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In den letzten drei Jahren wuchsen die Teilnehmerzahlen in der Spitzensport-RS bei den Frauen rasant an. Was ist der Grund für den freiwilligen Dienst am Vaterland?
Steigende Teilnehmerzahlen, steigende Frauenquote, immer mehr WK-Diensttage von Spitzensportlern, die so erfolgreiche Leistungssportförderung der Armee platzt aus allen Nähten. Erstmals konnten 2015 nicht alle geeigneten Kandidaten aufgenommen werden. Ein Grossteil der Schweizer Medaillengewinner an Olympischen Spielen hat die Spitzensport-Rekrutenschule (RS) absolviert.
Im internationalen Vergleich hängt die Schweizer Armee bei der Leistungssportförderung zahlenmässig trotzdem hinterher. Es gibt genug Argumente für einen Ausbau der Schweizer Leistungssportförderung, doch die Politik und die Armee zögern.
«Dein Sport – Dein Traum – Unsere Herausforderung», so lautet das Motto der Leistungssportförderung der Schweizer Armee. Das Konzept verbindet Training auf höchstem Niveau mit der militärischen Dienstpflicht junger Athleten. Die Leistungssportförderung boomt. Seit 2004 die erste Spitzensport-RS ins Leben gerufen wurde, hat sich die Teilnehmerzahl jährlich erhöht.
Besonders auffällig dabei ist die steigende Frauenquote. Als vor zehn Jahren mit der Triathletin Andrea Stämpfli die erste Frau in die Spitzensport-RS aufgenommen wurde, hielt man das noch für eine Ausnahme. In diesem Jahr liegt der Frauenanteil erstmals bei fast 20 Prozent. Vor allem in den Wintersportarten ist die Frauenquote stark gestiegen. Woher kommt diese Entwicklung, wenn man bedenkt, dass die Frauen gar nicht dazu verpflichtet sind, Militärdienst zu leisten?
Die Frauen profitieren vor allem finanziell. Durch die Gelder der Armee können sich die Athletinnen voll und ganz dem täglichen Training widmen und müssen keiner Erwerbstätigkeit nachgehen und das zu einem Schlüsselzeitpunkt, zu Beginn der Profikarriere. Dafür nehmen sie eine fünfwöchige militärische Ausbildung in Kauf, bei der sie das gleiche Programm wie die männlichen Rekruten absolvieren.
Auch Patrizia Kummer, Snowboard-Olympiasiegerin von Sotschi 2014, hat die Spitzensport-RS freiwillig absolviert und ist heute als Zeitmilitär von der Armee angestellt. «Für mich war die Entscheidung, die Spitzensport-RS zu absolvieren, das Beste, was mir passieren konnte und sie ist mir nicht schwergefallen. Ich habe unglaublich vom Training, von den Zusatzausbildungen und von den anderen Spitzensport-Rekruten profitiert und bin dadurch professioneller geworden», sagt Kummer heute.
Nachteile aus dem Deal mit der Armee sieht sie kaum. Die Verpflichtungen seien den üblichen Sponsorenterminen sehr ähnlich und kurzweilig. Bis zu den nächsten Olympischen Winterspielen in Pyeongchang 2018 ist Kummer als Zeitmilitär von der Armee angestellt. Durch die monatliche Finanzspritze erhält sie eine wichtige finanzielle Basis und kann sich so voll und ganz auf ihr Training konzentrieren.
Nun wollen immer mehr junge Talente diesen Weg gehen und mit der Unterstützung der Armee durchstarten. Die Bewerbungen der Sportverbände für einen Platz in der Spitzensport-RS nehmen laufend zu. Wegen des grossen Ansturms kommt die Armee an ihre Kapazitätsgrenzen. Mehr als 2-mal 35 neue Rekruten
pro Jahr und 18 Zeitmilitär-Stellen sind für die Infrastruktur am Bundesamt für Sport (Baspo) in Magglingen nicht zu bewältigen. Zudem würde ein Ausbau der Förderung auch mit steigenden Kosten einhergehen.
Momentan hat nur ein erlesenes Feld Anspruch auf die begehrte Leistungssportförderung der Armee. Hohe Ziele auf internationaler Ebene, das Potenzial zu Medaillengewinnen an Grossanlässen sowie die Unterstützung von Swiss Olympic sind Kriterien, welche über eine Aufnahme in die Spitzensport-RS entscheiden. In einem Sichtungsgespräch muss der Athlet dann sich und seine Ziele präsentieren.
Spitzensport-RS:
Während der ersten fünf Wochen absolvieren die Rekruten in Lyss (BE) die militärische Grundausbildung. Parallel dazu können sich die Sportler halbtags ihrem Training widmen. Die anschliessende 13-wöchige Sportausbildung in Magglingen umfasst intensive tägliche Trainings und diverse Zusatzausbildungen rund um den Sport. Die Spitzensportler erhalten wie die anderen Absolventen der Rekrutenschule grundsätzlich 62 Franken Erwerbsersatz pro Tag. Hinzu kommen freie Kost und Logis.
Wiederholungskurse:
Um die Athleten langfristig zu fördern, existieren spezielle WKs für Spitzensportler. Neben den 30 Pflichttagen können sich die ehemaligen Spitzensport-Rekruten seit 2014 jedes Jahr bis zu 100 Trainingstage als Diensttage anrechnen lassen. Die WKs sollen den Athleten helfen, sich optimal auf ein anstehendes Grossereignis, wie Olympische Spiele vorzubereiten.
Zeitmilitärs:
18 auserwählte Athletinnen und Athleten sind momentan zu 50 Prozent von der Schweizer Armee angestellt. Sie erhalten dadurch eine finanzielle Basis von mindestens 2000 Franken im Monat und können sich auf das Training konzentrieren. Die Förderung ist langfristig angelegt, weshalb die Sportler im Normallfall bis zum nächsten Grossereignis und auch darüber hinaus angestellt bleiben.
Anschliessend entscheidet die Armee, für welche Kandidaten die Förderung am wichtigsten ist. Quotenplätze für gewisse Sportarten gibt es keine. Olympische Sportarten haben allerdings Priorität. «Leider konnten 2015 erstmals nicht alle geeigneten Kandidaten für die RS berücksichtigt werden», sagt Franz Fischer, Verantwortlicher Sport der Leistungssportförderung der Armee. Die Kapazitäten in Magglingen sind momentan erschöpft. Um mehr Rekruten aufzunehmen, müsste man sich nach Alternativen umschauen. Ein Ausbau sei aber trotzdem noch kein Thema.
Doch würde ein Ausbau der Leistungssportförderung überhaupt etwas bringen? Die Bilanz der Schweizer Sportsoldaten vor allem an Olympischen Winterspielen ist sehenswert. Von den sechs Goldmedaillengewinnern in Sotschi haben vier Sportler die Spitzensport-RS absolviert. Die Bilanz von Vancouver 2010 ist noch besser. Dort gingen fünf der sechs Goldmedaillen auf das Konto von Sportsoldaten. Nimmt man diese Zahlen als Massstab, wäre ein Ausbau der Sportförderung durch die Armee vor allem im Wintersport durchaus sinnvoll.
In Österreich sind mittlerweile knapp 200 Sportsoldaten von der Armee angestellt, in Deutschland sogar über 800. Auch dort machen sie einen Grossteil der Medaillengewinner im Wintersport aus. Die Schweiz, als Wintersportnation, hängt mit momentan 18 Zeitmilitär-Angestellten im internationalen Vergleich deutlich hinterher – auch wenn man die zwölf Spitzensportler berücksichtigt, die bei der Grenzwache angestellt sind.
«Es wäre förderlich, wenn die Schweizer Armee die Zeitmilitär-Stellen in Zukunft erhöhen könnte, um noch mehr Sportlern eine bessere Chance auf einen Medaillengewinn bei Weltmeisterschaften oder Olympischen Spielen zu ermöglichen», sagt auch Fischer, doch bislang bleibt es bei einer Vision.
Die Voraussetzung dafür, als Zeitmilitär eingestellt zu werden, ist eine absolvierte Spitzensport-RS. Die angestellten Sportler profitieren von einer 50-Prozent-Anstellung grundsätzlich bis zum nächsten internationalen Grossereignis – mit dem Ziel, dort eine Medaille oder ein Diplom zu erreichen. Gerät das Ziel aus den Augen, wird der Einjahresvertrag nicht verlängert. Neben der finanziellen Unterstützung können die Athleten von der Infrastruktur in Magglingen, von Sozialleistungen und zahlreichen Weiterbildungsmodulen profitieren.
Bis zu den Olympischen Winterspielen 2018 in Pyeongchang werden zehn Schweizer Medaillenkandidaten als Zeitmilitär von der Armee angestellt. Neben Patrizia Kummer sind dies unter anderem Julie Zogg (Snowboard), Gianluca Cologna (Langlauf), Luca Aerni (Ski Alpin) und Gregor Deschwanden (Skispringen). Ihnen werden seitens der Armee die grössten Chancen eingeräumt, im Winter 2018 olympisches Edelmetall für die Schweiz zu gewinnen.
Vertraut man der Statistik, müssten es dann wieder mindestens vier Goldmedaillen für die Schweizer Sportsoldaten geben. Auch Patrizia Kummer würde es befürworten, wenn es bald schon mehr Zeitmilitär-Stellen geben würde. Es liegt nun am Baspo und der Armee, den benötigten Ausbau zu realisieren.