Xherdan Shaqiri wechselt für drei Jahre zu Olympique Lyon. Es ist ein Wechsel, der von der Reife des ewigen Lausbuben zeugt.
Es ist November 2017, als Xherdan Shaqiri in einem Kaffee in einem Vorort Manchesters sitzt. Shaqiri ist in der Schweiz ein Weltstar, in der restlichen Welt aber einfach ein Fussballer von Stoke City. 26 Jahre ist er damals alt. Er, der scheint, als wäre er ewig jugendlich, lausbübisch, unbeschwert.
Aber Shaqiri spricht in diesem Moment Sätze, welche von Reife zeugen. Einer Reife, die er sich fernab vom Scheinwerferlicht eines Welt-Klubs geholt hat, beim englischen Mittelfeldklub Stoke. Zwar träumt er damals davon, dereinst wieder Champions League zu spielen, weil er findet, dass er auf diese Bühne gehöre. Aber Shaqiri sagt eben auch:
«Es wäre nicht gut, wenn ich noch immer so wäre wie vor fünf Jahren. Jeder entwickelt sich weiter. Man wird zu einem Mann. Als Mensch, aber auch als Fussballer.»
Und er gibt zu: Ganz so unbeschwert ist er nicht mehr. Dennoch folgen der Wechsel zu Liverpool, sein zweiter Champions-League-Triumph, eine starke EM in diesem Sommer. Danach aber eben auch: eine weitere, gewisse Erdung. Das Einsehen: ganz durchsetzen werde ich mich nicht mehr bei Liverpool, einem der grössten Vereine der Welt.
Man ist geneigt zu sagen: Schon wieder nicht, nachdem es auch bei Bayern auf Dauer nicht ganz klappte. 63 Spiele macht Shaqiri für Liverpool, seine erste Saison ist die beste, danach folgen Schwierigkeiten, Verletzungen. Das letzte Mal läuft er am 16. Mai für die Reds auf, zuletzt fehlt er stets im Aufgebot.
Seit Sonntagabend ist klar: Shaqiri verlässt Liverpool, er wechselt in die Ligue 1 zu Olympique Lyon. Der Spieler und der Verein sind sich seit zwei Wochen einig, so ist es zu vernehmen, einzig an der Ablösesumme haperte es. Lyon bot erst 4 Millionen Pfund, was Liverpool als «lächerlich» abtat. Beim zweiten Angebot fand man sich.
Nur werden die kolportierten elf Millionen nicht auf einen Schlag bezahlt. Wie «L’Equipe» schreibt, überweist Lyon erst 6 Millionen Euro, weitere zirka 5 Millionen Euro sollen fliessen, wenn gewisse Ziele erreicht werden. Welche das sind, ist nicht bekannt.
Unabhängig von der in Anbetracht der Aufschlüsselung tiefen Ablösesumme ist der Wechsel Shaqiris eine gute Entscheidung. Es ist zwar ein Schritt zurück – von der Premier League in die Ligue 1 – aber es ist ein Schritt in die richtige Richtung.
Er zeugt davon, dass Shaqiri gemerkt hat, was er mehr braucht, als bei einem der grössten Klubs der Welt angestellt zu sein: Einsatzminuten, Erfolgsmomente, Vertrauen. All das wird er in Lyon wohl kriegen, wo er der Wunschspieler von Trainer Peter Bosz und Sportdirektor Juninho ist.
Shaqiri soll den zu Barcelona gewechselten Memphis Depay ersetzen. Und vielleicht hofft Shaqiri dabei auch ein bisschen darauf, dass es ihm bei Lyon ähnlich ergeht wie Depay. Dieser suchte ebenfalls einst in der Premier League sein Glück, fand es bei Manchester United nie und erlebte nun bei Lyon einen zweiten Frühling.
Zwar war Depay damals 23, als er zum früheren französischen Serienmeister ging. Shaqiri hingegen wird am 10. Oktober 30 Jahre alt und wird danach kaum einen weiteren Transfer zu einem Top-Klub anstreben. Der ewige Lausbube biegt in die zweite Hälfte der Karriere ein. Er setzt diese in einem Klub fort, der zwar eine hohe Fluktuation im Kader hat, daneben aber für Kontinuität steht. Jean-Michel Aulas ist seit 1987 Besitzer des Vereins und steht für seine Beständigkeit. Etwas, was zu Shaqiri passt, der einst in diesem Kaffee in Manchesters Vorort über sich sagte:
«Ich habe gerne Strukturen, mag es, wenn alles funktioniert.»
In Lyon könnte Shaqiri also den perfekten Nährboden für ein letztes, grosses Abenteuer gefunden haben. Nahe an der Schweizer Grenze und damit wieder näher bei seiner Familie, die ihm alles bedeutet. In Lyon wird Shaqiri fortan zwar bei einem kleineren Klub spielen, als es sein Selbstverständnis lange als passend zu seinem Können erachtete.
Aber bei den kleineren Vereinen ist Shaqiri der grosse Star. Eine Rolle, die ihm behagt. Es ist ein Wechsel, der vier Jahre nach dem Treffen zeigt: Xherdan Shaqiri hat sich wirklich entwickelt, wie er es damals gesagt hat. Weiter, als er derzeit vielleicht selbst dachte.