So viele Partien wie im Herbst mussten in der Geschichte unseres Eishockeys noch nie verschoben werden.
In den 1980er-Jahren tanzten die Spieler bis zu seinem Rücktritt 1990 nach seiner Pfeife. Jetzt spielen sie nach seinen Plänen. Willi Vögtlin (64) war einst einer der besten Schiedsrichter ausserhalb der NHL.
Nun hat er in Zeiten der Spielverschiebungen so viel Arbeit und Einfluss wie kein anderer Hockeyfunktionär. Seit 1996 amtiert der Baselbieter als «Spielplangeneral». Aber so wilde Zeiten wie im Herbst 2020 hat er noch nie erlebt. Bis gestern mussten bereits 19 der 57 Spiele der höchsten und 17 der 59 Partien in der zweithöchsten Liga verschoben werden. Das sind mehr als in den vergangenen zehn Jahren zusammen. «Normalerweise haben wir pro Saison keine oder höchstens eine Spielverschiebung» sagt Vögtlin. Zeitweise muss er nun die Tätigkeit in seiner Weinhandlung im bernischen Kirchberg einstellen. «Zum Glück kümmert sich meine Frau auch ums Geschäft.» Es gebe Tage, da komme von den Sportchefs um 7 Uhr der erste und um 23.30 Uhr der letzte Telefonanruf.
Noch gebe es genug Reservedaten, um die Meisterschaft wie geplant durchzuführen. Vögtlin kommt zugute, dass er das Geschäft kennt. Er managte den SCB 1992 zum Titelgewinn und zu schwarzen Zahlen und entwickelte mit einer eigenen Firma die elektronischen Einlasskontrollsysteme, ehe er das Unternehmen an einen Investor verkaufte und sich den Traum einer Weinhandlung erfüllte. Weil er eben weiss, wie die Hockeymanager ticken, hat er schon vor gut zehn Jahren ins Reglement schreiben lassen, dass sich der Gastklub fügen muss, wenn der Heimklub ein Verschiebedatum gefunden hat. «Ohne diese Regelung hätten die Klubs hundert Ausreden, warum es an diesem der jenem Tag nicht möglich ist, ein Spiel auszutragen, und es wäre unmöglich, den Spielbetrieb aufrechtzuerhalten.»
Wie hilflos das Hockey inzwischen den Behörden ausgeliefert ist, zeigt das Reglement. Die Klubs der beiden höchsten Ligen hatten sich in kluger Voraussicht im Hinblick auf die Covid-19-Probleme darauf geeinigt, dass eine Partie gespielt werden muss, wenn zwölf Feldspieler plus ein Torhüter einsetzbar sind. Diese Regelung wird obsolet, wenn die Kantonsärzte laufend ganze Teams in Quarantäne schicken. Gestern Abend befand sich mit Ambri, Biel, Servette, Rapperswil-Jona, Langnau und Zug die halbe National League in Quarantäne. In der Swiss waren es League La Chaux-de-Fonds, Olten, Visp und Langenthal. Die Entschädigung für das Erstellen der Spielpläne, die Organisation des Cups und das Management aller Spielverschiebungen entspricht einer 70-Prozent-Stelle und bringt Vögtlin im Jahr weniger als 80000 Franken ein. Da muss er sich schon noch ein wenig um seine Weinhandlung kümmern.