Nachdem sie Ende Dezember 2021 an Covid-19 erkrankt war, konnte Belinda Bencic kaum länger als zwei Stunden trainieren, so sehr hatte ihr Lunge gelitten. Nun findet die Olympiasiegerin den Tritt wieder.
Das Virus schlug zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt zu: Kurz vor dem Saisonstart, wenn nicht an Vor- und Rückhand, sondern an der Ausdauer und der Kraft gearbeitet wird, steckte sich Belinda Bencic Ende Dezember in Abu Dhabi bei einem Schaukampf mit dem Coronavirus an, verspürte «ziemlich starke Symptome», und musste mit dem Training aussetzen.
Bencic hatte sich kurz zuvor, Anfang November, den Impfstoff von Johnson & Johnson verabreichen lassen, wie sie gegenüber CH Media bestätigte.
Anders als befürchtet hatte die Erkrankung keine negativen Auswirkungen auf die Turnierplanung. Bencic spielte in Sydney, trat bei den Australian Open und Mitte Februar in St.Petersburg an. Doch mehr als zwei Partien am Stück konnte sie nie gewinnen. Viel zu wenig für die Ansprüche der früheren Nummer 3 der Welt und Olympiasiegerin von Tokio. Aber auch mit Infektion im Dezember zu erklären. In St.Petersburg sagte Bencic: «Bei mir wurde etwas in der Lunge festgestellt, das nicht normal ist.» Die Ärzte rechneten mit zwei bis drei Monaten, bis sich die Lunge erholt habe.
In diese Zeit fielen noch zwei Startniederlagen in Doha und Indian Wells.
Dann legte Bencic eine längere Pause ein, zog sich in die Slowakei zurück, wo sie ihren 25. Geburtstag feierte und wo sie mit ihrem Lebenspartner und Fitnesstrainer Martin Hromkovic lebt und trainiert. Aber nicht etwa nach Bratislava, sondern in den Nationalpark an der Grenze zu Polen in die Tatra, die Teil der Karpatenbergkette ist und sich bis auf 2600 Meter Höhe erhebt. Bencic wanderte, versuchte sich auf den Langlaufski und vor allem: Sie gab ihrem Körper Zeit, sich von der Covid-Infektion zu erholen.
Nun ist Bencic fast nicht mehr wiederzuerkennen und erinnert erstmals seit ihrem Olympiasieg 2021 wieder an die goldenen Tage von Tokio. In Miami gewann sie innert einer Woche fast so viele Spiele wie zuvor in zweieinhalb Monaten zusammen und steht nach vier Erfolgen bereits in den Halbfinals. Sie sagt: «Es war eine gute Idee, in die Berge zu gehen. Das half mir sehr mit der Atmung. Ich bin zurück in der Spur.» Vor der Pause sei es undenkbar gewesen, zwei Stunden am Stück zu trainieren. «Ich bin glücklich, was ich erreicht habe. Alles, was jetzt kommt, ist ein Bonus.»
In den Halbfinals trifft Bencic am Donnerstag auf die Japanerin Naomi Osaka (24, WTA 77), gegen die sie die letzten drei der bisher vier Duelle gewonnen hat. Die frühere Nummer 1 der Welt hatte in den letzten Jahren mit depressiven Episoden zu kämpfen, legte mehrere Pausen ein und liess offen, ob sie ihre Karriere fortsetzen würde. Von den French Open 2021 hatte sie sich zurückgezogen, nachdem der Veranstalter sie gebüsst und mit Ausschluss gedroht hatte. Osaka hatte zuvor Medienkonferenzen ausgelassen, weil diese ihrer mentalen Gesundheit schaden würden.
Bencic hatte diese Haltung damals gegenüber dieser Zeitung kritisiert, als sie sagte: «Das ist Teil unseres Jobs. Dank der Berichterstattung der Medien haben wir weltweite Publicity. Und für einen Frauensport werden wir sehr gut bezahlt. Das ist auch dank der Medien der Fall.» Osaka fiel zuvor auch mit pointierten Äusserungen zum Weltgeschehen auf, was Bencic lobte, für sich aber damals noch klar ausschloss: «Ich muss nicht zu jedem Thema meinen Senf abgeben. Dieses Bedürfnis habe ich nicht.» Bei Osaka habe sie manchmal das Gefühl, es gehe ihr darum, «im Gespräch zu bleiben».
Im Ukraine-Krieg ist Bencic von dieser Haltung abgerückt und erinnerte an ihre persönliche Geschichte. Ihr Vater und ihre Grosseltern waren 1968 nach dem Fall des eisernen Vorhangs aus der Slowakei in die Ostschweiz geflüchtet. «Nette Menschen halfen ihnen damals. Nun ist es an uns, den Menschen aus der Ukraine zu helfen», sagte Bencic, die in Miami mit einer gelb-blauen Schlaufe an der Schläfe spielt, um ihre Solidarität zu zeigen.