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Nach dem Aus in der ersten Runde der French Open in Paris, rutscht Stan Wawrinka aus den Top 250 der Weltrangliste. Die Folge ist, dass er an Turnieren ab in sechs Wochen nicht mehr im Hauptfeld steht. Nun braucht der Lausanner dringend Siege.
Es war ja eigentlich schon länger klar, dass der Sommer für Stan Wawrinka zur Zäsur werden würde. Darum, weil er sich im letzten Sommer zwei Mal wegen eines Knorpelschadens am linken Knie hat operieren lassen und danach ein halbes Jahr pausieren musste. Aber auch darum, weil er den Anschluss an die Spitze seither noch nicht geschafft hat.
Dem 2:6, 6:3, 6:4, 6:7, 4:6 in 3:30 Stunden gegen den Spanier Guillermo Garcia-Lopez (34, ATP 67), gegen den er vor vier Jahren ebenfalls in Paris in der Startrunde verloren hatte, gewann er dennoch Positives ab. Er habe keine Schmerzen mehr und dass er sich im ersten Satz habe behandeln lassen, sei eine Vorsichtsmassnahme gewesen.
Es war nicht so, dass nichts Gutes zu erkennen gewesen wäre, das nicht. Ab und an entzückte er mit der Rückhand. Nie liess er den Kopf hängen. Und vor allem hatte er Spass. Nachdem er einen Breakball spektakulär abgewehrt hatte, animierte er das Publikum auf dem Court Suzanne Lenglen.
Erst einmal, dann ein zweites Mal, dann huschte ein Lächeln über das Gesicht. Er hätte das Spiel eigentlich in vier Sätzen gewinnen können. Er mag noch längst nicht wieder der Spieler sein, der er einmal war, aber er ist auf dem Weg dorthin. «Ich wusste von Anfang an, dass ich ein Jahr brauchen würde, um wieder mein Niveau zu erreichen», sagt der 33-Jährige.
Stan Wawrinka ist unerschütterlich. Doch, das sagt er selber, das Ranking – es lügt nicht. Ab dem 11. Juni muss weit zurückblättern, wer seinen Namen in der Weltrangliste finden will. Bis in die Region um Platz 250. Bis dorthin rutscht Wawrinka ab, nachdem ihm die 1200 Punkte, die er als Vorjahresfinalist in Paris zu verteidigen hatte, aus der Wertung fallen.
Es kümmert ihn nicht. Wie egal ihm die Debatte ist, wurde erst klar, als er nach dem Ausscheiden danach gefragt wurde, ob und wie lange er sich noch auf ein geschütztes Ranking verlassen könne.
Das sogenannte Protected Ranking ermöglicht Spielern, die wegen Verletzungen während mindestens sechs Monaten pausieren mussten, bei maximal neun Turnieren oder innerhalb von neun Monaten nach der Rückkehr Aufnahme im Hauptfeld eines Turniers zu finden.
Die Voraussetzung? Der Spieler muss innerhalb von sechs Monaten nach der Verletzung einen schriftlichen Antrag stellen. Und obwohl Wawrinka wusste, dass er nach seinen zwei Eingriffen am Knie mindestens sechs Monate pausieren musste, unterliess er es, den Antrag zu stellen.
«Ganz ehrlich? Ich weiss gar nicht, wie die Regel funktioniert. Sie ist mir egal», sagte Wawrinka. Weil für die Meldungen jeweils die Weltrangliste sechs Wochen vor dem Turnier massgebend ist, steht Wawrinka in Queen’s, Wimbledon, Bastad und Gstaad noch im Hauptfeld, danach ist die Schonfrist abgelaufen.
Dass er keinen Antrag auf ein geschütztes Ranking gestellt hat, ist ein Fehler, der ihn teuer zu stehen kommt. So muss er bei den US Open wohl eine Wildcard beantragen. Sicher, ein dreifacher Grand-Slam-Sieger hat gute Karten, und doch setzt er sich mit dem Versäumnis unnötig unter Druck.
Wawrinka sagt dazu, er sei zu sehr mit anderen Fragen beschäftigt gewesen. In seiner Situation sei alles, was er tue, mental sehr erschöpfend. Darum liess er sich auch bei der Trainerfrage viel Zeit. Immerhin zeichnet sich hier eine Lösung ab: Man sei sich einig, dass es weitergehe, sagte Wawrinka über die Personalie Magnus Norman.
Mit ihm hatte er bis im letzten Herbst während viereinhalb Jahren sehr erfolgreich zusammengearbeitet, ehe der Schwede der Familie Priorität einräumte. Wie oft er Wawrinka, den er als Freund sieht, begleiten wird, lässt er offen. Sicher ist, dass der Walliser Yannick Fattebert die Rolle des Haupttrainers bekleiden soll.
Stan Wawrinka sorgt damit in seinem nahen Umfeld für Stabilität und klare Verhältnisse. Es sind die Grundpfeiler für die Rückkehr an die Weltspitze. Der Weg bleibt aber lang. «Das muss ich akzeptieren und positiv bleiben. Klar, es ist hart und es gibt viel Negatives: Ich rutsche ab und ich bin hier in Roland Garros ausgeschieden.»
Er habe Fehler gemacht. Vielleicht habe er sich von den zwei Siegen in Australien blenden lassen. Dass er es versäumt hatte, sich um ein geschütztes Ranking zu bemühen, zählt er nicht dazu. Wer seinen Weg so gelassen sieht wie er, kann sich das erlauben. Die Frage, was er jetzt brauche, quittierte er so lapidar wie humorvoll: «Siege.» Notfalls auch bei Challenger-Turnieren.