Nirgendwo ist der Spruch, wonach hinter jedem starken Mann eine starke Frau steht, passender als bei Roger und Mirka Federer.
Am Sonntag, kurz vor Mitternacht, im Bauch der Rod-Laver-Arena, fängt eine auf dem Weg in die Garderoben positionierte Kamera die 30 ersten intimen Sekunden Roger Federers nach dem 18. Grand-Slam-Titel ein. Sie umarmt ihn und küsst ihn auf die Wange. Flüstert ihm Worte ein, die kein Mikrofon einfangen kann. Fasst sein Gesicht mit beiden Händen, küsst ihn auf den Mund. Umarmt ihn noch einmal. Sie, das ist Mirka Federer (38), die Frau des erfolgreichsten Tennisspielers der Geschichte. Doch wer ist sie?
Für die meisten Menschen existiert die Frau mit dem pinken Gucci-Pullover mit dem brüllenden Tiger auf der Brust für 1500 Franken nur von der Hüfte an aufwärts. So viel gibt die Spielerbox preis. Doch während Pausen geht der Vorhang auf für ihre Inszenierung. Wenn die Kameras sie einfangen, werden die Brillanten am Ringfinger gezählt, die Handtaschen evaluiert oder eben der Pullover von Gucci. Sitzen die Mädchen ebenfalls im Publikum, wird darüber debattiert, wie gut sie von der Mutter eingekleidet wurden.
Nirgendwo ist der Spruch, wonach hinter jedem starken Mann eine starke Frau steht, passender als bei Roger und Mirka Federer. Früher war sie so etwas wie seine persönliche Assistentin, bis er mit seinen Siegen erst zum Nabel der Tennis-Welt und später auch zu einer Ikone der Sportgeschichte wurde. Ein Paar sind sie seit den Olympischen Spiele 2000 in Sydney, wo Federer mit seinem damaligen Trainer Peter Lundgren, vier Ringern und der Tennis-Spielerin Emmanuelle Gagliardi und eben Mirka eine Wohnung teilt.
«Der Startschuss unserer Liebesgeschichte. Hier umarmten und küssten wir uns erstmals», erinnert Federer sich. Besonders geschickt stellt er sich im Werben offenbar nicht an. «Ich habe gar nicht gemerkt, dass er ein wenig attackiert. Aber ich dachte, dass er ein lustiger Kerl ist, kein Langweiler, das gefiel mir», erzählt sie einmal. «Wenn das hier vorbei ist, werde ich die stärksten Bauchmuskeln der Welt haben, so sehr muss ich dauernd wegen Roger lachen», sagt sie dort. Zuvor in der Schweiz hatte er einen schlechten Eindruck hinterlassen.
«Er machte unglaublich viel Lärm und sang Lieder der Backstreet Boys. Er gefiel mir, aber die Trainer hat er genervt.» Mirka ist reifer, älter, fokussierter. «Sie trainierte fünf, sechs Stunden am Tag, was für mich unmöglich war. Nach einer Stunde wurde mir langweilig, und ich flog aus dem Training», sagte Federer. «Als ich Mirka erstmals küsste, sagte sie: «Du bist so jung. Fast noch ein Baby.» Damals steht sie selber noch im Fokus. Als Miroslava Vavrinec aus Kreuzlingen, Thurgau, schafft sie es bis auf Rang 76 der Weltrangliste.
Es ist zu einer Zeit, in der sie noch ihretwegen und nicht seinetwegen für Schlagzeilen sorgt – und bevor sie sich der Öffentlichkeit entzieht. Damals erzählt sie von der Flucht ihrer Eltern in die Slowakei, als sie zwei Jahre alt ist. Wie ihr 1996 beim ersten Anlauf der Schweizer Pass verwehrt bleibt. Und dass der Prinz von Dubai ein Auge auf sie geworfen hatte und sie zur Prinzessin der Vereinigten Arabischen Emirate hat machen wollen. Sie, einziges Kind eines Goldschmieds, wird nicht Prinzessin, sondern Königin an der Seite Federers.
2002 beendet sie wegen chronischer Fussbeschwerden ihre Karriere. Seither hält Mirka Federer den Rücken frei. Seit zehn Jahren spricht sie nicht mehr. «Sie organisiert unser Leben, das bedeutet viel Arbeit. Deswegen beschütze ich sie und spreche für uns beide», sagt Federer. Schon damals, als sie nur zu zweit sind, hat sie eine dicke Haut. «Mir ist es Wurst, hier und da für einen Drachen gehalten zu werden. Wer mich kritisiert, sollte einmal mitbekommen, was alles auf uns einprasselt», sagt sie 2003 zur «Schweizer Illustrierten».
Als sie sich kennenlernen, ist Federer nicht mehr als ein Talent. Er ist nicht der Nabel der Tennis-Welt, nicht das Gesicht von Edelchampagner, Luxusuhren, nicht Millionär und er hat auch noch keinen seiner heute 89 Titel gewonnen. Er gebe ihr ihr Tennis-Leben zurück, sagt sie einmal und stellt alles hinten an. «Es geht jetzt um Rogi! Meine Zeit kommt nach dem Tennis. Er ist jetzt die Nummer 1 der Welt. Das ist man bloss einmal», sagt sie 2006. «So viel Tennis würde keine andere Frau ertragen. Es ist in unserem Leben allgegenwärtig.»
Ein Leben, das sich seither drastisch geändert hat. 2009 heiraten sie, im gleichen Jahr krönt die Geburt der Zwillinge Charlene und Myla ihre Liebe, fünf Jahr später stossen die Buben Leo und Lenny zur Familie. Als er nach der Verletzung im letzten Jahr kurz in Frage stellt, ob er weitermachen soll, rät sie ab. «So hörst du nicht auf. Nicht nach dem Einlassen eines Bads für die Mädchen», soll sie gesagt haben. Federer macht weiter und schreibt mit dem Sieg bei seiner Rückkehr eines der schönsten Märchen der Sportgeschichte.
«Alle sagen, ich sei der Beste. Aber ich bin nur der Beste mit dir an meiner Seite», sagt er einmal. «Allein sein heisst für mich, mit Mirka zusammen zu sein. Ich kann 20 Minuten im Auto alleine sein. Aber ich bin lieber mit ihr zusammen», ein anderes Mal. «Mirka sorgt für Harmonie, hat Geduld und Ausdauer. Es ist bewundernswert, wie sie Roger den Rücken frei hält», sagt Schwiegermutter Lynette damals. Ohne Mirka, das sagt auch Federer selber, wäre er längst zurückgetreten. Und hätte das Melbourne-Märchen nie schreiben können.