Die New England Patriots wirken zum Start des NFL-Playoffs so verwundbar wie lange nicht, der Quarterback Tom Brady um Jahre gealtert. Und dennoch: Es ist gefährlich, das Ende dieser Dynastie auszurufen – die Nimmersatts der NFL haben die Konkurrenz zu oft düpiert.
Die New England Patriots sind in der NFL in diesem Millennium so dominant, dass sie Standards verschieben. In Boston ist vergangene Woche de facto der Weltuntergang ausgerufen worden, weil die Patriots ihr letztes Qualifikationsspiel gegen die Miami Dolphins verloren, 24:27; die bizarre Niederlage hatte zur Folge, dass New England erstmals seit zehn Jahren durch die Zusatzschlaufe des Wildcard-Playoff muss. Es sind Sorgen, von denen andere Teams träumen: die Cleveland Browns etwa warten seit 17 Jahren auf eine Playoff-Teilnahme.
Die Dominanz der Patriots, des Titelhalters, hatte in den letzten Jahren etwas Erdrückendes; der Organisation schlägt viel Neid entgegen. Als New England im Februar zum sechsten Mal seit der Jahrtausendwende die Superbowl gewann, titelte der populäre Sport-Blog Deadspin nur: «God Fucking Dammit». Die Patriots haben sich die Missgunst selber zuzuschreiben, sie haben sich über die Jahre in mehrere Skandale geleistet. Der milliardenschwere Besitzer Robert Kraft war zuletzt in eine Menschenhandelsaffäre verwickelt, nachdem der 78-Jährige als Klient eines als Massagesalon getarnten Sexstudios in Florida erwischt wurde.
Die Patriots waren nie Meister der Herzen, aber das kümmerte sie wenig, schliesslich waren sie ja oft genug tatsächlich Champions. Die Frage ist, ob diese Ära nun gerade zu Ende geht. Gewiss, New England gewann bisher 12 von 16 Spielen, aber den Darbietungen fehlte die Brillanz von einst, gerade in der Offensive. Sie wird noch immer vom Perfektionisten und Ehrgeizling Tom Brady dirigiert. Brady hat es unter anderem mit einer eigenwilligen Diät (Avocado-Glacé ja, Erdbeeren unter keinen Umständen) über Jahre hinweg geschafft, den Alterungsprozess auszutricksen. Aber in diesem Winter wirkt Brady so alt wie er tatsächlich ist: 42, der mit Abstand älteste Profi aller Playoff-Teams. Es ist möglich, dass Brady gerade seine letzte Saison spielt – und dass der Vergleich mit den Tennessee Titans vom Samstag seine Abschiedsvorstellung darstellt. Im Sommer hatten die Patriots bereits den Rücktritt des Teamleaders Rob Gronkowski verkraften müssen. Und der Offensivkoordinator Josh McDaniels wird von mindestens drei Teams für vakante Stellen als Headcoach interviewt werden.
Es mag so wirken, als ob das Imperium von Foxboro, Massachusetts bröckle. Doch der Untergang ist diesem Team oft prophezeit worden, die New York Times schrieb schon 2005: «Die Dynastie ist zu Ende.» Eingetreten ist das nie – der ebenso smarte wie skrupellose Coach Bill Belichick hat stets einen Weg gefunden, die Konkurrenz auszubremsen. Brady bemühte 2019 den Narrativ, niemand würde seinem Team etwas zutrauen, und die Branche verdrehte Kollektiv die Augen, weil die Patriots im professionellen Sport die allerletzte Organisation sind, die Aussenseiterromantik bemühen sollten. New England schien daraus jedoch Kraft zu ziehen, Brady führte das Team zu einem weiteren Titel. Es kann niemanden überraschen, sollte sich die Geschichte ein weiteres Mal wiederholen.
Vier Teams haben sich für die erste Playoff-Runde ein Freilos erspielt: die Baltimore Ravens, San Francisco 49ers, Kansas City Chiefs und Green Bay Packers. Sie alle greifen erst in einer Woche ins Geschehen ein, die zusätzliche Pause ist ein entscheidender Vorteil auf dem Weg zur Superbowl vom 2. Februar in Miami, Florida. Die Buchmacher favorisieren die Baltimore Ravens mit dem jungen Quarterback Lamar Jackson, der Entdeckung des Jahres, deutlich. Der Titelhalter New England Patriots wird als 14:1-Aussenseiter nur als Nummer 6 geführt. Von den am Wild-Card-Wochenende engagierten Teams werden den New Orleans Saints die besten Titelchancen eingeräumt. Am spannendsten verspricht der Vergleich zwischen den von beispiellosem Verletzungspech geplagten Philadelphia Eagles und den Seattle Seahawks vom Sonntagabend zu werden. ProSieben beziehungsweise ProSieben Maxx übertragen sämtliche Playoff-Partien im Free-TV.