Die Meisterschaft schien für den FC Zürich vor der Saison utopisch, am Sonntag könnte er den Titel aber holen. Wie ist es dazu gekommen?
Der Meistertitel ist zum Greifen nah für den FC Zürich: Gewinnt er heute gegen Sion und verliert Basel morgen gegen Luzern, dann sind die Zürcher zum 13. Mal Schweizer Meister. Es ist ein Überraschungstitel, hatte doch vor der Saison niemand dem FC Zürich den Triumph zugetraut. Fünf Gründe sorgten aber dafür, dass der FCZ wieder zur Nummer 1 des Landes wurde.
Als André Breitenreiter sein Amt im vergangenen Sommer angetreten ist, versprühte er Aufbruchsstimmung. Der Deutsche, einst in der Bundesliga bei Paderborn, Schalke und Hannover tätig, sollte den FCZ wieder in die oberen Gefielde führen. Mit zwei siebten und einem achten Rang war der FC Zürich in den letzten Jahren deutlich unter den Erwartungen geblieben. Breitenreiter sorgte aber schon rasch nach seiner Ankunft für eine Aufbruchstimmung. Der 48-Jährige überzeugt nicht nur mit grossem Fachwissen, sondern auch mit seiner Aussendarstellung. Spricht er mit den Medien, sind alle Aussagen druckreif, präzise und auf den Punkt gebracht. Ähnlich gut dürfte er bei den Spielern ankommen.
Der mögliche Meistertitel ist eng mit der 3-5-2-Formation von Breitenreiter verknüpft. Die beiden offensiv starken Aussenverteidiger Nikola Boranijasevic und Adriàn Guerrero – gekommen von Lausanne und Lugano – sorgen immer wieder für Gefahr über die Aussen. Gemeinsam haben sie elf Torvorlagen gegeben und sieben Treffer selber erzielt. Zudem verfügt der FCZ über ein funktionierendes zentrales Mittelfeld mit Aufräumer Ousmane Doumbia.
Dazu kommt eine klare Ausrichtung auf dem Rasen. Der FC Zürich hat selbst in Spielen, in denen er als Favorit auf das Feld geht, nicht den Anspruch oft den Ball zu haben. Zürich kommt in der bisherigen Saison nur auf einen Ballbesitzwert von 47,6 Prozent. Lediglich Lausanne und Sion haben noch weniger den Ball in den eigenen Reihen. Stattdessen setzt Breitenreiters Team auf schnelles Umschaltspiel. Durch gute Pässe aus dem starken Mittelfeld unter anderem mit Spielgestalter Antonio Marchesano kann der FCZ immer wieder Gefahr kreieren.
Wie viele Spiele in dieser Saison standen auf der Kippe, aber am Ende hat sie fast alle der FC Zürich geholt? Nicht selten ist der FCZ nicht das spielerisch bessere Team, sondern das effizientere. Das hat sich eindrücklich letzte Woche gezeigt, als Zürich bereits mit dem ersten Torschuss gegen YB in Führung ging. Der FC Zürich ist zusammen Basel das effizienteste Team der Liga, wie Statistiken aufzeigen. Zum Vergleich: Zürich hat aus 350 Schüssen bisher 64 Tore erzielt, die Young Boys aus 422 Schüssen 65 Tore.
In der Offensive lebt der FC Zürich von einem aus dem Nichts völlig erstarkten Assan Ceesay. Nach seinem 2-Millionen-Transfer 2018 von Lugano zu Zürich hatte der 28-jährige Gambier beim FCZ lange gar nicht funktioniert. Er wurde zwischenzeitlich sogar zu Osnabrück ausgeliehen. Doch unter Breitenreiter dreht Ceesay endlich auf. Der lange Stürmer hat in der Super League schon 16 Tore erzielt und sieben weitere vorbereitet. Dazu kommt, dass mit Spielern wie Antonio Marchesano (12 Tore) und Wilfried Gnonto (8 Tore) zwei weitere Spieler regelmässig für den FCZ einnetzen.
Der Leitwolf des Teams ist Blerim Dzemaili. Der langjährige Schweizer Nationalspieler ist inzwischen 36-jährig, hat aber beim FC Zürich nach seiner Verletzung wieder zu seiner Form zurückgefunden. Kürzlich hat er seinen Vertrag um ein Jahr verlängert.
Dzemaili gilt auch in der Kabine als wichtiger Führungsspieler, nennt Dinge beim Namen. Und nicht zuletzt, weiss er, wie man mit Zürich Titel holt: Er gehörte schon zu jenem Team, das unter Lucien Favre 2006 und 2007 Meister wurde.
So viel beim FC Zürich funktioniert, so enttäuschend verläuft die Saison bei den beiden eigentlichen grössten Klubs des Landes, dem FC Basel und dem BSC Young Boys. Die Berner, zuletzt viermal in Serie Meister, spielten unter David Wagner eine enttäuschende Saison, Anfang März wird der Trainer ersetzt. Und beim FC Basel funktioniert nach einem Umbruch noch nicht alles, auch Trainer Patrick Rahmen musste Ende Februar gehen. Weil bei YB und Basel vieles fehlte, konnte der FC Zürich profitieren und durch die Liga marschieren.