Nach nur wenig Sekunde liegt Arnold Gjergjaj zum ersten Mal am Boden. Nach dem erschreckend schnellen K. o. stellt sich die Frage zu seiner Zukunft.
Was schreibt man über einen derart einseitigen Kampf, ohne den unterlegenen Boxer der Lächerlichkeit preiszugeben? Denn Arnold Gjergjaj bleibt auch im Angesicht seiner sportlich schwersten Stunden ein liebenswerter, ja ein grosser Athlet. Selbst wenn jetzt Spott und Häme tonnenweise über ihn hereinbrechen. Selbst wenn es 197 Zentimeter Elend waren, denen man an der Pressekonferenz nach dem Kampf begegnete. Der Baselbieter sagte mit stockender Stimme, es tue ihm leid für all jene, die wegen ihm nach London in die O2-Arena gekommen sind. Wegen all denen, die zusammen mit ihm auf einen Sieg gehofft haben. Und zum Abschied drückt er jedem Einzelnen die Hand und entschuldigt sich für seinen Auftritt. Eine mehr als rührende Geste.
Der 31-Jährige sagte zum Moment des ersten Wirkungstreffers, der bereits in der ersten Minute des Kampfes jede Taktik und alle Pläne zu Makulatur verkommen liessen und ihn zum reinen Spielball seines Gegners degradierten, es sei unglaublich schnell gegangen. «Links, rechts – ich muss es mir im Fernsehen nochmals anschauen.» Obwohl er insgesamt viermal zu Boden ging, sei es nicht sein Körper, der schmerze. «Eigentlich fühle ich mich gut, aber die Niederlage trifft mich im Innern. Ich habe bis zum ersten Niederschlag nie damit gerechnet, verlieren zu können. Aber David Haye war heute viel besser als ich.»
Haye war um Welten besser. Der Verlauf des Kampfes war einseitiger, als dass es die schlimmsten Pessimisten zu träumen wagten. Aber es ist die Realität. Auf der einen Seite ein Engländer, der zu den fünf besten Schwergewichtlern der Gegenwart zählt. Der seine Gegner bei 28 Siegen 26-mal frühzeitig ausknockte. Auf der anderen Seite das Beste, was das Schweizer Profiboxen derzeit zu bieten hat. «Fallobst», werden die englischen Medien schreiben.
Ein schwacher Trost, dass zumindest Haye seinem krass unterlegenen Gegner auf eine Weise Respekt zollte: «Ich wunderte mich, dass er nach meinem ersten Treffer überhaupt noch einmal auf die Beine gekommen ist. Viele Boxer wären da nicht mehr aufgestanden. Ich habe ihn voll erwischt.» Er selber wurde vom Gegner ein einziges Mal getroffen – ohne jegliche Wirkung. «Arnold kann viel mehr, als dass er gegen Haye zu zeigen vermochte», betonte Trainer Angelo Gallina. Den Beweis dafür nicht erbracht zu haben, schmerze besonders.
Auch wenn es für Arnold Gjergjaj der erste grosse Zahltag in seiner siebenjährigen Karriere ist, stellt sich die Frage, ob das alles noch Sinn macht. Eigentlich möchte man ihm zurufen: «Mach weiter, so darfst du nicht abtreten.» Ein weiteres Leben voller Entbehrungen und voller Leidenschaft für seinen Sport ist für die «Kobra» aus Pratteln nicht das Problem. Er kennt es nicht anders und hat nie darüber geklagt.
Die Schwierigkeit liegt eher darin, dass für das Duo Gjergjaj/Gallina Kämpfe mit Gegnern aus der erweiterten Weltspitze, die für den Baselbieter in Reichweite liegen und ihn auch weiterbringen, praktisch nicht finanzierbar sind. Gut möglich, dass letztlich finanzielle Aspekte und nicht die Leidenschaft über die sportliche Zukunft von Arnold Gjergjaj entscheiden werden.
Mitten in der schmerzlichen Enttäuschung wollten weder der Boxer noch sein Trainer spekulieren. «Es ist ein trauriger Moment, aber solche Augenblicke haben auch andere Boxer erlebt. Wir müssen aus dieser Niederlage die Konsequenzen ziehen», sagte Gallina. «Ich werde jetzt einige Tage nicht viel machen und alles in Ruhe mit meinem Umfeld diskutieren», sagte Gjergjaj. «Sicher gibt es bald Neuigkeiten.»