Am Tag nach dem 1:0-Sieg gegen Lyon fragt sich ganz München, ob Franck Ribéry im allfälligen Finale in Madrid dabei sein kann. «Zaubermaus» Arjen Robben dagegen muss sein Unverständnis über seine vorzeitige Auswechslung erklären.
Marco Mader, München
Rot(licht)-Sünder Franck Ribéry war längst in der Münchner Nacht verschwunden, als Uli Hoeness erstmals ganz offen über den Traum vom fünften Triumph in der Champions League sprach. «Diese Mannschaft hat so eine grossartige Moral, sie kann Berge versetzen», sagte der dank des Siegtores von Zauberdribbler Arjen Robben selige Präsident von Fussball-Rekordmeister Bayern München, nach dem 1:0-Triumph im Halbfinal-Hinspiel der Königsklasse gegen Olympique Lyon.
Auch das Fehlen von Ausnahmekönner Ribéry im Rückspiel in Lyon am nächsten Dienstag lässt in München keine Zweifel daran aufkommen, dass das Endspiel am 22. Mai in Madrid erreicht wird. «Franck ist für uns ein sehr wichtiger Spieler. Aber wir haben Lyon ohne ihn permanent unter Druck gesetzt. In der Verfassung sind wir sehr schwer zu schlagen», sagte Ersatzkapitän Philipp Lahm.
Der nächste Schritt zum Triple gelang mal wieder dank Robben, der die Bayern bereits im Achtelfinale gegen die AC Florenz und in der Runde der letzten acht bei Manchester United gerettet hatte. «Es war vorauszusehen, dass das Spiel durch eine Einzelaktion entschieden wird. Und wer könnte das anderes tun als Arjen Robben», sagte Franz Beckenbauer über den Geniestreich (69.) des Niederländers, der 66000 Zuschauer in der ausverkauften Allianz-Arena verzückte.
Van Gaal und Robben zoffen und versöhnen sich
Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge hob zur «Jubel-Arje» auf den Wirbelwind an und schwärmte: «Arjen ist reich gesegnet vom lieben Gott.» Mit aussergewöhnlichem Talent, aber auch mit einem gewissen Stolz. Und der sorgte bei ihm für tief sitzendes Unverständnis, als van Gaal seinen Star in der
85. Minute vom Feld nahm, um ihn für das Bundesliga-Spiel am Samstag bei Borussia Mönchengladbach zu schonen. Robben verweigerte dem Trainer zunächst den Handschlag, van Gaal packte ihn darauf am Trikotkragen. «Ich entscheide», stellte van Gaal hernach unmissverständlich klar. Und überhaupt: Robben habe die Defensivarbeit vernachlässigt, und er müsse ja auch ausreichend Kraft haben, um in Gladbach erneut zu treffen.
Robben zeigte zunächst wenig Reue. «Ich habe meine Auswechslung nicht verstanden und verstehe sie immer noch nicht. Ich war gut im Spiel, hatte noch Kraft und das Gefühl, dass ich noch ein Tor machen kann», sagte er. Später entschuldigte er sich dann doch für seine Reaktion: «Das war sicherlich falsch.» Ähnliches hatte mancher sich auch von Ribéry nach dessen Foul an Lyon-Stürmer Lisandro Lopez erhofft, das zum Platzverweis (37.) führte und Beckenbauer als «dumm» bezeichnete. Doch Ribéry, der an diesem Abend nach der delikaten Affäre um seine Person mehr denn je im Fokus gestanden hatte, entschwand wortlos kurz vor Spielende im Auto mit Ehefrau Wahiba. Bis zu seinem Tritt auf Lopez’ Knöchel war er der auffälligste Münchner – im positiven Sinne.
Der Final in Madrid ist nun zum Greifen nah
Doch das spielte später keine Rolle mehr. Von Verständnis für die Entscheidung von Schiedsrichter Roberto Rosetti (Italien), wie sie Robben äusserte («Das sah sehr gefährlich aus»), über Kritik (Hoeness: «Da kann man nicht Rot geben, niemals!») bis Mitleid für Ribery reichten die Reaktionen der Münchner. «Wir müssen uns jetzt alle um ihn kümmern und hinter ihm stehen», sagte Rummenigge, der auf ein mildes Urteil der Uefa hofft, damit Ribéry im Falle des Endspieleinzuges in Madrid wieder spielen darf. Die Uefa sperrte Ribéry am Donnerstag für das Rückspiel, das endgültige Strafmass will sie am 28. April festlegen. «Ich denke, dass sie bei der Uefa Fernseher haben. Dann werden sie sehen, dass das Foul nicht so hart war», sagte Rummenigge. Auch Beckenbauer meinte: «Ich hoffe, dass die Uefa gnädig ist.» Denn, so Bastian Schweinsteiger, «für uns ist er enorm wichtig. Arjen macht zwar im Moment die entscheidenden Tore, aber Franck ist einer der wichtigsten Spieler. Ohne ihn wären wir nicht da, wo wir sind.»
Nun stehen die Bayern mit einem Bein im Estadio Santiago Bernabeu, wo das Finale stattfindet. «Das Ergebnis ist sehr gut. Wir sind auch in der Lage, in Lyon ein Tor zu machen und fahren hoffnungsvoll nach Lyon», sagte Rummenigge. Auch Hoeness ist «sehr zuversichtlich». Zumal Lyon, wie Beckenbauer richtig feststellte, «zu ängstlich und zu verhalten gespielt» hat. Ausserdem muss der siebenmalige französische Meister im Rückspiel auf Jeremy Toulalan verzichten, der Gelb-Rot sah (54.).
Bei all ihren Träumen vom Europacup-Triumph wollen die Bayern aber die Konzentration auf den Alltag nicht vergessen. Van Gaal nahm mit dem Blick auf das Spiel in Gladbach nicht nur Robben, sondern auch Olic und Pranjic, der nach einer Gelbsperre in Lyon fehlen wird, vorzeitig vom Platz. «Das wird wieder ein sehr wichtiges, entscheidenes Spiel», sagte er. Und Robben warnte noch: «Wir müssen jetzt einfach höllisch aufpassen.»