GC für die Pyro-Attacke seiner Fans in Sion gebüsst wird?
Tobias: Nein, aber spielt das überhaupt eine Rolle? Geisterspiel oder nicht: Das ist doch bei GC-Heimspielen – das Derby mal ausgenommen – praktisch das Gleiche. Ob sich ein paar bekokste Krawallbrüder im Letzigrund verlieren oder nicht, hat kaum Einfluss auf die Ambiance.
David: Jetzt sprichst du schon so unbedarft wie der GC-Präsident Stephan Anliker, der ohne besseres Wissen alle GC-Fans, die nach Sion gereist sind, unter Koks-Generalverdacht stellt. Das finde ich äusserst bedenklich. Fehlt nur noch, dass du in den Chor der überforderten GC-Führung einstimmst und laut nach dem Staat als Troubleshooter schreist.
Tobias: Hast ja recht. Was aber nicht heisst, dass man bei der Bestrafung nach Schema X vorgehen soll. Denn Geisterspiel in Zürich ist nicht gleich Geisterspiel in St. Gallen oder Basel.
Flavio: Stimmt. Für den FCB mit 25 000 Zuschauern im Schnitt ist der finanzielle Verlust um ein Vielfaches grösser als bei GC, wo normalerweise noch 5000 ins Stadion kommen. Kommt dazu, dass es auch eine Rolle spielt, gegen welchen Gegner man keine Zuschauer ins Stadion lässt. Auch da gibt es sowohl wirtschaftlich als auch sportlich grosse Unterschiede. Es ist nicht dasselbe, ob man gegen Xamax oder gegen Basel ein Geisterspiel austragen muss. Und: Geisterspiele sind Kollektivstrafen.
David: Voilà. Geisterspiele lösen weder das Problem noch dienen sie der Gerechtigkeit. Man müsste über andere Methoden zur Bestrafung sinnieren.
Pius: Punkteabzug, das wär doch was.
François: Nicht schlecht. Es hat nur einen Haken. Was, wenn gegen Ende der Saison die sportliche Situation ausweg- oder perspektivlos ist? Also ein Punkteabzug keine Konsequenzen hätte? Das wäre quasi eine Freikarte für Chaoten.
Pius: Stimmt. Aber man könnte in diesem Fall den Punkteabzug auf den Beginn der neuen Saison datieren.
François: Das ist kein schlechter Ansatz. Aber egal, zu welchem Zeitpunkt man die Punkte abzieht. Man bestraft damit nicht nur die Verursacher, also die Chaoten, sondern auch die Spieler und den gesamten Klub.
Tobias: Wobei: Wie viele Spieler des aktuellen GC-Kaders werden auch nächste Saison noch in Zürich spielen?
David: Wahrscheinlich nicht allzu viele. Aber ich glaube halt schon, dass ein intensiver und ehrlicher Dialog zwischen Klubführung und Fans die zielführendste Massnahme ist.
Pius: Das tönt stark nach Sozialromantik.
David: Mag sein. Aber ich kann verstehen, wenn sich Fans ausgeschlossen fühlen. Wenn es gut läuft – aber nur dann –, überbieten sich die Anzugtypen in der Klubführung mit Lobeshymnen an die Fans und unterstreichen deren Bedeutung. Aber wenn die Fans tatsächlich so wichtig sind, muss man sich fragen, warum sie keine Stimme in den Gremien haben, wo Entscheidungen getroffen werden? Egal ob Präsident, Spieler, Trainer, Sportchef: Sie gehen, der Fan bleibt. Ein Klub braucht Werte, muss diese formulieren und sich danach richten. Nur: Wo
war die Stimme der GC-Führung, als die Fans vor wenigen Wochen einem Neonazi huldigten? Und da wundern sie sich über Pyros in Sion? Absurd!