Severin Lüthi kann im Davis-Cup gegen Holland noch keine Talente aufbieten.
Genau zehn Jahre ist es nun her, da sass Severin Lüthi erstmals als Captain des Schweizer Davis-Cup-Teams auf der Bank am Spielfeldrand. Die Schweizer kämpften gegen Grossbritannien um den Klassenerhalt in der Weltgruppe. Ein halbes Jahr zuvor hatten die Schweizer gegen Holland verloren. Ohne Roger Federer, aber mit Marc Rosset als Captain und Stan Wawrinka als Spieler. Der damals 20-Jährige verlor beide Einzel jeweils nach grossen Kampf, als Nummer 118 der Welt gegen die besser klassierten Sjeng Schalken und Peter Wessels. Danach war die Zeit für Rosset abgelaufen, Federer machte sich für einen neuen Captain stark, den bisherigen Assistenten Severin Lüthi.
Lüthis Einstand vor zehn Jahren
Der Berner, damals erst 29 Jahre alt, gab seinen Einstand in der Palexpo-Halle in Genf. Federer war zurück im Team, Wawrinka schlug den aufstrebenden Andy Murray, Federer steuerte im Einzel und im Doppel mit Yves Allegro die restlichen Punkte bei. Der Platz unter den Top 16 Nationen war gesichert. Zehn Jahre später sieht es wieder ganz ähnlich aus. Von Freitag an ruhen die Hoffnungen im Abstiegsplayoff gegen Holland in den Genfer Palexpo-Hallen wieder auf Federer und Wawrinka. Viel mehr Auswahl hat Lüthi auch nicht. Allegro, 37 Jahre alt, ist nun Headcoach bei Swiss Tennis. Der inzwischen 40-jährige George Bastl ist seit zwei Jahren nicht mehr im Profigeschäft tätig. Dafür steht Marco Chiudinelli, der 2005 gegen die Holländer seinen Einstand im Davis-Cup gegeben hatte, im Team. 34 Jahre zählt der Basler, wie sein Kumpel Federer. Und auch Wawrinka ist schon 30 Jahre alt. Seit zehn Jahren also hat sich im Davis-Cup-Team nicht viel getan. Einzig Henri Laaksonen fällt mit seinen 23 Jahren aus dem Rahmen.
Das Loch hinter «Fedrinka»
Klar, die Schweizer stellen im Moment mit den Nummern zwei und vier der Welt, Federer und Wawrinka, ein Klasseteam. Nicht zufällig holten sie vor einem Jahr den Cup in die Schweiz. Genauso wenig zufällig ist es aber auch, dass sie nun gegen den Abstieg spielen. Federer und Wawrinka liessen die erste Partie des Jahres in Belgien aus, Chiudinelli fehlte wieder verletzt und mit der zweiten Garnitur blieben die Schweizer in Belgien chancenlos. Einziger Lichtblick dabei war Laaksonen, der eher überraschend seine zwei Einzel gewann.
Denn der Hoffnungsträger stagniert. Vor gut zwei Jahren noch die Nummer 187 der Welt ist Laaksonen inzwischen auf Platz 359 der Welt abgerutscht. Doch Lüthi hat kaum eine andere Wahl. In Belgien wollte er die aktuelle Nummer vier der Schweiz, Yann Marti, ins Team bringen, doch als Lüthi den 27-Jährigen nicht fürs erste Einzel nominierte, kams zum Eklat, der soweit führte, dass Lüthi den Walliser aus dem Team warf. Unter ihm hat die Nummer 337 der Welt keine Zukunft mehr im Davis-Cup.
Gedanken um seine Zukunft macht sich auch Lüthi. «Ich habe schon einmal überlegt, was ich mache, wenn Roger aufhört», sagt er, obwohl er keine Ahnung habe, wie lange Federer noch spiele. «Aber für mich gibt es keinen Grund, weshalb er sein Niveau nicht noch ein, zwei Jahre halten kann. Und weiter nach vorne zu schauen, bringt nichts, sagt er. Federer sei nicht langsamer geworden, verspüre immer noch Lust am Tennis und leide im Moment auch nicht unter Verletzungen. «Eventuell coache ich dann einen anderen Spieler, Anfragen hatte ich schon», sagt Lüthi. Die enge Zusammenarbeit mit einem jungen Spieler könne durchaus interessant sein.
Ein Projekt ist vorhanden
Mit Talenten würde Lüthi auch gerne im Davis-Cup arbeiten. Doch noch ist die Lücke hinter den Stars gross, nur vereinzelt lädt er ganz junge Spieler ein, um die Atmosphäre zu schnuppern. Mit dem 18-jährigen Antoine Bellier steht nur ein Schweizer unter 20 Jahren unter den Top 1000 der Welt. «Wir haben bei Swiss Tennis ein Projekt für die nächsten vier, fünf Jahre, um die jungen Spieler näher zu bringen», sagt Lüthi: «Meine Aufgabe ist es, die jungen Spieler besser zu machen und das Maximum aus ihnen herauszuholen.» Dafür sei es wichtig, dass Federer und Wawrinka noch weiter für die Schweiz spielten. Damit habe ein Team andere Ambitionen, das motiviere und könne so helfen, das Loch hinter Federer und Wawrinka zu schliessen. «Aber ich kann nur mitarbeiten», sagt Lüthi. Wichtiger sei die tägliche Arbeit mit dem eigenen Coach.
In zehn Jahren als Captain hat Lüthi viel erlebt, nebst dem Triumph von Lille auch zweimal den Abstieg aus der Weltgruppe. Dieser droht im Normalfall in den nächsten Tagen gegen die Holländer nicht. Doch ob diese Partie nun der Start zu einem weiteren Höhenflug ist, weiss Lüthi selbst nicht. Zu viele Fragen sind in den nächsten Jahren offen. Auch der Captain muss keine weiteren zehn Jahre bleiben.