Urs Lehmann fordert für den Sport: Volle Konzentration auf das nackte Überleben

Der Präsident von Swiss-Ski warnt bei einer Podiumsdiskussion davor, in der Krise den Fokus zu verlieren und neue Dinge zu entwickeln.

Rainer Sommerhalder
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Nach den Streitigkeiten um die Finanzierung des Lauberhornrennens zeigen sich Swiss-Ski-Präsident Urs Lehmann (rechts) und OK-Chef Urs Näpflin jüngst wieder als harmonisierendes Duo.

Nach den Streitigkeiten um die Finanzierung des Lauberhornrennens zeigen sich Swiss-Ski-Präsident Urs Lehmann (rechts) und OK-Chef Urs Näpflin jüngst wieder als harmonisierendes Duo.

Keystone

«In den nächsten zwei Jahren geht es im Sport ums Überleben. Wir laufen in eine Riesenwand hinein, wenn wir nun damit beginnen, über grundsätzliche Themen oder Entwicklungen zu sprechen, die nichts mit Covid zu tun haben», sagt Urs Lehmann. Der Präsident von Swiss Ski und CEO von Heilmittelhersteller Similasan zeigte sich anlässlich des Sport Forum Schweiz überrascht über die vielen Stimmen im Sport, die jetzt vor allem über Chancen und Projekte reden.

Das sei blauäugig. Gefragt seien Krisenmanager, die sich auf die relevanten Dinge fokussieren und das andere weglassen. «Wir müssen alles dafür tun, um Spiele und Wettkämpfe durchzuführen und unsere Rechnungen zahlen zu können.»

Das heisst nicht, dass die mittelfristige Zukunft bei Swiss Ski kein Thema ist. Der Schweizer Skiverband will sich laut einem internen Strategiepapier in den kommenden zehn Jahren auch als Veranstalter von Grossevents positionieren.

Neben der Biathlon-WM 2025, für welche man am Samstag den Zuschlag erhielt, sollen bis ins Jahr 2031 drei weitere Weltmeisterschaften in der Schweiz stattfinden. Die Alpinen setzen 2027 auf Crans-Montana, auch die Weltelite der Freestyler will man begrüssen und – ein historischer Plan – 2031 möchte man erstmals überhaupt eine Weltmeisterschaft der Nordischen durchführen.

Region leidet stark unter Skirennen ohne Zuschauer

Beim Podium am Sport Forum ging es um die Frage, welche Konsequenzen Skisport ohne Zuschauer hat. Lehmann spricht von drei Ebenen. Die Folgen für den Verband seien dank mehrjährigen Verträgen verhältnismässig klein, für den Veranstalter seien sie grösser, aber dank den Geldern der staatlichen Stabilisierungspakete überschaubar. «Dramatisch sind die Einbrüche für die Wertschöpfung in den einzelnen Regionen wie etwa in Wengen.»

Diese Einschätzung teilt Urs Näpflin, der OK-Chef des Lauberhornrennens. Bei den vielen Zulieferern, bei den Kurtaxen sowie bei Hotels und Restaurants gehen die Einnahmen ohne Publikum auf Null zurück. Nicht gleicher Meinung ist Näpflin mit Jürg Capol, dem Marketingchef des internationalen Skiverbands FIS. Dieser rechnete vor, dass sich für die Rennorganisatoren die fehlenden Zuschauereinnahmen mit den wegfallenden Infrastrukturkosten praktisch die Waage halten.

Kein Einblick ins Lauberhornrennen für Touristen

Dies sei bei weitem nicht so, sagte Näpflin. «Eine grosse Schwierigkeit ist, dass wir keine Konzepte aus irgendeiner Schublade nehmen können, sondern alles von Grund auf neu konzipieren müssen.» Er wies darauf hin, dass die Rennstrecke am Lauberhorn in diesem Winter vollständig abgeschirmt werde, damit aus den Tagestouristen auf den Pisten doch keine heimlichen Zuschauer würden. So werden während des Weltcups in Wengen die normalen Tourismusströme ausschliesslich über Grindelwald ins Skigebiet befördert.

Umso wichtiger ist, dass bei fehlendem Publikum vor Ort die Fernsehbilder packende Emotionen liefern. Sölden war gemäss Capol ein sehr gutes Beispiel. So verfolgten im ORF rund 25 Prozent mehr Zuschauer den Saisonauftakt als im Vorjahr.

Auch Lehmann sieht die TV-Übertragungen als entscheidend für das Überleben. Deshalb habe man auch die Covid-Schutzmassnahmen so konzipiert, dass bei einem positiven Fall nicht eine ganze Mannschaft in Quarantäne muss. «Wenn es bei den Absagen wie momentan im Fussball oder Eishockey laufen würde, dann wäre das eine Katastrophe», sagt der Swiss-Ski-Präsident.

Umgekehrt ist der Aargauer überzeugt, dass «wir in der Schweiz derzeit mit der staatlichen Unterstützung privilegiert sind». Die Wertschätzung gegenüber dem Sport sei während der Krise gestiegen. «Und der Stellenwert des Sports wird nach Corona grösser sein.»