Deutschlands Nationaltorwart Robert Enke ist tot. Er starb am Dienstagabend an einem Bahnübergang in Neustadt am Rübenberge im Ortsteil Eilvese. Er nahm sich das Leben.
Jörg Mebus/Tomas Nowag
Zurückhaltender Familienmensch, tadelloser Sportsmann, Tierfreund - der am Dienstag verstorbene Robert Enke war stets bereit, das Wohl anderer über seine eigenen Bedürfnisse zu stellen. Sportlich ging es für ihn seit seiner Rückkehr zu Hannover 96 ganz steil bergauf - doch er kannte vor allem menschlich auch die Schattenseiten des Lebens. Etwas mehr als zwei Jahre ist es her, dass der fast immer sachliche und abgeklärte Enke und seine Frau Teresa mit dem Tod ihrer zweijährigen Tochter einen harten Schicksalsschlag hinnehmen mussten. Die kleine Lara hatte einen schweren Herzfehler und starb nach einer Operation im September 2006. Diese schwierige Zeit hat Robert Enke stark geprägt. «Unsere Tochter war fast ein Jahr im Krankenhaus, davon ein halbes Jahr auf der Intensivstation. Das verändert die Sichtweise. Ich habe gelernt, andere Prioritäten zu setzen», sagte er damals, nachdem er lange und verzweifelt um Laras Leben gerungen hatte. Doch im Mai 2009 schien die Welt des Robert Enke wieder voller Glück, Zuversicht stand ihm ins Gesicht geschrieben. Das Ehepaar Enke adoptierte ein zwei Monate altes Mädchen namens Leila. «Wir sind sehr, sehr glücklich und dankbar für diesen kleinen Menschen, der in unser Leben getreten ist», sagte er. Es schien eine zweite Chance für das Familienglück zu geben. Seine berufliche Karriere verlief generell nicht unbedingt gradlinig. In seinen fussballerischen Anfängen war Enke Feldspieler beim SV Jenapharm Jena, ehe er als Torwart zu Carl Zeiss Jena gelangte und dort 1995 Profi wurde. 1996 wechselte er zu Mönchengladbach, um drei Jahre später den Schritt ins Ausland zu wagen. Benfica Lissabon, der FC Barcelona, Fenerbahce Istanbul und CD Teneriffa hiessen die Stationen, bevor der Keeper 2004 nach Hannover kam. Nach drei erfolgreichen Spielzeiten in Lissabon musste Enke bei Barcelona überwiegend mit der Ersatzbank vorliebnehmen. Nicht leicht hatte er es auch nach seinem Wechsel an den Bosporus, wo er unter Trainer Christoph Daum nach einer Niederlage in seinem ersten Spiel von den eigenen Fans mit Feuerzeugen und Flaschen beworfen wurde. Er verliess Fenerbahce nach nur wenigen Wochen, weil er «diese überdrehte Leidenschaft und diese Brutalität gegenüber Verlierern» nicht aushielt. Sie widersprachen seiner Vorstellung von Fairness und Respekt eklatant. Neben der Familie und dem Fussball waren Hunde seine grosse Liebe. Als er während seines Spanien-Abstechers das Schicksal der Strassenhunde sah, holte er sich selbst einige kranke Vierbeiner ins Haus. Am Ende waren es mehr als fünf Hunde, die er mit seiner Gattin pflegte. (sid)
«Ich kann bestätigen, dass es sich um Selbstmord handelte. Robert hat sich um kurz vor sechs Uhr das Leben genommen», sagte Enkes enger Freund und Berater Jörg Neblung. Enke hinterlässt seine Ehefrau Teresa und eine acht Monate alte Tochter, die das Paar im Mai adoptiert hatte.
Mit tiefer Fassungslosigkeit reagierten der Deutsche Fussball- Bund (DFB) und die deutsche Nationalmannschaft, die am Samstag in Köln gegen Chile spielen soll, auf die Schocknachricht vom Tod des 32-Jährigen. «Wir sind fassungslos und voller Trauer. Unser ganzes Mitgefühl gilt der Frau von Robert Enke und seiner Familie», sagte DFB-Präsident Theo Zwanziger: «Robert Enke war ein wunderbarer Mensch, der auch harte Schicksalsschläge verdauen musste.»
Franz Beckenbauer sagte, dass er «unendlich traurig» sei: «Wenn man eine solche Nachricht bekommt, werden alle anderen Probleme ganz klein.» Bundestrainer Joachim Löw und Manager Oliver Bierhoff informierten die Spieler und Betreuer am Dienstagabend in Bonn. Oliver Bierhoff sagte: «Wir sind alle geschockt, uns fehlen die Worte.» Ob die Nationalmannschaft das Spiel am Samstag bestreiten wird, ist noch unklar.
Der Präsident von Enkes Klub, Hannover 96, Martin Kind, war schockiert. «Das ist eine absolute Katastrophe, Ich kann es gar nicht fassen und auch nicht weiter kommentieren.» Vor der Geschäftsstelle versammelten sich am späten Abend etwa 300 Fans, Spieler und Weggefährten, sie zündeten Kerzen an und legten Blumen nieder. Aus Teelichtern wurde eine 96 geformt.
Trainer Ewald Lienen, der Enke 2004 nach Hannover in die Bundesliga zurückgeholt hatte, bezeichnete den Tod seines ehemaligen Schützlings als «unvorstellbar ». Er habe bereits mit Weggefährten und Teamkollegen Enkes wie Steven Cherundolo, Michael Tarnat und Hanno Balitsch gesprochen: «Für uns alle ist es ein unfassbarer Schlag, den wir kaum in Worte fassen können. Dass er in so einer Situation war, so etwas ins Auge fassen konnte, tut mir unendlich leid und weh», sagte Lienen.
Erfolgreiches Comeback
Erst vor zehn Tagen hatte Enke nach einer rätselhaften Viruserkrankung und neun Spielen Pause in Köln (1:0) sein Comeback in der Bundesliga gegeben. «Das war eine verdammt lange Zeit, fast ein Viertel der Saison. Aber es war von der ersten Sekunde an wieder ein gutes Gefühl », hatte Enke damals gesagt. Der Torwart galt bis zu dieser Erkrankung als Favorit auf den Posten des Stammtorwarts in der Nationalmannschaft für die WM 2010 in Südafrika.
Auch in Spanien löste die Botschaft vom Tod Enkes Bestürzung aus. Barcelona gedachte des Verstorbenen, der von 2002 bis 2004 bei den Katalanen unter Vertrag stand, am Dienstagabend vor dem Pokalspiel gegen den Cultural Leonesa im Stadion Nou Camp mit einer Schweigeminute. Im Hintergrund wurde klassische Musik eingespielt, die Spieler senkten die Köpfe.
Enke, der am 24. August 1977 in Jena geboren wurde, bestritt acht Länderspiele. In neun Jahren Bundesliga bestritt er 196 Spiele für Hannover 96 und Borussia Mönchengladbach.