Sauter
«Fussball-Talente erkenne ich sofort»

Vor einer Woche sorgte die Schweizer U17-Auswahl für einen der grössten Erfolge in der Schweizer Sportgeschichte. Jacky Sauter ist seit 41 Jahren Juniorenfussballtrainer und verfolgt die Ausbildung der Nachwuchstrainer mit kritischem Blick. Der Erfolg sei das Resultat einer guten Juniorenausbildung, ist er überzeugt.

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Jacky Sauter

Jacky Sauter

Aargauer Zeitung

Dino Nodari

Jacky Sauter sitzt im Restaurant der Sportanlage Niedermatten in Wohlen. Der langjährige Juniorentrainer des FC Wohlen blickt auf das Spielfeld. Der grüne Rasen ist seine Welt. Noch heute, mit 77 Jahren steht er beinahe täglich auf dem Spielfeld und betreut Junioren, genau so wie er es auch schon mit Ciriaco Sforza gemacht hat, den er kurzzeitig betreute. Im Moment ist er beim FC Wohlen einer von vier Leitern des Kinderfussballs. Das sind die 58 jüngsten Vereinsmitglieder, die sich noch nicht in Wettkampfspielen messen.

Die Schweizer U17-Auswahl hat vor Wochenfrist die Weltmeisterschaft gewonnen. Wie wichtig sind denn Erfolge im Juniorenfussball?
Jacky Sauter: Wenn man die Gesichter der Kinder sieht, wenn sie einen Pokal in die Höhe stemmen können, weiss man, wie wichtig Erfolge sind. Genauso wichtig ist es aber, den Kindern die Freude am Fussball zu vermitteln. Da kommt auch eine pädagogische Ebene hinzu.

Handelt es sich beim U17-Erfolg einfach um einen aussergewöhnlich guten Jahrgang an guten Fussballern, oder ist der Erfolg auch das Resultat einer guten Juniorenausbildung?
Sauter: Sowohl als auch. Es ist sicherlich ein aussergewöhnlicher Jahrgang, aber auch die Juniorenausbildung in der Schweiz ist hervorragend. Das hat der Erfolg gezeigt.

Noch vor einigen Jahren hiess es, dass die Schweiz in der Juniorenausbildung mit anderen Ländern nicht mithalten könne. Was hat sich geändert?
Sauter: Vor allem die technische Ausbildung der Trainer ist viel besser geworden. Heute können wir mit den grossen Fussballnationen mithalten. Allerdings gilt dies für die Juniorenförderung und nur beschränkt für den Kinderfussball. Da gibt es einige Trainer, die nicht in der Lage sind, einen geraden Ball zu schlagen.

Wo genau sehen Sie noch Verbesserungspotenzial?
Sauter: In der Trainerausbildung könnte beispielsweise noch mehr Wert auf die technische Ausbildung, aber auch auf den mentalen Bereich gelegt werden. Ich wünschte mir zudem auch vom FC Wohlen klarere Zielvorgaben im Kinderfussball. Wollen wir die Kinder einfach spielen lassen oder sie auch gezielt fördern? Da muss man unterscheiden. Zudem wünschte ich mir etwas mehr Kontinuität in der technischen Leitung des Kinderfussballs. Häufige Personalwechsel sind nicht förderlich.

Das klingt aber schon sehr erfolgsorientiert. Zählt letztendlich auch im Juniorenfussball nur das Resultat?
Sauter: Nein, es macht keinen Sinn, nur auf Resultat zu spielen. Es gibt viele Trainer, die einen oder zwei gute Spieler im Team haben. Im Kinderfussball kann ein guter Spieler ein Spiel allein gewinnen. Wenn der Trainer dann denkt, er hätte ein gutes Team, dann irrt er sich. Das ist keine Ausbildung. Allerdings haben es da grössere Vereine einfacher, da sie einfach mehr Junioren haben. Wenn man nur sieben Junioren hat, muss man eben mit diesen spielen. Das schliesst aber nicht aus, dass für alle Fussballer eine Ausbildung stattfindet.

Wie das Beispiel der U17 zeigt, sind es oft Junioren mit Migrationshintergrund, die gut Fussball spielen. Woran liegt das?
Sauter: Vor 30 Jahren gab es einfach Schweizer und Italiener auf den Fussballplätzen, und schon da zeigte sich, dass die Italiener eine grössere Veranlagung hatten. Heute ist es so, dass bei meinen Jungs etwa ein Drittel Schweizer und der Rest so genannte Ausländer sind. Durch diese Überzahl entsteht zudem ein etwas verzerrtes Bild.

Ergeben sich aus dieser Konstellation Probleme in den Mannschaften?
Sauter: Bei uns funktioniert das seit Jahren extrem gut. Im Kinderfussball gibt es da kein Problem. Ein Kindergartenkind ist sich dieser Problematik noch nicht bewusst und beurteilt Situationen nicht aus der Perspektive der Migration.

Das immer wieder thematisierte Ausländerproblem gibt es also auf dem Fussballplatz nicht?
Sauter: Ich spreche hier vom Kinderfussball. Und natürlich muss man schon mal mit den Eltern etwas anders sprechen. Insgesamt ist mir die Zusammenarbeit mit den Eltern und auch der Schule wichtig. Im Kinderfuss-ball gibt es auch einen sozialen Aspekt. Ich will beispielsweise wissen, bei welchen Lehrern meine Junioren in die Schule gehen und wie sie sich verhalten.

Wann sollen Eltern ihre Kinder bei einem Fussballverein anmelden?
Sauter: Das hängt von der körperlichen und der geistigen Veranlagung des Kindes ab. Für mich gibt es keine Alterslimite. Allerdings gibt es sehr wenige Vierjährige, die schon bereit sind dafür.

Ab welchem Alter ist bei einem Junior Talent erkennbar?
Sauter: Dieses Wort gefällt mir nicht besonders. Ich spreche lieber von Veranlagung. Grundsätzlich denke ich, dass ich eine solche sofort erkenne. Allerdings gibt es auch Kinder, die erst später durchstarten. Wir schicken aber sicher auch keine Kinder nach Hause, wenn sie die Veranlagung noch nicht haben.

In Ihren 41 Jahren als Juniorentrainer haben Sie zahlreiche Junioren trainiert. Wie viele haben letztendlich den Sprung zum Profivertrag geschafft?
Sauter: Das sind wohl so um die zehn Spieler, die den Sprung geschafft haben.

Was raten Sie einem 16-jährigen talentierten Fussballer? Soll er voll auf die Karte Fussball setzen?
Sauter: Mit unserem Schulsystem soll er unbedingt auch in die Schule gehen. Nur Fuss-ball zu spielen, ist sehr riskant. Bei den grossen Schweizer Fussballclubs gibt es heute gute Ausbildungsmöglichkeiten.

Nach dem grossartigen Erfolg der U17-Nationalmannschaft: Spielt die Schweiz in zehn Jahren um den Titel bei den Grossen?
Sauter: Nein, das denke ich nicht. Ich habe zwar grosse Freude an dem grossen Erfolg, aber nach der jetzigen Euphorie müssen diese Spieler erst noch zeigen, ob sie sich tatsächlich durchsetzen können. Ich denke, dass drei oder vier Spieler aus diesem Team sich in einer europäischen Topliga durchsetzen können, aber nicht mehr.