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Zwei Tage vor dem ersten Springen der Vierschanzentournee in Oberstdorf zeigte sich ein anderer Simon Amman als noch in den Wochen zuvor. Die Weihnachtspause scheint dem vierfachen Olympiasieger gutgetan zu haben.
Zuletzt war Simon Ammann für die Journalisten unausstehlich. Nicht seine gedämpfte Laune gab zu denken, sondern das endlose Sezieren seiner Sprünge in schwer verdaulichen technischen Häppchen.
Anstatt über das «geile Gefühl» des Fliegens schwadronierte die Skisprunglegende von Rotationsbewegungen und hängenden Ski. Manch ein Zuhörer war schon froh, wenn er zumindest Bahnhof verstand. Und er dachte sich: Was 15 fehlende Weitenmeter ausmachen können.
Zwei Tage vor dem ersten Springen der Vierschanzentournee in Oberstdorf erlebten die Beobachter einen anderen Simon Ammann. Obwohl nicht davon auszugehen ist, dass der 35-Jährige am Freitag mit einem sauberen Telemark in der Nähe des Schanzenrekords
landen wird, wirkte Ammann viel gelöster und verschmitzter als im Verlauf des Winters. Der Schalk, den ihn über all seine grossen Erfolge trug, war zumindest ansatzweise zurück.
Bereits die Begrüssung hatte es in sich: «Die Ziele, die ich mir selber setze, sind für euch Journalisten nicht von Interesse», behauptete der 23-fache Weltcupsieger. Sprich: Er hat sich damit abgefunden, derzeit kleinere Brötchen zu backen. Oder in seinen Worten: «Was ich euch anbieten kann, ist nicht so spektakulär.»
Anstatt wie einst in der Blütezeit seiner Leistungen vollmundig den Tourneesieg anzukünden, redete «Simi» mangels lukrativer Alternative lieber über die Nostalgie und die Erlebnisse, die er mit dem Höhepunkt der Weltcupsaison verbindet.
Man spürt: Der Schweizer hat den Frieden mit der Vierschanzentournee gefunden, obwohl er sie nie gewonnen hat und auch nie gewinnen wird. Die acht Wettkampfsprünge innerhalb von acht Tagen brauchen zu viel Energie für einen Athletenkörper in seiner 20. Saison.
Offensichtlich hat die Weihnachtspause dem Toggenburger gutgetan. Auch wenn er selber sagt: «Wenn es keinen Schnee hat und man draussen nicht einmal böbbeln kann, dann fehlt irgendwie die Weihnachtsstimmung.»
Nun gilt der Fokus nicht mehr den Geschenken für Sohn Théodore, sondern dem Springen in Oberstdorf, das er 2008 und 2013 gewonnen hat. Bei der derzeitigen Flaute vergisst man schnell, dass Ammann insgesamt 17-mal auf einem Tournee-Podest stand und viermal auch die Gesamtwertung unter den ersten drei abschloss.
Heuer zählt er sich nur zu den «äussersten Aussenseitern». Trotzdem möchte er verblüffen. So formuliert er zumindest sein Tourneeziel. «Ich möchte eine Überraschung schaffen», sagt der 35-Jährige. Und als ob er die Kühnheit seiner Ankündigung unterstreichen wolle, fügt er an: «Es würde mich allerdings überraschen, wenn mir eine Überraschung gelingt.» Zumindest ist Simon Amman wieder spruchreif.