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Die Coronakrise ist für den Schweizer Fussball eine grosse Herausforderung. Vielleicht aber auch eine Chance?
Der Fussball steht still. Auch nach den neusten Informationen des Bundesrates ist noch offen, ob die Saison in der Super League allenfalls mit Geisterspielen beendet werden könnte oder ob die Meisterschaft gar abgebrochen werden muss. Klar ist aber: Das Coronavirus verändert den Fussball nachhaltig.
«Für den Fussball könnte der Virus eine Umkehr von seiner chronischen Überhitzung zu mehr Mass bedeuten», glaubt die deutsche Goalielegende Oliver Kahn. Und Fifa-Präsident Gianni Infantino meint: «Vielleicht können wird den Fussball reformieren, indem wir einen Schritt zurück machen.»
Platzt nun also die Fussball-Blase mit all ihren Millionen? Christoph Graf, Präsident der Swiss Football Agents Association, glaubt dies zwar nicht, aber auch er ist sich sicher:
Kurzfristig hat das Coronavirus grossen Einfluss auf die Preise im Fussball.
Alle Clubs kämpfen mit ausbleibenden Einnahmen bei Sponsoren, Tickets und Fernsehgeldern. Und da sich auch im Fussball die Preise nach der Nachfrage richten, werden die Ablösesummen sinken. Das Onlineportal Transfermarkt, das die Marktwerte von Fussballspieler einschätzt, hat alle Spieler um 10 bis 20 Prozent gesenkt. Insgesamt sind die Fussballer weltweit über 9 Milliarden Franken weniger wert.
Weniger Transfers im Sommer dürften die logische Folge sein. Das zeigte kürzlich der FC Basel, der die Kaufoption für Flügelspieler Edon Zhegrova nicht eingelöst hat, weil ihm die kolportierten 3,5 Millionen Franken zu hoch waren.
Was bedeutet diese Marktveränderung nun für den Schweizer Fussball? Bruno Berner, SRF-Experte und Trainer des SC Kriens, spricht von einer Chance:
Der Schweizer Fussball hat eine gute Möglichkeiten erfolgreich aus dieser Situation herauszukommen. Denn unsere Vereine setzen zu einem grossen Teil auf die Ausbildung des eigenen Nachwuchs. Wer mit jungen Spielern arbeiten kann, wird Vorteile haben. Aber Vereine, die es sich gewohnt sind, ständig neue Spieler zusammenzukaufen, die werden in Zukunft Mühe bekunden.
Tatsächlich dürften Schweizer Spieler länger hierzulande gehalten werden können, das spielerische Niveau der Liga könnte dadurch steigen. Graf sagt: «Wir müssen davon ausgehen, dass es eine enorm kurze Sommerpause gibt, darum dürften viele Vereine kaum Transfers tätigen.» Was sportlich eine Chance darstellen kann, ist für die Vereine finanziell aber ein Problem.
Im Schweizer Fussball backt man bekanntlich kleinere Brote als in den Topligen. Die meisten Fussballer sind weit davon entfernt, Millionäre zu sein. Und selbst die Ablösesummen bewegen sich bei den meisten Spielern unter einer Million Franken. Trotzdem sind die Transfers für die Schweizer Super-League-Vereinen wichtig. Viele Clubs haben es sich zur Strategie gemacht, sich durch Ablösesummen zu finanzieren.
Sinnbildlich dafür steht zum Beispiel der FC Luzern, der nur dank Transfers der heutigen Nationalspieler Jonas Omlin (2018, Basel, 2,3 Millionen) und Ruben Vargas (2019, Augsburg, rund 4 Millionen) in den letzten beiden Jahren schwarze Zahlen schrieb.
Selbst die Topteams Young Boys und Basel haben in den letzten Jahren viel Geld dank Spielerverkäufen eingenommen. Graf sagt darum:
Weil es weniger Transfers gibt und die Ablösen weniger hoch ausfallen, werden den Schweizer Vereinen wichtige Einnahmen fehlen.
Direkt davon betroffen ist auch der FC Thun. Präsident Markus Lüthi ist diesbezüglich aber eher optimistisch: «Ich glaube nicht, dass die Veränderung der Ablösesummen so linear ist, wie dies Transfermarkt vorrechnet. Stattdessen werden die Ablösesummen für die besten Spieler stärker sinken, bei uns könnten die Preise aber durchaus stabil bleiben.»
Eine andere Chance für den Schweizer Fussball ist die Kurzarbeit, auf die nicht alle ausländischen Ligen zurückgreifen können. Dank einer Vereinfachung des Bundesrats, wonach auch für befristete Verträge Kurzarbeit beantragt werden kann, haben 19 der 20 Profi-Clubs (Ausnahme FC Basel) davon Gebrauch gemacht. Auch dank der Kurzarbeit spricht Markus Lüthi davon, dass der FC Thun zumindest die nächsten zwei Monate überstehen werde.
Auch die anderen Vereine sind dem Konkurs noch nicht nah. Lediglich Neuchâtel Xamax und Sion gaben bekannt, dass sie die gesprochenen 50 Millionen Franken des Bundes für Sportvereine anzapfen möchten. Die anderen Clubs schrecken vor den administrativen Hürden zurück. «Wir brauchen finanziell faire Lösungen für die Zeit nach Corona», sagt Lüthi. Zudem wünscht er Planungssicherheit, um die Liquidität der Vereine sicherzustellen. So soll etwa der Abo-Verkauf frühzeitig möglich sein.
Denn grosses Transfereinnahmen wird es vorerst nicht geben. Sportlich ist dies aber vielleicht auch eine Chance.