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Extreme Hitze wird Athleten und Besuchern im nächsten Jahr bei den Olympischen Spielen in Tokio zu schaffen machen. Japans Top-Mediziner verstehen nicht, wieso der Event zur Sommer-Zeit in Tokio stattfinden kann.
Der Test mit der Schneekanone ging schon mal gründlich daneben. Statt weicher Flocken flogen Eissplitter auf die Besucher an der Kanu-Strecke nieder. Der missglückte Einsatz von künstlichem Schnee beim Testevent am Sea Forest Waterway zählt zu den vielen Massnahmen, mit denen die Olympia-Macher von Tokio 2020 den grössten Feind ihrer Spiele besiegen wollen: die immens grosse Hitze.
«Wir versuchen alles, um die Hitzerisiken zu minimieren», erklärte Taka Okamura von Tokio 2020. Wassersprüher kamen schon zum Einsatz, klimatisierte Zelte wurden aufgestellt, Faltfächer und Handtücher wurden an Testpersonen verteilt, aber so richtig überzeugen konnte im Hightech-Land Japan bislang nichts.
Im Gegenteil. Führende Mediziner des Landes verstehen bis heute nicht, warum die Spiele für die Zeit vom 24. Juli bis 9. August 2020 an Tokio vergeben worden sind. «Meine Meinung ist, dass Sportveranstaltungen in einer angenehmen Umgebung stattfinden müssen», sagte Kimiyuki Nagashima, Vorstandsmitglied des japanischen Mediziner-Verbandes.
Der heisse Sommer in Tokio sei aber, so Nagashima weiter, «nicht für Outdoor-Sportarten geeignet, auch nicht für deren Zuschauer», betonte der Orthopäde. Vor allem die Gefahr eines Hitzschlags sei in der Zeit von Olympia besonders gross, erklärte der Mediziner.
In der Ausschreibung für die Vergabe der Olympischen Spiele habe zwar gestanden, dass Tokio während der Wettkämpfe «ein ideales Klima für Sportler anbietet», davon könne aber nicht die Rede sein. Bei Olympia würden viele Wettkämpfe bei Bedingungen stattfinden, die nach dem international anerkannten WBGT-Index zur Messung von Hitze und Luftfeuchtigkeit als «gefährlich» eingestuft werden, so Nagashima. Kein Wunder, dass beispielsweise die Marathonrennen um 6 Uhr morgens beginnen.
Offenbar will man auch nicht aus der Vergangenheit lernen. Die ersten Olympischen Spiele 1964 in Tokio wurden damals wegen der Hitze extra in den Oktober verlegt. Dennoch war die Hitze vor 55 Jahren immer noch das grösste Negativ-Thema, während die Spiele ansonsten viel Lob einheimsten.
Nagashima erklärte, dass er die Organisatoren aufgefordert habe, «voll und ganz darauf zu achten», dass während der Wettbewerbe die auftretenden Notfälle die Ressourcen an medizinischem Personal erheblich belasten würden. Auch müssten die Besucher selbst Schritte gegen die Hitze unternehmen. «Es ist wichtig, dass man viel trinkt, seine Wasserflasche immer dabei hat», mahnte der Mediziner. Ausserdem sollte man die Sonne meiden, sich im Schatten aufhalten und leichte Kleidung tragen.
Wie gross Tokios Einsatz im Kampf gegen die Hitze ist, brachte Sebastian Coe auf den Punkt. Der zweimalige Olympiasieger und heutige Präsident des Internationalen Leichtathletik Verbandes (IAAF) machte vor dem Start der ersten Wüsten-WM der Leichtathleten Ende des Monats eine bemerkenswerte Beobachtung. «In Tokio», sagte Sebastian Coe, «werden die Bemühungen im Kampf gegen die Hitze grösser sein als in Doha.»