Startseite
Sport
Wenige Zuschauer, weniger Preisgeld, Quarantäne und regelmässige Tests: Das Coronavirus hat die Spielregeln im Profi-Tennis verändert. Die Impfung bietet einen Ausweg. Doch die Skepsis ist gross.
Seit über einem Jahr bestimmt das Coronavirus den Lauf der Dinge, auch im Tennis-Zirkus. Preisgelder werden gesenkt, Turniere abgesagt, oder vor wenigen Zuschauern ausgetragen. Regelmässige Tests und Quarantäne sind längst an der Tagesordnung. Bei den Betroffenen kommt das nicht immer gut an, wie das Beispiel der Australian Open zeigt, wo ein Grossteil des Trosses von den lokalen Behörden für 14 Tage in Quarantäne versetzt wurde, ohne die Möglichkeit, das Hotelzimmer zu verlassen, nachdem das Virus auf mehreren Flügen nach Melbourne eingeschleppt worden war.
Den bisher einzigen Ausweg bietet die Impfung. Doch ausgerechnet im Tennis, dem wohl globalsten Sport, ist die Skepsis besonders gross.
Novak Djokovic, der im vergangenen Jahr auf dem Höhepunkt der ersten Welle die Adria-Tour, eine Turnierserie auf dem Balkan veranstaltete, sich dabei angesteckt hatte, und mit einem Privajet von Belgrad nach Monte Carlo geflüchtet war, gehört zu den grössten Bedenkenträgern. Für den Serben war schon klar, dass er sich nicht impfen lassen wird, als noch gar nicht abzuschätzen war, ob es überhaupt je ein Vakzin geben würde. Im Frühling 2020 schrieb er: «Ich bin dagegen. Ich möchte nicht, dass mich jemand zwingt, einen Impfstoff einzunehmen, um reisen zu können. Ich möchte darüber entscheiden, was für meine Körper am besten ist.»
Selbst in der Heimat wurde Djokovic dafür kritisiert. Der Epidemiologe Predrag Kon sagte: «Als einer von Djokovics grössten Fans hätte ich gerne die Möglichkeit, ihm die Wichtigkeit und den Beitrag von Impfungen für die Gesundheit der Bevölkerung zu erklären. Jetzt ist es zu spät, er hat für falsche Vorstellungen gesorgt.» Inzwischen blockt der rekonvaleszente Djokovic Fragen zu einem möglichen Impfobligatorium ab. Nach seinem Sieg bei den Australian Open Mitte Februar sagte er: «Ich möchte mich nicht zu etwas äussern, worüber noch debattiert wird.« Er wolle abwarten. Doch der Tag wird kommen, an dem Turniere Impfungen voraussetzen.
Problematisch erscheinen die Argumente jener, die sich gegen die Impfung aussprechen. Der 23-jährige Russe Andrei Rublew sagte in Miami:
«Ich möchte mich nicht impfen lassen. Es gibt keinen Grund, es ist mein Gefühl. Ich habe in meinem Leben nie eine Impfung erhalten, auch als Kind nicht. Die Impfung bringt mir keinen Vorteil.»
Geht es um Substanzen, sind Berufssportler besonders skeptisch, manche sogar paranoid. Man muss sie verstehen: die Regularien der Anti-Doping-Behörden sind streng. Doch Rublew, und die ebenfalls skeptischen Elina Switolina oder Arina Sabalenka argumentieren nicht mit Risiken wie den Sinusthrombosen, die im Zusammenhang mit dem Präparat von AstraZeneca vereinzelt aufgetreten sind, sondern damit, dass die Impfung ihnen keine Privilegien bringe. Sie müssten sich weiterhin regelmässig testen lassen und sich bei Turnieren in einer Blase bewegen. Dass es bei der Impfung junger Menschen darum geht, die Mitmenschen vor einer Erkrankung zu schützen, kommt in ihrer Gedankenwelt offenbar nicht vor.
Die skeptischen Äusserungen in Miami hat die Profi-Organisationen der Frauen (WTA) und der Männer (ATP) zu einer Stellungnahme veranlasst. Beide richten aus, sie seien im Austausch mit Experten und würden eine Impfung empfehlen. Man wolle den Spielerinnen und Spielern die Vorteile aufzeigen, die sie durch eine Impfung erlangen könnten. Wie Rafael Nadal und Roger Federer zur Impfung stehen, ist derzeit noch nicht bekannt. Wie Novak Djokovic verzichteten auf eine Teilnahme beim Masters-Turnier in Miami. Immerhin: die Rumänien Simona Halep liess sich bereits impfen, die Japanerin Naomi Osaka will dies tun, sobald es möglich ist.