Bei der Premiere des Grossen Preis von Saudi-Arabien kochten die Emotionen im Kampf um den WM-Titel erstmals diese Saison über. Zu reden gaben nach dem Rennen vor allem Verstappens Fahrmanöver gegenüber dem siebenfachen Weltmeister.
Mercedes-Teamchef Toto Wolff war ausser sich. Er tobte, schrie, nahm sein Headset und warf es auf den Boden. Sein Pilot Lewis Hamilton fluchte via Funk über Titelrivalen Max Verstappen. Als Erster und Zweiter rasten Verstappen und Hamilton zur Linkskurve, als der Holländer zu hart auf die Bremsen stieg und den Briten auffahren liess. In der gleichen Runde kollidierten die beiden Piloten zuvor fast, als der Red-Bull-Pilot bei einem Überholmanöver von Hamilton von der Strecke fuhr. «Der Typ ist verrückt!», schrie der Brite ins Helmmikrofon. In Runde 37 des Grossen Preis von Saudi-Arabien erreichte der Kampf um die Weltmeisterschaft in der Formel 1 seine Klimax.
Could Lap 37 in Jeddah be one of the defining moments of the season? 🤯#SaudiArabianGP 🇸🇦 #F1 pic.twitter.com/vfrLzUVJW9
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Fünf Runden später folgte Verstappen der Order von der Box, die er bereits vor dem sogenannten «Brake Testing» in Runde 37 zu hören bekam und liess Hamilton passieren. In dieser Formation beendeten beide ein emotional aufreibendes Rennen, welches kaum mehr Spannung für das Saisonfinale in Abu Dhabi kommendes Wochenende versprechen könnte. An der sonst ausgelassen gefeierten Siegerehrung liessen es beide ruhig angehen. Der Holländer verschwand umgehend mit seiner Flasche Champagner, auch Hamilton keine Feierlaune. Einen Handshake zwischen beiden gab es an diesem Abend nicht.
Der Beginn des Rennens versprach in Dschidda keine Spannung. Der von der Pole Position aus startende Hamilton hielt den zweitplatzierten Verstappen auf Distanz. Ab Runde zehn nahm die Dramatik seinen Lauf, als Mick Schuhmacher in die Sicherheitsmauer krachte und eine Spirale des Chaos auslöste. Der Aufprall in die Mauer war derart wuchtig, dass diese beschädigt und das Rennen neu gestartet wurde. Zuvor hatte Mercedes während der Safety-Car-Phase beide Piloten in die Box geholt, Verstappen bliebt draussen. Nach dem Restart überholte der Brite Verstappen aber sofort.
Hinten crashte derweil Verstappens Teamkollege Sergio Perez mit George Russell und Nikita Mazepin. Wieder kam es zum Neustart. Diesmal war es aber Verstappen, der Hamilton überholte. Danach behauptete der Holländer die Führung, bis zu jener verhängnisvollen Runde. Für das erste Vergehen beim Überholversuch von Hamilton erhielt der Red-Bull-Pilot bereits während des Rennens eine 5-Sekunden-Strafe, für das «Brake Testing» und den Kontakt nach dem Rennen eine 10-Sekunden-Strafe, die beide keinen Einfluss auf das Schlussresultat hatten.
The big talking point from Jeddah 😱#SaudiArabianGP 🇸🇦 #F1 pic.twitter.com/bkWWqlcbyO
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Danach sprach sich Verstappen genervt über das Management der Strafen in der «Königsklasse des Motorsports» aus. «Für mich ist das nicht die Formel 1. Es ist heute nur um Strafen und nicht ums Racing gegangen», sagte der Holländer vor den Medien, «es ist unglaublich, was heute passiert ist.» Anders sah das Hamilton: «Ich fahre schon recht lange, aber das war unglaublich hart», betonte Hamilton. «Wir sollten unser Racing zwischen den weissen Linien austragen», sagte der siebenfache Weltmeister. Zur Szene des Tages meinte er: «Ich habe nicht verstanden, warum er plötzlich so hart auf die Bremse gestiegen ist. Ich habe versucht, so hart und vernünftig wie möglich zu sein, mit all meiner Erfahrung.»
Red-Bull-Motorsportberater Helmut Marko warf den Stewards hingegen Benachteiligung vor. «Man kann nicht mit zweierlei Massstäben messen. Wenn sich ein siebenfacher Weltmeister verschätzt, kann das passieren, aber nicht zu unseren Lasten», meinte der Österreicher und sah den Fehler klar beim Briten.
Am kommenden Wochenende steigt in Abu Dhabi (Sonntag, 14:00 Uhr) der Final der Formel-1-Saison. Punktegleich liegen beide Rivalen an der Spitze des Rankings, Verstappen hat aufgrund der höheren Anzahl Siege (9:8) die Nase noch vorne. Sollten beide das Rennen nicht beenden, ist somit der Holländer zum ersten Mal Weltmeister. An einen Crash glaubt Mercedes-Teamchef Toto Wolff aber nicht: «Das waren heute so viele Warnschüsse für alle Beteiligten, dass es sauber abgehen wird und sauber abgehen muss. Es kann sich niemand leisten, mit einem Ergebnis dazustehen, das nicht auf der Strecke ausgefahren worden ist.»