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Simona Aebersold wird im OL-Sport als neue Simone Niggli gefeiert. Und das heisst etwas. Denn Simone Niggli ist im Orientierungslauf das Nonplusultra. Stilikone und Referenzeinheit zugleich – quasi das Greenwich der Zeit, der Nordpol der Kompassnadel.
Kein Wunder also, wird im OL alles und jede an der 23-fachen Weltmeisterin und dreifachen Schweizer Sportlerin des Jahres gemessen. Doch selten bis nie hält jemand diesem Vergleich stand.
Doch nun scheint tatsächlich alles anders, beginnt im OL vielleicht eine neue Zeitrechnung. Jene von Simona Aebersold. Die 20-Jährige aus Brügg bei Biel gibt am Sonntag im Sprintrennen von Mendrisio (15.50 Uhr, live auf SRF info) zum EM-Auftakt ihr Debüt bei der Elite.
Und dies mit der Referenz von nicht weniger als sieben Weltmeistertiteln bei den Junioren und einer Bestzeit bei den Selektionsläufen des starken Schweizer Teams. Ihre erste Duftmarke im Konzert der Grossen.
Es wäre vermessen, auf Anhieb Wunderdinge von der Biologie- und Sportwissenschaft-Studentin zu erwarten. Einerseits liegt der Fokus in ihrem letzten Nachwuchsjahr nochmals bei der Junioren-WM Anfang Juli in Ungarn. Dort hat sie alle Titel in den Einzelrennen zu verteidigen.
Andererseits stehen bald erste Semesterprüfungen an. Und zum Vergleich: Simone Niggli lief an ihren ersten Elite-Titelkämpfen 1999 in Glasgow in der damaligen Kurzdistanz auf Rang 15.
Simona Aebersold selbst sagt, dass sie sich bewusst kein Rangziel für ihre insgesamt drei EM-Einsätze (Sprint, Mitteldistanz und Staffel) gesetzt habe. «Sonst wäre ich nur enttäuscht, wenn ich die Ziele nicht erreiche.»
Ein wenig konkreter wird ihr Vater Christian, der für die Tochter als Coach im technischen Bereich amtet: «Ein Diplomplatz in einem Einzelrennen wäre ein absolutes Topresultat», sagt der Sportarzt mit eigener Praxis und Label von Swiss Olympic.
Der 56-Jährige ergänzt: «Simona macht nicht OL, weil sie ein Resultat erreichen will. Sie praktiziert diese Sportart, weil sie OL ganz einfach unglaublich mag.» Diese Freude am Sport verbinde sie auch mit ihrem grossen Vorbild Simone Niggli.
Dass Simona Aebersold eine sportliche Überfliegerin werden würde, definiert sich schon mit den Genen der Eltern. Mutter Gabi Aebersold-Schütz siegte als Aktive beim Jungfrau-Marathon, Vater Christian ist der erste Schweizer Weltmeister im OL überhaupt.
1991 gewann er in der damaligen Tschechoslowakei mit seinen drei Teamkollegen Alain Berger, Thomas Bührer und Urs Flühmann eine historische Goldmedaille in der Staffel. Zwei und vier Jahre später wiederholte er dieses zu jener Zeit sensationelle Kunststück.
Wenn der Vater für seine Tochter also mögliche Bahnen auf Tessiner OL-Karten einzeichnet, damit diese ein Rennen quasi als Trockenübung durchspielen kann, dann kommt einiges an Erfahrung zusammen.
Doch Christian Aebersold verrät: «Es ist längst nicht so, dass ich dann sage, was zu tun ist. Es entwickeln sich bisweilen richtige Streitgespräche.» Nicht, dass die Tochter besonders rebellisch wäre, aber sie hat ihren Kopf und vor allem sehr viel Selbstverantwortung. Sogar ihre Trainingspläne entwirft sie alleine.
Und der Vater staunt immer wieder, «wie schnell sie Dinge lernt, die richtigen Schlüsse daraus zieht und diese zielgerichtet umsetzt». So habe sie im ultraschwierigen norwegischen Gelände bei ihrer ersten Junioren-WM vor drei Jahren auf Anhieb reüssiert.
Simone Niggli begleitete die Karriere ihrer Namensvetterin von Anfang an – als Idol im Herzen, als Biografie in Buchform auf dem Nachttisch im Kinderzimmer und als Betreuerin in den regelmässigen Trainings im Nationalen Leistungszentrum in Bern.
Die heutige Nationalkader-Assistenztrainerin spricht in höchsten Tönen von ihrer potenziellen Nachfolgerin: «Hier wächst eine absolute Ausnahmeathletin heran. Ich war in diesem Alter noch nicht so gut.»
Jüngst hat Simone Niggli in einem Trainingslager die 20 Jahre jüngere Bielerin bei einem simulierten Renneinsatz quasi als Schatten verfolgt, um ihr Verhalten und ihre Entscheidungen unterwegs zu beurteilen.
«Sie läuft bereits auf hohem Niveau, aber es gibt sicher noch Inputs, die man reingeben kann», sagt Niggli und hebt gleichzeitig den Mahnfinger. Bei aller Bewunderung für die Selbstständigkeit von Simona Aebersold seien diese Inputs auch notwendig.
«Simona trainiert für ihr Alter bereits sehr viel. Da muss man aufpassen und sie begleiten, damit die Energie für die ganze Karriere reicht.» Wie das geht, weiss niemand besser als sie selbst.