Dario Colognas Chancen auf eine Olympiamedaille schwinden. Doch seine Zuversicht ist weiterhin da. Zu Recht?
Dario Cologna, der beste Schweizer Langläufer, seit es Langlauf gibt, ist vor zwei Tagen im klassischen Rennen in der Lenzerheide über 15 km auf den zwanzigsten Rang gelaufen. Es war sein 47. Weltcup-Rennen in der Schweiz und gleichzeitig das letzte.
Das erste hatte er im Februar 2007 als Nachwuchshoffnung in Davos auf dem 52. Platz beendet. Hunderte Rennen, etliche Weltcup-Siege, vier Olympia-Goldmedaillen und Tour-de-Ski-Siege später steckt der 35-Jährige nun also in seiner Abschiedssaison. Und ein bisschen in der Krise. Doch auch nach dem zwanzigsten Rang lässt er sich nicht davon abbringen: Die fünfte Olympiamedaille in Peking ist das Ziel.
Ist das nur mehr Wunschdenken? Die Zeit drängt, in fünf Wochen beginnen die Spiele. Und auch wenn am vergangenen Mittwoch ein Stockbruch eine bessere Klassierung verhinderte: Die erhoffte, deutliche Steigerung, mit der er Kurs auf die Olympischen Spiele nehmen will, war das nicht; man kann es drehen und wenden, wie man will. «Ein grosser Schritt war das nicht, das ist richtig», sagte Cologna nach dem Rennen.
«Ein kleiner war es vielleicht ja doch.»
Er merke, dass nicht viel fehle. Dass an einem guten Tag ohne Pannen viel mehr drinliege. Cologna, der Träumer? Cologna, der Optimist? Oder bald schon: Cologna, der Held?
Cologna hat schon mehrmals Unmögliches möglich gemacht. Er kam aus einer Verletzung, als er in Sotschi 2014 Doppelolympiasieger wurde. Und holte nach schwachem Saisonstart 2018 in Pyeongchang abermals Gold. Doch stimmten damals spätestens Anfang Jahr die Resultate. Oft war die Tour de Ski in anderen Jahren ein Gradmesser für Colognas Olympia- oder WM-Form.
In diesem Jahr wäre dies kein gutes Omen: Im Tour-Klassement liegt er nach den beiden Rennen in der Lenzerheide auf Platz 21 – in jenem Etappenrennen, das ihm so lag, das er elfmal beendete, zehnmal davon in den Top Ten, viermal zuoberst. Immerhin haben Cologna und seine Trainer schon vor Tagen erklärt: Das Gesamtklassement steht diesmal nicht im Fokus. Der Langlauf-Routinier setzt Gewicht auf einzelne Rennen, in denen er Schritte nach vorne machen will.
Einen solchen Schritt nach vorne hat er in Oberstdorf am Silvestertag immerhin gemacht: In der dritten Tour-de-Ski-Etappe in Oberstdorf lief er im Massenstartrennen auf den 15. Rang. Es ist sein bei weitem bestes Resultat der Saison.
Unversucht liess der Bündner in den letzten Wochen des zu Ende gehenden Jahres aber dennoch nichts, um dem Ziel näherzukommen. Nach dem Saisonstart in Finnland Ende November zog es ihn früh zurück nach Davos, wo er einerseits seine Knieverletzung aus einem Rollskitraining ganz verheilen lassen, sich aber auch intensiv auf das Heimrennen vorbereiten wollte. Vielleicht waren jene Trainingseinheiten zu intensiv, fand er, als ihm in Davos wie in Ruka lediglich ein 24. Rang gelang. Zuletzt dosierte er die Trainings wieder. Er ist auf der Suche, wie oft in seiner Karriere.
Strohhalm auf der Suche nach Colognas fünftem Olympia-Edelmetall ist die Staffel. Das Schweizer Team war in den vergangenen Jahren immer wieder nahe an Exploits. Zwischen dem vierten Platz 2017 an der WM in Lahti und dem fünften 2021 in Oberstdorf lagen Erfolge im Weltcup, unter anderem ein zweiter Platz in Lahti. Hinsichtlich Olympia rückte deshalb diese Viererstaffel in den Fokus, wurde von Swiss-Ski zum eigentlichen Projekt erklärt.
Die Form der Distanzläufer scheint in diesem Jahr aber weniger für ein erfolgreiches Projekt zu sprechen. Jonas Baumann und Roman Furger zeigen zwar aufsteigende Tendenzen, die Nummer vier im Team ist aber schwieriger zu finden: Candide Pralong, Jason Rüesch, Beda Klee, Cyril Fähndrich? «Wir wissen, woher wir kommen und wohin wir wollen mit dem Team der Distanzläufer», sagt Langlaufchef Hitsch Flury. Dass die Erwartungen grösser waren, kann aber auch er nicht wegwischen. Immerhin: Die Sprinter um Valerio Grond blühen gerade auf.
Bleibt eine andere Hoffnung in Peking für Cologna: der 50-km-Lauf in der Skatingtechnik. Einerseits gibt der Termin zeitlich etwas Luft, das Rennen findet erst am Ende der Spiele statt. Anderseits spricht Trainer Kein Einaste davon, dass Cologna zugelegt habe, wenn es um hohe Intensitäten über lange Distanzen geht. Im Weltcup wird er diese Fähigkeit bis zu den Spielen nicht testen können: Die beiden Weltcup-50er finden erst im März statt, in Oslo und im russischen Tyumen.
Und dennoch: Der Strohhalm ist da. Gäbe es Colognas Ziel nicht, wäre seine letzte Saison definitiv weit farbloser. Statt durch die letzte Saison zu dümpeln, lässt er sich lieber an einem Ziel messen. Das spricht für ihn.
31. Dezember 2021, 3. Etappe in Oberstdorf:
Massenstartrennen Skating.
12.55, Männer, 15 km
15.25, Frauen, 10 km