Tennis
Mardy Fish und sein Kampf gegen die Depression

Der Amerikaner Mardy Fish verabschiedet sich nach Depressionen von der internationalen Bühne.

Petra Philippsen, New York
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KEYSTONE

Als Mardy Fish zum letzten Mal am US Open spielte, verliess er Flushing Meadows mit Tränen und nackter Angst – er hatte Panikattacken. Der Amerikaner hätte abends eigentlich im Achtelfinal gegen Roger Federer spielen sollen. Es wäre ein wichtiger Höhepunkt in Fishs Karriere gewesen, in der nach mehr Tiefen als Höhen nun endlich alles zusammenpassen zu schien. Doch Federer wartete vergeblich auf seinen Gegner. Denn auf dem Weg zur Anlage hatte Fish Panikattacken, war von Heulkrämpfen geschüttelt und konnte sich erst beruhigen, als seine Frau ihm minutenlang versicherte: «Du musst nicht spielen.»

Auf dem Heimflug nach Los Angeles hatte Fish die nächste Panikattacke, das Flugzeug musste vor dem Start wieder umkehren. Drei Jahre ist dieser Albtraum inzwischen her, doch Fish durchlebt ihn bis heute Tag für Tag. Die Angst ist geblieben. Es sei ein täglicher Kampf, sagt Fish. Er nimmt weiterhin Medikamente, ist in psychiatrischer Behandlung. «Diese Krankheit hat mir meinen Job genommen», sagt Fish, «aber es geht mir besser und jetzt mache ich nach drei Jahren meinen Job wieder.» Zumindest für ein letztes Hurra hatte der inzwischen 33-Jährige aus Edina in Minnesota zwei Tennis-Turniere im amerikanischen Hartplatzsommer gespielt und will sich bei den US Open verabschieden. Er tat es gestern mit seiner 6:2, 3:6, 6:1, 5:7 und 3:6-Niederlage gegen den Weltranglisten-18. Feliciano Lopez in der zweiten Runde.

Der Hoffnungsträger

Eigentlich war Fish gemeinsam mit seinem Jugendfreund Andy Roddick und James Blake auserkoren, für die Amerikaner zur Jahrtausendwende das schwere Erbe von Pete Sampras und Andre Agassi anzutreten. Doch während Roddick zumindest 2003 das US Open gewann und die Nummer eins der Welt wurde, konnte Fish den hohen Erwartungen nicht genügen. «Ich habe definitiv einige sehr schlechte Entscheidungen getroffen», gibt Fish zu, «ich hielt mich nicht für faul, aber in den Augen anderer war ich es wohl.»

Burger, Pommes frites und Cola waren seine besten Freunde und mit gut 100 Kilo Gewicht nutzte dann auch sein vielversprechendes Talent wenig, um gegen die besten Spieler zu bestehen. Erst mit 27 Jahren bekam Fish schliesslich die Kurve, speckte 15 Kilo ab und fragte im Nachhinein: «Warum hat mir nie jemand gesagt, wie ich aussehe? Ich wollte immer besser in Form sein, aber ich wusste nicht, was gut für mich ist.»

Späte Erfolge

Mit der Radikalkur kamen die Erfolge, Fish schaffte es 2011 in die Top Ten. Im Jahr darauf der nächste Rückschlag: Herzrhythmusstörungen. Fish wurde operiert, dann kam die Angst. Er hielt es nicht mehr aus, allein in einem Raum zu sein, konnte nicht mehr alleine schlafen, verliess kaum noch das Haus. Alles bisher so vertraute, ängstigte ihn. Es dauerte lange, bis er wieder einen Tennisplatz betrat. Langsam machte ihm das Bälleschlagen wieder Spass und Fish liess sich von dem Gedanken treiben, noch einmal am US Open zu spielen. Einen Abschluss finden, damit nicht dieses verpasste Match gegen Federer den Leuten im Gedächtnis bleibt.

Fish trainierte wieder, machte auch in seinem Alltag Fortschritte. Er kann inzwischen wieder alleine schlafen, alleine reisen. Und an guten Tagen denkt er nicht an seine Angst. Diese Tage sind noch selten, doch sie machen Fish für seine Zukunft Mut. «Das sind meine Siege heute. Nicht mehr auf dem Tennisplatz, aber wenn jemand sagt: ‹Seht her, da ist einer, der durchgemacht hat, was ich durchmache und hat es geschafft› – das ist ein Sieg.» Fish will sich nicht verstecken, er bietet seinem Schicksal die Stirn. Auch, um andere zu ermutigen. «In unserem Sport wurde uns immer eingebläut, dass Schwäche eine Schande ist. Aber ich will das Gegenteil beweisen.»