Die Schweizer U17-Nati macht Freude. Mit Siegen über Mexiko, Japan, Brasilien, Deutschland und Italien ist sie unter die letzten vier gestürmt. Wer aber ist der Mann, der sie dorthin gecoacht hat?
MARKUS BRÜTSCH
Es ist ziemlich viel hereingebrochen über Dany Ryser und seine Schweizer U17-Nationalmannschaft. Den ganzen Tag könnten der Trainer und die Spieler im fernen Lagos am Telefon sitzen und Interviews geben - wenn sie wollten. Der Siegeszug bei der Weltmeisterschaft in Nigeria hat den Fokus in der Schweiz schlagartig auf ein Team gelenkt, das sonst nur wenig Beachtung findet. «Wir haben unzählige Reaktionen erhalten», sagt Ryser. Er weiss, wie sehr sich auch Nationalcoach Ottmar Hitzfeld über den Erfolg freut. «Wir spüren, dass wir in der Schweiz viel ausgelöst haben.» Und noch mehr auslösen werden, sollten sie heute Nachmittag den Halbfinal gegen Kolumbien gewinnen. «Es wird schwierig, auch unser Gegner hat einen Riesenlauf», sagt Ryser, «aber ich bin zuversichtlich.»
Dieser Optimismus ist es, den Yves Debonnaire an seinem Arbeitskollegen beim Schweizerischen Fussballverband besonders schätzt. «Für ihn gibt es kein Problem, das sich nicht lösen lässt», sagt Debonnaire, der vor gut zwei Jahren Rysers Amt als Ausbildungschef des SFV übernahm, als dieser Leiter der Nachwuchsauswahlen wurde. «Jetzt erntet Ryser den Lohn dafür, dass er immer davon ausgeht, es sei alles möglich.» Und Hansruedi Hasler, der abtretende Technische Direktor, sieht sich ein weiteres Mal bestätigt, Ryser 1997 zum SFV geholt zu haben. Hasler sieht in ihm einen gewieften Taktiker und einen Trainer, der ruhig und sachlich an der Seitenlinie steht. Vergleichbar mit Markus Frei. Dieser hat 2002 die Schweizer U17 zum Europameistertitel geführt und verfolgt die Entwicklung der aktuellen U17 mit Interesse. «Über die Fachkompetenz von Ryser müssen wir nicht sprechen », sagt Frei. «Mir ist aber aufgefallen, dass er im Bereich der Führungsqualitäten enorm zugelegt hat. Er hat nicht nur einen, sondern gleich zwei oder drei Schritte vorwärtsgemacht», denkt Frei. Der dritte Rang bei der EM in Deutschland im Mai dieses Jahres habe sich positiv auf Rysers Selbstvertrauen ausgewirkt.
Es hat indes lange gedauert, bis ausserhalb des Seelandes und des Solothurnischen die Fussballschweiz Kenntnis von den Fähigkeiten dieses Ausbildners genommen hat. Dabei ist der 52-Jährige bereits seit 25 Jahren im Trainergeschäft. Zuerst als Spielertrainer bei verschiedenen Vereinen in der Region Solothurn, dann während sechs Jahren als Übungsleiter beim FC Biel. «Nach ein paar Monaten wollte ihn die Gönnervereinigung entlassen», erinnert sich Peter Renatus, der als Berichterstatter hautnah dabei war, als Ryser begann, den sportlich am Boden liegenden damaligen Zweitligisten wieder auf Vordermann zu bringen. «Zum Glück wurden die Fähigkeiten des Trainers aber rechtzeitig erkannt», sagt Renatus. Im dritten Anlauf schaffte Ryser dann mit den Bielern die Rückkehr in die 1. Liga und Renatus kramt eine Anekdote aus der Erinnerung hervor, die typisch für Dany Ryser sei. «Im alles entscheidenden Spiel um den Aufstieg gegen Muttenz stand es 2:2, als Ryser auf die Idee kam, den Spielertrainer der Bieler Fünftligamannschaft einzuwechseln. Dieser war nur wegen eines personellen Engpasses mitgenommen worden, hatte zuvor aber nie nur eine Minute in der 2. Liga gespielt. Und genau dieser Mann schoss in der Verlängerung mit dem 3:2-Siegtreffer den FC Biel zum Aufstieg.» Die Geschichte zeigt, dass Ryser nicht nur ein akribischer Arbeiter und Theoretiker ist, sondern sich auch auf Bauchgefühl und Spontaneität verlassen kann.
In Neuenburg geboren und in Grenchen aufgewachsen, hat Ryser alle Juniorenstufen im FCG durchlaufen. «Meine Spielerkarriere war nicht aussergewöhnlich, über die Nationalliga B hinaus habe ich es nicht gebracht», sagt Ryser. Beim FC Grenchen aber sind sie mächtig stolz darauf, was aus dem Trainer Ryser geworden ist. «Bessere Werbung für unseren Verein gibt es nicht», sagte Jorge Tomas, der Vorsitzende der Geschäftsleitung. Mike Brotschi, der bei den Grenchner Veteranen zusammen mit Ryser gespielt hat, kann nur Gutes berichten. «Ich selber bin kein begnadeter Spieler, aber Dany ist dennoch immer aufbauend gewesen», sagt Brotschi. Ihm imponiert, wie Ryser, der seit zwanzig Jahren in Solothurn lebt, es versteht, «das Wesentliche des Fussballs hinüberzubringen». Vermutlich hat dies viel damit zu tun, dass Ryser vor seiner Zeit beim SFV während 18 Jahren als Lehrer in Solothurn auf der Primarund Sekundarstufe unterrichtet hat. Wobei: Die Spieler erkennen in ihm nicht den Schulmeister. «Er weiss, wie er mit uns umgehen muss», meldet Oliver Buff, Aufbauer der aktuellen U17, aus Lagos. Er spürt, wer wann ein Gespräch unter vier Augen braucht.» Davide Callà, Spieler der Grasshoppers in der Super League, hat unter Ryser in der U20 gespielt und sagt: «Er ist sachlich und zielorientiert. Ich habe nie erlebt, dass er laut geworden ist.»
Nur gut, ist Ryser derzeit in Nigeria und weit weg vom Schuss. Sonst würden ihm, dem Bescheidenen, all diese Lobeshymnen noch peinlich. Immerhin sagt Debonnaire: «Es ist nicht immer einfach mit ihm. Wir sind im Fussball nicht immer der gleichen Meinung und es kann schon zu kontroversen Diskussionen kommen.» Fast scheint es, als habe Ryser nur Fussball im Kopf. Aber weit gefehlt! «Er ist sehr gebildet und an vielen anderen Dingen interessiert. Auch an der Politik », sagt Renatus. «Wichtig ist mir der Bezug zur Natur», sagt Ryser, «ich wandere in der Freizeit gerne im Jura.» Seit 20 Jahren ist Dany Ryser mit seiner Partnerin Marianne, einer Juristin, zusammen. «Ich bin oft weg und sie muss auf einiges verzichten», sagt Ryser, «aber wenn ich zu Hause bin, dann will ich mit ihr die Zeit verbringen. Ich bin keiner, der 24 Stunden nur an Fussball denkt.»
Im Moment vielleicht aber schon. Noch zwei Siege, und die Schweiz ist Weltmeister. «Das ist ein Traum», sagt Ryser. Und dann, würde der Weltmeistertrainer eine hoch dotierte Offerte aus dem Klubfussball annehmen? «Daran denke ich nicht», sagt Ryser. «Ich fühle mich wohl beim Verband, ich bin zufrieden mit meiner Arbeit. Aber im Fussball soll man nie ‹nie› sagen.»