Ein Schweizer Sieg gegen Frankreich würde die Nati-Karriere von Vladimir Petkovic krönen – wie hat er sich verändert seit der WM 2018?
Eigentlich ist alles gesagt vor diesem EM-Achtelfinal zwischen der Schweiz und Frankreich. Da setzt Vladimir Petkovic zu seiner letzten Antwort an. Erzählt, wie er sich Vaseline auf den Kopf gestrichen hat. Plötzlich also: Rätsel und Verwirrung.
Seit Sommer 2014 ist Vladimir Petkovic nun Schweizer Nationaltrainer. Er hat die Nati in dieser Zeit dreimal an eine Endrunde geführt. Und auch dreimal den Achtelfinal erreicht. Es ist eine respektable bis gute Leistung. Was fehlt, damit in der Bilanz des Trainers «sehr gut» steht, ist dieser eine Exploit in einem EM-, oder WM-Achtelfinal.
2016 und 2018 waren die Aussichten gut. Polen und Schweden hiessen die Gegner. Die Verlockung, den ersehnten Schritt in den ersten Viertelfinal seit 1954 zu schaffen, war gross. 2016 sagte Valon Behrami: «Wenn man gegen Polen ausscheidet, wäre das hart zu akzeptieren.» 2018 meldete Blerim Dzemaili vor dem Schweden-Duell: «Wenn nicht jetzt, wann dann?» Beide Spiele endeten mit riesigen Enttäuschungen. Auch für Petkovic.
Wer das Wirken des Trainers in den vergangenen sieben Jahren betrachtet, der sieht: Petkovic hat das Nationalteam weiterentwickelt. Er hat ihm einen attraktiven Stil verpasst. Die Schweiz spielt einen Fussball, der an einem rauschenden Abend begeistern kann. Auch in grossen Spielen. Wie beispielsweise gegen Portugal 2016 in der WM-Qualifikation (2:0) oder gegen Belgien 2018 in der Nations League (5:2).
An diesen Auftritten müssen sich die Spieler orientieren, wenn sie heute Frankreich fordern. Auch die Unentschieden gegen Deutschland und Spanien im letzten Jahr dürfen als Musterbeispiele herhalten. Die Frage ist nur, ob den Schweizern solch eine Leistung eben auch einmal im entscheidenden Moment auf der grössten Bühne gelingt. Oder ob dann eben doch wieder der nächste Rückschlag kommt wie gegen Italien (0:3) an dieser EM.
Petkovic ist darum besonders gefordert in diesen Tagen. Gegen Frankreich hat er die Chance seines Lebens, die Schweiz zu einem grossen Triumph zu führen. «Ein Schritt zurück – und dann zwei vorwärts», so beschreibt er sein Traum-Szenario mit Blick auf die Niederlage gegen Italien, welche die Nati ziemlich kräftig durchgewirbelt hat.
Wie er mit der Kritik danach umgegangen sei, wird Petkovic noch gefragt. Ehe er zum eingangs erwähnten Sprachbild ansetzt: Vaseline auf den Kopf. Und damit perlt jede Kritik wie Wasser ab. Seine Botschaft: Alles gut. Alles kein Problem. Es ist eine Haltung gegen aussen, die Petkovic immer vermittelt, wenn er mit Kritik konfrontiert ist. Von Vaseline sprach er schon im März 2017. Ein anderes Mal sagte er, negative Töne einfach wegzuwischen wie einen Schmetterling, der auf seinen Schultern sitzt. Oder dann ist es ein Rucksack voller Steine, den er einfach ablegt.
Der Auftritt seiner Spieler gegen die Türkei (3:1) war für Petkovic das Zeichen: Ja, meine Mannschaft ist intakt. Wir sind bereit für eine aussergewöhnliche Leistung. Nun muss das nicht bedeuten, dass in diesem Fall ein Sieg gegen Frankreich zwingend ist. Weil es eben auch auf den Gegner an kommt. «Wir wissen, dass wir über unsere Grenzen gehen müssen. Und gleichzeitig Frankreich nicht den besten Tag erwischen darf», sagt Petkovic.
Dass sich die Schweiz noch einmal einen derart miserablen Abend leistet wie gegen Italien, das ist schwer vorstellbar. Dass die Ausgangslage vielleicht sogar besser ist als in den letzten Achtelfinals, davon darf ebenfalls ausgegangen sein. Captain Granit Xhaka hat seinen Trainer in den letzten Tagen ganz gelassen erlebt – voller Vaseline eben. Anders als 2018? Xhaka sagt: «In Russland, da konnten wir uns kaum auf den Fussball konzentrieren. Diesmal macht er mir einen guten und ruhigen Eindruck.» In Russland, da absorbierte die Geschichte um den Doppeladler sehr viel Energie im Team. Zu viel.
Jetzt erinnert einiges an die WM 2014, das erste grosse Turnier der Generation um Xhaka, Shaqiri, Rodriguez und Seferovic, die einst gemeinsam U17-Weltmeister wurden. Argentinien hiess der Gegner vor sieben Jahren, wie Frankreich auch ein Vertreter der internationalen Spitzenklasse. Die Schweiz zeigte im Achtelfinal beim letzten Spiel unter Ottmar Hitzfeld eine starke Partie, voller Leidenschaft. Am Ende blieb in der Niederlage immerhin der Stolz.
Und heute?