In Spanien hat der Solosieg von Alberto Contador in Verbier und die Übernahme des Maillot jaune eine Welle der Begeisterung ausgelöst.
Toni Nötzli
«Ein gewaltiger Schlag der Autorität», titelte die Zeitung «Marca». Der «Diario vasco» vermeldete als Schlagzeile «Contador stellt sich vor und kleidet sich als Leader». Und «El Paîs» lockte die Leser mit der Überschrift «Contador krönt sich zum Leader der Alpen».
Die Fans haben es etwas einfacher. «Dieses Jahr gewinnt Contador mit einem Bein», hiess es in einer Online-Zuschrift. Und ein anderer «aficionado» brachte es auf den Punkt: «Der König (Armstrong) ist tot - es lebe der König (Contador)!»
Dass er seinen zweiten Triumph in der Tour de France nach 2007 schon in der Tasche hat, das würde Alberto Contador nie behaupten. Er weiss zu genau, dass erst der Zielstrich am Sonntag auf den Champs-Elysées in Paris die endgültige Sicherheit bringen wird. «Jetzt ist die Situation für mich günstig. Die Tage vor dieser Bergankunft in Verbier waren schwierig und ich hatte eine solche Etappe nötig. Ich habe eine Differenz geschaffen, die mir Sicherheit verleiht und Ruhe verschafft.»
Zur Beruhigung Contadors trägt gewiss bei, dass Lance Armstrong die Überlegenheit des Tour-Ersten anerkennt. «Früher wusste man auch, wer der beste Fahrer der Tour und der stärkste Athlet dieses Rennens war. Das war ich. Jetzt ist es Alberto», hielt der Rekordsieger fest. «Was mich betrifft, fühle ich mich ab sofort glücklich, Albertos Helfer sein zu dürfen. Ich bin stolz auf ihn», fügte Armstrong an.
Contador habe früher die Tour de France am Bildschirm verfolgt und Armstrong siegen sehen. Er sei sein Idol gewesen. Dass er den Amerikaner hinter sich gelassen habe, sei für ihn nicht wichtig, weil er für ihn ein Gegner wie alle anderen sei, sagte Contador. Der Spanier weiter: «Es ist eine grosse Ehre, zu hören, dass sich Lance jetzt in meine Dienste stellen wird. Er ist ein grosser Sportler. Ab jetzt müssen alle in unserer Mannschaft dafür arbeiten, meine Position zu verteidigen.»
«Alberto ist ein ungewöhnlicher Fahrer - auf jeden Fall der talentierteste, mit dem ich je gearbeitet habe», stellte sein Sportlicher Leiter Johan Bruyneel fest, als der Spanier im Alter von 24 Jahren erstmals die Tour de France für sich entschied. Zwei Jahre später staunt Bruyneel noch immer: «Alberto hat die Mentalität eines Champions und ein enormes Selbstvertrauen. Wir kennen seine Grenzen noch immer nicht.»
Vor zwei Jahren hatte Contador in der Tour die Leaderposition übernommen, nachdem Michael Rasmussen wegen seiner Dopinglügen den Heimweg antreten musste. Diesmal hat sich Contador die Spitzenposition selbst erkämpft. Dies lässt die Vermutung aufkommen, der Madrilene von 1,76 m Körpergrösse und 61 kg Gewicht habe in Verbier den glücklichsten Tag seiner Karriere erlebt. «Nein, das stimmt nicht», widerspricht Contador. «Das war vor vier Jahren, als ich im Januar in der Tour Down under in Australien die schwerste Etappe für mich zu entscheiden vermochte und damit die Bestätigung erhielt, dass ich wieder ein richtiger Radprofi bin.»
Ein knappes Jahr vorher war Contador in der Asturien-Rundfahrt gestürzt. Zuerst schienen die Verletzungen harmlos. Als die Schmerzen andauerten, suchte der Spanier ein Spital auf, wo ein Hirnödem festgestellt und eine rasche Operation nötig wurde. «Es ging um Leben und Tod», erinnert sich Contador und zeigt damit Parallelen zu Armstrong auf, der knapp acht Jahre vorher wegen seiner Krebserkrankung ebenfalls dem Tod nahe war.