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Mitten in der Corona-Krise kommt es am Dienstag zum Knall in der NFL: Tom Brady verkündet via Instagram, dass er die New England Patriots nach 20 Jahren verlassen wird. Ein riskanter Abgang, der viele Fragezeichen aufwirft – ein Kommentar.
Zugegeben, ich mag Tom Brady nicht sonderlich. Ich konnte seiner emotionslosen Spielweise noch nie etwas abgewinnen. Brady spielt unspektakulär, er wird das Ei schnell los. Genaue und kurze Pässe sind seine Spezialität. Leider sorgen sie aber auch für monotone Partien.
Natürlich war das oft auch nervenstark und abgebrüht, was Brady in den vergangenen Jahren auf dem Feld geliefert hat. Natürlich war Brady auch genau deshalb so unglaublich erfolgreich, weil er sich aufgrund des Erfolgs eben nie neu erfinden musste. Und trotzdem konnte ich mich nie mit dem Brady-Hype anfreunden.
New England ist kalt und Brady machte es für mich in den letzten Jahren noch kälter. Was garantiert auch dem Einfluss von Bill Belichick zu verschulden ist. Wer mir nun vorwirft, dass Erfolg eben auch Neider schafft, der hat vollkommen recht. 6 Ringe, 9 Super-Bowl-Teilnahmen und 17 Divisions-Titel sind eindeutig zu viel. Sicherlich würden viele meine Meinung unterstreichen.
Vor allem, weil das amerikanische Draft-System eigentlich für mehr Ausgeglichenheit sorgen müsste. Die Konkurrenz hat offensichtlich keinen guten Job gemacht.
Die Patriots haben so manchem NFL-Fan die letzten zwei Dekaden versaut. Oder zumindest einige Jahre davon. Als Fan einer konkurrierenden Mannschaft bin ich dementsprechend in erster Linie froh, dass die Dynastie der Patriots definitiv ein Ende hat. Ein Trainer-Quarterback-Duo, dass so perfekt harmoniert wie Bill Belichick und Tom Brady, wird es sehr lange nicht mehr geben, womöglich sogar nie mehr. Da bin ich mir ziemlich sicher.
Doch irgendwie ärgere ich mich über den Abgang, ich habe sogar Verständnis für die die Trauer der Fans. Als NFL-Fan und Sport-Romantiker fühlt es sich wie ein Märchen an, das nicht zu Ende geschrieben wird.
Dass der «GOAT» nach 20 Jahren die Patriots verlässt, die ihn – gemäss Owner Robert Kraft – auch noch mit 42 Jahren behalten wollten, macht keinen Sinn. Brady verlässt ein System, das auf ihn abgestimmt ist. Brady verlässt Fans, die ihn vergöttern. Brady verlässt eine Franchise, bei dem auch ein 7. Ring nicht undenkbar gewesen wäre.
Baby come back @TomBrady pic.twitter.com/NP0JZKoc0Q
— Julian Edelman (@Edelman11) February 4, 2020
Stattdessen unterschreibt Brady bei den Tampa Bay Buccaneers. Einer Franchise, die seit dem Super-Bowl-Sieg 2003 höchstens noch einen Blumentopf gewonnen hat. Zweimal erreichten die Bucs seither die Wild-Card-Round in den Playoffs, zweimal war dann aber auch Endstation. Dass Brady das Ruder bei den Freibäutern (übersetzt Buccaneers) herumreissen wird, darf aufgrund seines Alters und seiner Spielweise bezweifelt werden.
Es stellt sich also die Frage, was bewegt den «GOAT» dazu, bei den Buccaneers zu unterschreiben? Sind es die 30 Millionen, die der Quarterback jährlich verdienen wird? Ist es einfach nur das wärmere Klima, dass die Familie Brady ins südliche Tampa Bay zieht? Spürte Brady etwa zu wenig Wertschätzung bei den Patriots? Oder will Brady tatsächlich nach einer solch geschichtsträchtigen Laufbahn noch beweisen, dass er nicht nur im Patriots-System funktioniert?
.@TomBrady, QB of the @Buccaneers. pic.twitter.com/3t0wD1HQ0l
— NFL (@NFL) March 17, 2020
Was auch immer den Quarterback zu seiner Entscheidung verleitet hat, es wird wohl sein Geheimnis bleiben. Nachvollziehen kann ich es zumindest nicht. Vielleicht gibt ihm der Erfolg – einmal mehr – recht. Wahrscheinlicher ist aber, dass wir Brady nicht mehr in den Playoffs sehen werden. Es wäre in diesem Fall nicht die erste grossartige Quarterback-Karriere, die mit einer enttäuschenden Saison beendet wird.