Keiner will der Favorit sein

Seit Mailand ist beim FCZ die Gewissheit da, in der Champions League mithalten zu können. Gelingt nun auch gegen Marseille ein grosser Wurf?

Drucken

MARKUS BRÜTSCH, ZÜRICH

Kürzlich hat ein Reporter der französischen Sportzeitung «L'Equipe» beim Training des FC Zürich vorbeigeschaut. Und nicht schlecht gestaunt, dass sämtliche Übungseinheiten öffentlich sind, wo doch in der Heimat «le huis clos» die Regel ist. Hätte Olympique Marseille einen Spion aufs Trainingsgelände in der Allmend Brunau geschickt, nur um mal zu schauen, was der Champions-League-Gegner bei ruhenden Bällen so alles auf Lager hat - kein Problem, niemand hätte ihn daran gehindert. Und dass sich die FCZSpieler auf ihrem Spaziergang von den Umkleidekabinen in der Saalsporthalle zum Trainingsplatz im «Eldorado» der Zürcher Hündeler auch ab und zu mit neugierigen Vierbeinern auseinandersetzen müssen, ist dem Gast aus Frankreich auch aufgefallen.

Trainer Bernard Challandes hat ihm erklärt: «Wir müssen diese Umstände akzeptieren, auch wenn sie problematisch sind.» Und um den Lesern schliesslich die unterschiedlichen Dimensionen des FCZ und von Marseille zu veranschaulichen, hat der «L'Equipe»- Reporter dann noch vorgerechnet, dass Zürich mit einem Budget auskommen muss, das eine Million Euro unter jenem Betrag liegt, den Marseille im vergangenen Sommer allein für den Transfer des Spielers Mbia von Rennes aufgewendet hat.

Die Bilder vom Spiel AC Milan- FC Zürich

Das weiss auch Challandes. Und so wird der FCZTrainer vor dem Vergleich mit dem achtfachen französischen Meister und erstmaligen Gewinner der Champions League 1993 nicht müde, diesen in die richtigen Relationen zu setzen. «Ich weiss doch, was die Leute nach unserem 1:0-Sieg in Mailand denken: Jetzt haut der FCZ auch noch Marseille weg!»

Dafür hat Challandes nur ein Kopfschütteln übrig. «Ich will nicht behaupten, es sei schlecht, optimistisch zu sein», sagt Challandes. «Aber wir müssen mit den Füssen am Boden bleiben.» Nicht, dass ihm die Sensation im San Siro nichts bedeuten würde, und stolz darauf ist er auch. «Aber mehr als ein Traum vom Weiterkommen in die Achtelfinals ist daraus nicht geworden», sagt Challandes.

Die Bilder vom Spiel FC Zürich- Real Madrid

Nicht einmal mehr von so etwas träumen dürften indes die Marseillais, sollten sie im Letzigrund ihre dritte Niederlage im dritten Spiel kassieren. «Wir wissen um die Bedeutung dieser Partie», sagt Captain Mamadou Niang. Von einem «Schlüsselspiel» spricht Trainer Didier Deschamps. «Aber ich kann doch nicht sagen, wir seien der Favorit, wenn unser Gegner in der Tabelle vor uns liegt und auswärts die AC Milan geschlagen hat.» Ob er denn mit einem Unentschieden zufrieden wäre, fragt ein Reporter. «Wir sind hergekommen, um zu gewinnen », sagt Deschamps, «aber am Schluss müssen wir dann vielleicht akzeptieren, dass es nur einen Punkt gibt.» Deschamps sagt, wie gut organisiert der FCZ in Mailand aufgetreten sei, wie stark die Offensivkräfte Alphonse, Vonlanthen, Margairaz, Djuric und Alphonse gespielt hätten.

Nur gut, hat sich Bernard Challandes diese Schmeicheleien nicht mehr anhören müssen. Er hätte sich darüber gewiss ziemlich aufgeregt.