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Der Kiruna IF setzt sich aktiv für die weltweite Schwulen- und Lesbenbewegung ein: Seit etwas mehr als einem Jahr spielt der schwedische Klub in regenbogenfarbenen Trikots und vertritt tolerante und fortschrittliche Werte - auf und neben dem Eis.
Nördlich des Polarkreis im schwedischen Norrland liegt die Kleinstadt Kiruna. Etwas mehr als 18'000 Personen leben in der Grubenstadt. Früher, als der Erzabbau noch boomte, waren es einmal über 30'000 Einwohnerinnen und Einwohner gewesen. Es ist eine raue Gegend: Harte Winter, harte Arbeit und eine machoide Gesellschaft.
Seit Sommer 2014 versucht der örtliche Eishockeyklub Letzteres zu ändern. Aktiv und in einer offensiven Art, wie man sich das von Sportklubs nicht gerade gewohnt ist. Der Kiruna IF startete in diesen Tagen in der dritthöchsten schwedischen Spielklasse Hockeyettan Norra mit einem 4:1-Auftaktsieg in die zweite Saison in seinen regenbogenfarbenen Trikots.
Eine Stadt von vorgestern, ein Verein von übermorgen
Nachdem der Klub in einer verkorksten Saison 2013/14 den Aufstieg einmal mehr verpasst hatte, wandte sich Hauptsponsor Johannes Skogkvist mit einer simplen Idee an den Vorstand von Kiruna IF: Wir sind eine Stadt von vorgestern, wie wäre es, wenn wir ein Verein von übermorgen werden? Der Marketingprofi wollte Kiruna zu einer Stadt der Schwulen, Lesben, Bisexuellen und Transsexuellen machen.
Zur Illustration seiner Idee zum Imagewandel Kirunas bediente sich Hauptsponsor Johannes Skogkvist der Beispiele der US-amerikanischen Metropolen Detroit und San Francisco. Kiruna könne entweder wie Detroit oder wie San Francisco werden, liess er den Klubvorstand wissen. Die Autostadt Detroit verwahrte sich über Jahrzehnte hinweg gegen neue Einflüsse. Heute ist es eine wirtschaftlich darbende Geisterstadt. San Francisco hingegen entwickelte sich stetig weiter, ist eine Stadt der Offenheit, der Vielfalt und des Fortschritts. Eigentlich klar, dass sich der Vorstand von Kiruna IF für die Variante San Francisco entschied. (DFS)
Denn Toleranz sei das Erz der Zukunft. Es ging Skogkvist nie darum, ob die Spieler homosexuell sind, sondern darum, den Klub, den Sport, die Stadt und das eigene Denken zu öffnen. Nach einem halben Jahr hatte der Klub die Wandlung vollzogen.
Zertifikat vom Schwulen- und Lesbenverband
Kiruna IF beantragte beim schwedischen Schwulen- und Lesbenverband RFSL das seit 2008 vergebene HBT-Zertifikat - HBT steht für Homo, Bi, Trans. Es bestätigt, dass ein Unternehmen erfolgreich daran arbeitet, die Rechte von Schwulen, Lesben, Bi- und Transsexuellen zu respektieren, sie besser zu integrieren und ihnen eine gleichberechtigte Arbeitsumwelt bietet. Kiruna IF war nach 150 zertifizierten Betrieben der erste Sportverein, dem ein solches Zertifikat ausgestellt wurde.
Die Spieler des Teams werden nicht nur im Über- und Unterzahlspiel trainiert, sondern belegen Toleranzkurse und leisten Aufklärungsarbeit in Schulen. Ihre Fans nennen sich in Anlehnung an das regenbogenfarbene Trikot mit dem Kopf eines Alpenschneehuhns «Rainbow Warriors».
Der Fanklub kehrte Kiruna IF den Rücken
Unmittelbar nach seiner Wandlung zum fortschrittlichen Klub musste der Kiruna IF so einiges einstecken: «Widerlich.» - «Diese schwulen Säue.» - «Früher waren Eishockeyspieler wenigstens noch richtige Männer.» So und ähnlich lauteten die Reaktionen in den Kommentarspalten der schwedischen Medienportale auf den Imagewechsel des Klubs. «Unser Fanklub hat uns den Rücken gekehrt. Nach dem ersten Spiel verliess uns der komplette Fanblock... und sie kamen nie mehr zurück. Aber unsere Spieler standen hinter dem Projekt und haben uns dabei unterstützt», beschreibt der damalige Vorstandsvorsitzende Johan Kohler die Vorgänge.
Sponsor und Initiator Skogkvist überraschte das nicht: «Ja, ich habe damit gerechnet, von Leuten, die meinen, dass so etwas mit Eishockey nichts zu tun hat. Aber es ist ja genau diese Ablehnung, gegen die wir etwas tun wollen.» Mittlerweile überwiegen die positiven Reaktionen auf das Engagement des Klubs. Für die regenbogenfarbenen Trikots gibt es nun auch Bestellungen aus den USA.
Von offizieller Seite gibt es sowieso nur Unterstützung für Kiruna IF: «Eine verdammt wichtige Sache», sagt Mikael Mjörnberg, Chredakteur der Hockey-Website Hockeyettan, gegenüber dem deutschen Webportal «taz.de». «Ein grosses Highfive auf Kiruna und diese Initiative. Denn, seien wir mal ehrlich, gerade Eishockey wird ja von einem recht homophoben Milieu geprägt.»