Bergsteigen
So finanziert Extrembergsteiger Ueli Steck seine Touren

Der Berner Ueli Steck (36) macht vor, wie man erfolgreich von alpinistischen Bestleistungen leben kann. Nebst ihm gibts in der Schweiz nur eine geringe Zahl von Leuten, die vom Extrembergsteigen leben können.

Fabienne Riklin
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Ueli Steck. (Archiv)

Ueli Steck. (Archiv)

PatitucciPhoto.com

Die Todesdrohungen von Sherpas gegen den Berner Extrembergsteiger Ueli Steck (36) am Mount Everest (8848 m ü. M.) verbreiteten sich diese Woche wie ein Lauffeuer rund um den Globus. Was genau vorgefallen war und wie es so weit kam, erzählte Steck aber nicht in einem Interview in der «New York Times» oder gegenüber «Al Jazeera», sondern im «Migros-Magazin».

Kein Zufall: Steck ist für seine diesjährige Himalaja-Expedition eine Medienpartnerschaft mit dem Genossenschaftsmagazin eingegangen. Das heisst, er bekommt von der Zeitschrift eine Plattform, um laufend über sein Vorhaben zu berichten, und die Migros druckt die Neuigkeiten vor allen anderen Medien. «Ueli Steck ist eine aussergewöhnliche Persönlichkeit. Bodenständig und bescheiden, aber auch unglaublich entschlossen und wagemutig. Deshalb prüft die Migros über die Partnerschaft hinaus ein Sponsoring», sagt Monica Glisenti, Kommunikationschefin der Migros.

Von einem solchen Angebot träumen viele Top-Alpinisten. Nur die wenigsten schaffen es, ausschliesslich von Sponsoren und ihrer eigenen Vermarktung leben zu können – in der Schweiz ist es nicht mal eine Handvoll. «So spektakuläre Dinge wie Ueli machen in der Schweiz auch andere Alpinisten, doch keiner vermarktet sich so gut wie er», sagt Oswald Oelz (69). Der Höhenmediziner ist einer erfahrensten Bergsteiger weltweit. «Noch vor 20 Jahren gab es keine reinen Profi-Bergsteiger, sondern alle finanzierten sich über einen anderen Beruf. Viele waren noch als Bergführer unterwegs.»

Mit achtzehn Jahren kletterte Ueli Steck zum ersten Mal die Eigernordwand hoch. Seine Leidenschaft war entfacht. Über Jahre lebte der gelernte Zimmermann von der Hand in den Mund, um die nächste Kletterreise finanzieren zu können. Dass er einmal vom Bergsteigen würde leben können, hielt er für unwahrscheinlich. Doch 2003 gründete er die Ueli Steck GmbH. Gut zu klettern, Rekorde zu brechen, Erstbesteigungen zu riskieren und zu bestehen, genügt aber nicht, um auch geschäftlichen Erfolg zu haben. Steck hat gelernt, Projekte zu kommunizieren, Marketing zu betreiben und kreative Ideen zu entwickeln, wie er das publizieren kann, was er tut.

Heute gilt «The Swiss Machine», wie Steck in der Branche heisst, als einer der bestvermarkteten Bergsteiger. Sponsoren von Mountain Hardwear über Audi bis Qatar Airways sind nur ein paar, die ihm heute seine Expeditionen und AlpinRekorde finanzieren. Das bringt aber auch Verpflichtungen. In seinem neusten Buch «8000+ Aufbruch in die Todeszone» schreibt er: «Es war gar nicht so einfach, sich nicht unter Druck setzen zu lassen.» Für professionelle Bergsteiger sei es ein Abwägen, wie viel Risiko man bei schlechten Verhältnissen eingehe, um nicht mit leeren Händen zurückzukehren. «Es ist aber überlebensnotwendig. Entscheidungen am Berg unabhängig von den Erwartungen von Sponsoren zu treffen.»

Ausbildungsprogramm für junge Bergsteiger

Einen wesentlichen Teil seines Einkommens erarbeitet Steck aber nicht nur mit Sponsoren und Büchern, sondern auch mit Vorträgen. Ihm gleich tun das die beiden Berufsalpinisten Stephan Siegrist (40) aus Interlaken und Roger Schäli (34) aus Sörenberg – auch wenn sie nicht so bekannt sind wie Steck.

Rund 35 Vorträge hält Schäli pro Jahr für ein Honorar ab 2000 Franken. Mehrheitlich in den Monaten November, Dezember und Januar, wenn das Training in der Halle stattfindet. «Während andere Jugendliche Fussballer werden wollten, träumte ich vom Klettern», sagt Roger Schäli. Doch das Leben als Profi-Alpinist habe er sich romantischer vorgestellt. «Es ist zeitaufwendig, sich um Sponsoren, Vorträge und Medienarbeit zu kümmern. Ohne Familie und einen guten Kollegen im Rücken, der mich in Managementaufgaben berät, ginge es nicht. Dafür bin ich zu stark Bergsportler und zu wenig Manager.»

Seit neun Jahren ist Salewa Schälis Hauptsponsor. Jeweils im Dezember stellt der Kletterer der Outdoor-Marke seine Pläne vor. Dann wird das Budget festgelegt. «Übrig bleibt Ende Jahr praktisch nichts.»

In der Schweiz mussten angefressene Spitzenbergsteiger bisher den Weg zum Hochleistungssportler und Kleinunternehmer selber zurücklegen. Es gab lange keine Förderprogramme für ambitionierte Alpinisten. Das hat sich geändert. Zum zweiten Mal lanciert der Schweizer Alpen Club (SAC) diesen Herbst ein dreijähriges Ausbildungsprogramm für jugendliche Bergsteiger, die das Ziel haben, «an den grossen Bergen dieser Welt» anspruchsvolle Touren zu unternehmen. «Es geht uns nicht darum, kleine Stecks heranzuzüchten, sondern das klassische Bergsteigen zu schulen und Jugendlichen aufzuzeigen, was für Wege in diesem Bereich möglich sind», sagt Bruno Hasler, Fachleiter Ausbildung beim SAC.

Medienarbeit und Fundraising sind in der Ausbildung genauso Thema wie Eisklettern und Hochtouren. «Wichtig ist uns aber auch, dass die Jungen wissen: In der Schweiz gibt es rund zehn Alpinisten, die vergleichbares Niveau wie Steck haben. Die Mehrheit von ihnen finanziert die eigenen Projekte aber über Aufträge als Bergführer. Denn am liebsten würden sie alle nur klettern.»

Ob Ueli Steck nach dem Eklat an den Everest zurückkehrt, ist offen. Klar ist aber: Kein Projekt findet mehr Aufmerksamkeit als am Dach der Welt.