Kunstturnen
Die Kunstturner denken vor WM schon an Olympia

Die Schweiz reist mit sechs Turnerinnen und sieben Turnern an die WM nach Glasgow. Die Titelkämpfe Ende Oktober stehen im Zeichen der Olympischen Spiele 2016.

Von Rainer Sommerhalder
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«Ich will nicht mehr zurückblicken, sondern positiv und optimistisch nach vorne», sagt Giulia Steingruber vor der WM.

«Ich will nicht mehr zurückblicken, sondern positiv und optimistisch nach vorne», sagt Giulia Steingruber vor der WM.

Keystone

Der Fokus gilt Rio. Die Schweizer Männer möchten sich als Team für die Olympischen Spiele qualifizieren, bei den Frauen soll sich zumindest Giulia Steingruber das definitive Ticket für Brasilien sichern. Der sensationelle siebte Platz der Schweizer im Mannschafts-Wettkampf an den letzten Weltmeisterschaften 2014 in China nährt die Hoffnung auf die erste Olympiateilnahme seit Barcelona 1992. Angesichts des bestechenden Eindrucks der Schweizer WM-Teilnehmer am Wochenende bei den Schweizer Meisterschaften darf man sogar von einer direkten Qualifikation in Glasgow träumen. Dazu bräuchte es mindestens Rang 8 im Teamwettkampf. Es wäre aber vermessen, dies zu erwarten.

Die restlichen vier Plätze für den Mannschaftsevent in Rio werden beim vorolympischen Testwettkampf im April in Brasilien vergeben. Um dort überhaupt dabei zu sein, müssen sowohl die Männer wie auch die Frauen als Team in Glasgow mindestens Rang 16 erreichen. Angesichts der enormen Dichte unter den weltbesten Nationen ist auch dies alles andere als ein Selbstläufer.

Der Kür folgt an der WM die Pflicht

«An der EM war die Kür, jetzt folgt die Pflicht. Die Turnerinnen und Turner müssen an den nächsten zwei Wettkämpfen zeigen, dass sie auch dann brillieren, wenn es um die Wurst geht», sagt Felix Stingelin, der Spitzensportchef des Schweizerischen Turnverbandes. Derweil braucht es das richtige Händchen von Männer-Nationaltrainer Bernhard Fluck, wenn es um die Taktik geht. Geturnt wird in Glasgow nur, was zweifelsfrei sitzt. «Gefragt sind Noten, die wir für das Team brauchen können», sagt Fluck.

Der Verzicht auf Höchstrisiken geht unter Umständen auf Kosten von Erfolgschancen der einzelnen Athleten. So wird Barren-Vizeeuropameister Christian Baumann – einer von vier Aargauer WM-Fahrern neben Oliver Hegi, Jessica Diacci und Laura Schulte – sein neues Element wohl weglassen, obwohl es an der SM perfekt gelang und ihm die höchste Note des gesamten Wettkampfs (15,533) bescherte. Doch selbst mit der schwierigsten Variante seiner Übung ist ein Platz im Gerätefinal alles andere als sicher. «Ich kann es zwar nicht genau einschätzen, aber ich glaube, ein WM-Finalplatz ist für mich sehr schwierig zu erreichen», sagt Baumann.

Für individuelle Schweizer Exploits ist Mehrkampf-Europameisterin Giulia Steingruber vorgesehen. Doch ausgerechnet bei ihr besteht Unsicherheit wegen einer Rückenprellung und dreiwöchiger Pause nach einem Trainingssturz am Schwebebalken. An der SM hat die 21-Jährige noch darauf verzichtet, die Höchstschwierigkeiten zu turnen. Für sie sind die verbleibenden dreieinhalb Wochen bis zur WM ein Wettlauf mit der Zeit, um die notwendige Stabilität in ihre Übungen zu bringen. Steingruber ist zuversichtlich: «Ich will nicht mehr zurückblicken, sondern positiv und optimistisch nach vorne», sagt sie und zählt auf die Wirkung «des Adrenalinschubs an der WM».